Geheimbericht enthüllt
Cassis will Regeln für Waffenlieferungen lockern

Bundespräsident Ignazio Cassis will enger mit der Nato kooperieren und die Regeln für Waffenlieferungen lockern. Blochers Neutralitäts-Pläne hingegen seien «nicht im Interesse der Schweiz».
Publiziert: 17.07.2022 um 15:15 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2022 um 22:29 Uhr

Der Ukraine-Krieg hat alles verändert. Sogar die Neutralität sorgt in der Schweiz mittlerweile für Diskussionen. Das zeigte nicht zuletzt die Übernahme der Russland-Sanktionen oder die umstrittene Wiederausfuhr von Rüstungsgütern.

Auch für Bundespräsident Ignazio Cassis (61) ist klar, dass die Neutralität angepasst werden muss. Schon länger hat der Bundesrat bei Cassis' Aussendepartement EDA einen entsprechenden Bericht in Auftrag gegeben.

In einem bisher unveröffentlichten Entwurf wird nun der von Cassis selber kreierte Begriff einer «kooperativen Neutralität» als «die zielführendste Option» für die künftige Ausrichtung der Schweizer Politik angepriesen. Das berichtet die «Sonntagszeitung».

Der Bundesrat – im Bild Ueli Maurer, Viola Amherd, Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter (v. l.) – brauchte etwas Anlauf, hat dann aber alle Sanktionen gegen Russland übernommen.
Foto: Keystone
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Nato-Kooperation und erleichterte Waffenlieferungen

Der Handlungsspielraum bei aussenpolitischen Positionierungen solle erweitert werden. Gleichzeitig solle mehr Zusammenarbeit möglich werden mit Staaten, die Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilen.

Konkret: Die Schweiz könnte enger mit EU und Nato kooperieren und etwa gemeinsame Militärübungen durchführen – sogar auf Schweizer Boden. Sanktionen würden wie derzeit im Ukraine-Krieg übernommen.

Direkte Waffenlieferungen in Kriegsgebiete blieben zwar verboten. Wollen Partnerstaaten aber in der Schweiz produzierte Rüstungsgüter an Kriegsparteien weiterleiten, würde das nicht mehr wie bisher untersagt. Auch militärische Flüge über die Schweiz für Nicht-Konfliktparteien würden erleichtert.

Alleingang würde Verteidigung schwächen

Im Westen habe das Verständnis für die Schweizer Neutralität abgenommen. Diese dürfe «nicht als eigenbrötlerisch wahrgenommen werden», bilanziere die verwaltungsinterne Arbeitsgruppe. Zudem komme die Schweiz «an die Grenzen der autonomen Verteidigungsfähigkeit». Ohne Zusammenarbeit mit Bündnissen wie der EU und der Nato sei die Sicherheit des Landes «kaum mehr zu bewerkstelligen».

Wenig hält die Arbeitsgruppe dagegen von einer Rückkehr zur integralen Neutralität, wie sie etwa im Zweiten Weltkrieg galt. Und wie sie alt Bundesrat Christoph Blocher (81) und seine SVP mit einer Volksinitiative in der Bundesverfassung festschreiben wollen.

Das aber sei «nicht im Interesse der Schweiz», sei im Bericht zu lesen. Ein «Stillsitzen» würde bei wichtigen Partnern «auf Unverständnis» stossen. Gleichzeitig wird befürchtet, dass bei einem Alleingang die militärischen Fähigkeiten beeinträchtigt würden – und die Kosten für die Sicherheit wären «immens».

Bundesrat entscheidet wohl im August

Im Gegenzug wolle Cassis aber auch nichts wissen von einer Aufgabe der Neutralität und einem Nato-Beitritt. Neben einer kooperativen Neutralität könne man als Alternative aber auch weiterfahren wie bisher oder mit einer sogenannten Adhoc-Neutralität von Fall zu Fall entscheiden, wie sich die Schweiz verhalten soll.

Noch ist unklar, für welche Variante sich der Bundesrat entscheiden wird. Er werde den Neutralitätsbericht wohl Ende August behandeln. Die Debatte über die Schweizer Neutralität wird andauern. Der Bundesrat aber könnte zumindest erste Weichen stellen. (dba)

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