Gemeinden-Chef Hannes Germann (SVP) zur Asyl-Debatte
Warum kriegt Oberwil-Lieli nicht eine fette Busse?

Der oberste Gemeinden-Chef, SVP-Ständerat Hannes Germann, nimmt im BLICK-Interview Stellung zum Asyl-Freikauf von Oberwil-Lieli, seinem Parteikollegen Andreas Glarner als SVP-Asylchef und zur Stimmenthaltung seines Verbands beim neuen Asylgesetz.
Publiziert: 04.05.2016 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:18 Uhr
Ruedi Studer

Die Aargauer Gemeinde Oberwil-Lieli kauft sich von Asylsuchenden frei – zum Ärger vieler Bundespolitiker, die den Entscheid als «unsolidarisch» und «egoistisch» verurteilen. Im BLICK-Interview nimmt nun der oberste Gemeinden-Chef, SVP-Ständerat Hannes Germann (59, SH), Stellung zum Entscheid – ebenso zu seinem umstrittenen Parteikollegen Andreas Glarner (53, AG) und zum neuen Asylgesetz.

Herr Germann, Oberwil-Lieli kauft sich von Asylsuchenden frei und lässt die übrigen Gemeinden im Stich. Was halten Sie als Präsident des Gemeindeverbands von diesem Vorgehen? 

Hannes Germann: Es handelt sich um einen demokratischen Entscheid einer souveränen Gemeinde, den es zu respektieren gilt. Das Asylwesen und damit auch die Unterbringung von Asylsuchenden ist eine Verbundaufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden. Der Schweizerische Gemeindeverband setzt sich dafür ein, dass dies von allen drei Staatsebenen so gelebt wird.

Das ist jetzt aber etwa viel Zurückhaltung. Andere Politiker geisseln den Entschied als «unsolidarisch» und «egoistisch». Sie nicht?

Zu innerkantonalen Angelegenheiten äussern wir uns aus Prinzip nicht. Wie der Kanton Aargau die allfällige Zuweisung von Asylbewerbern regelt, liegt in seiner Kompetenz.

Kennen Sie andere Gemeinden in der Schweiz, die gleich vorgegangen sind? 

Nein, mir ist kein anderes Beispiel bekannt.

SVP-Ständerat Hannes Germann (59, SH) präsidiert den Schweizerischen Gemeindeverband (SGV).
Foto: KEY

Wenn man sich schon freikaufen kann, sollte die Abgabe wenigstens nicht einen echten Strafcharakter im Sinne einer Busse haben? 

Es ist klar, dass die Solidarität unter den Gemeinden auch in der Frage der Unterbringung von Asylsuchenden spielen muss. Ob das «Abstrafen» einzelner Gemeinden dazu das richtige Mittel ist, bezweifle ich. Bisher hat diese Solidarität im Grossen und Ganzen gespielt. Wir sollten jetzt nicht einen Einzelfall zu einem Systemversagen hochstilisieren.

Gibt es Fälle, in welchen Sie einen 'Freikauf' wie in Oberwil-Lieli sogar als gerechtfertigt erachten?

Möglicherweise gibt es tatsächlich Situationen, in denen eine Unterbringung in einer Gemeinde unmöglich oder unzumutbar ist. Dies muss jedoch von Fall zu Fall betrachtet werden.

Was aber, wenn das Beispiel Oberwil-Lieli grossräumig Schule macht?

Ich bin überzeugt, dass die kommunale Ebene zusammen mit Bund und Kantonen ihre Verantwortung wahrnimmt. Darum hat sich der Gemeindeverband auch bei der so genannten Notfallplanung und im Zusammenhang mit der Requisitionsverordnung für das Mitspracherecht der kommunalen Ebene eingesetzt.

Ihr Parteikollege Andreas Glarner kostet seinen Triumph aus und fordert nun gar Stacheldraht an der Grenze. Was halten Sie von dieser Forderung?

Stacheldraht ist sicher keine Lösung! Mit der Notfallplanung von Bund, Kantonen und Gemeinden kann das Grenzwachtkorps ja punktuell auch Unterstützung von der Armee erhalten. Zudem gilt es auch zu beachten, dass sich die aktuellen Flüchtlingsbewegungen nur in Koordination mit anderen Staaten lösen lassen, davon bin ich überzeugt.

Glarner giesst gerne Öl ins Feuer. Ist er der richtige Ressortchef Asyl für die SVP?

Wir stehen am Anfang einer neuen Legislatur, stellen Sie mir bitte die Frage in vier Jahren wieder…

Wie steht der Gemeindeverband eigentlich zum Asylgesetz?

Der Gemeindeverband steht grundsätzlich hinter dem Hauptziel – also der Beschleunigung der Verfahren – der Asylgesetz-Revision. Aber es gibt Vorbehalte gegen das Prinzip des Plangenehmigungsverfahren, sofern dies über die Baugenehmigungen und Betriebsbewilligungen hinausgeht. Mit der Requisitionsverordnung des VBS schiesst der Bundesrat weit über das Ziel hinaus. Wir gehen gegenwärtig nicht davon aus, dass Zivilschutzanlagen oder andere Gebäude in Gemeinden enteignet werden. Aber vielen Gemeindevertretern geht es ums Prinzip.

Der Verband drückt sich aber um eine Parole. 2013 hat er zu den praktisch gleichen dringlichen Massnahmen noch die Ja-Parole beschlossen. 

Wir drücken uns nicht. Es ist häufig, dass sich der Gemeindeverband nicht zu Vorlagen äussert. 2015 haben wir keine einzige Parole gefasst, wir müssen sehr oft ganz gegensätzliche Meinungen unter einen Hut bringen. Vielleicht haben wir hier die Sprengkraft aber unterschätzt.

Was sagen Sie persönlich zum Asylgesetz?

Nein. Aber das tut im Zusammenhang mit dem SGV-Präsidium nichts zur Sache.

Wir sehen das anders: Der Gemeindeverband übt sich aus Rücksicht auf seinen Präsidenten in «Stimmenthaltung».

Der Vorstand des Gemeindeverbands besteht aus 15 Personen aus der kommunalen und nationalen Politik und entscheidet eigenständig demokratisch. Es wäre nicht das erste Mal, dass dabei der Präsident überstimmt wird. Es ist auch nicht «Rücksicht» auf seinen Präsidenten gefragt, sondern klare Meinungsäusserungen. Und da war ich überrascht über die klaren Voten in Bezug auf die angedrohten Enteignungen. Wenn der Bundesrat das nicht vorhat, wie jetzt betont wird, warum erlässt er dann im Vorfeld der Abstimmung eine derart unsägliche Verordnung?!

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