Frontal-Angriff in Bern
So reagiert Nestlé auf den Selenski-Vorwurf

An einer Live-Schaltung nach Bern hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erneut Nestlé unter Druck gesetzt. Der Nahrungsmittelmulti wehrt sich: Man habe die meisten Exporte nach Russland gestoppt – und erziele dort keinen Gewinn mehr.
Publiziert: 19.03.2022 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2022 um 11:55 Uhr

«Geschäfte in Russland funktionieren, obwohl unsere Kinder sterben und unsere Städte zerstört werden»: Bei seiner Live-Schaltung an die Kundgebung in Bern vom Samstag fand der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) klare Worte. Zielscheibe der Kritik war einmal mehr der Nahrungsmittelriese Nestlé.

Der Slogan von Nestlé, einer Schweizer Firma, laute «gutes Essen, gutes Leben», sagte Selenski. Und dieses Unternehmen wolle Russland nicht verlassen.

Dass die Schweiz sich gegen den Krieg stelle und auch Sanktionen mittrage, begrüsste Selenski. Wenn im 21. Jahrhundert mitten in Europa hunderte Bomben fallen, dürfe man nicht einfach nur zuschauen. Er forderte, dass die Schweiz noch mehr tue - wenn das Geld von Oligarchen bei den Banken eingefroren würde und ihnen Privilegien weggenommen, sei das auch ein Kampf gegen das Böse.

Weil er weiterhin in Russland präsent ist, gerät der Nahrungsmittelkonzern Nestlé zusehends unter Druck.
Foto: AFP
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«Erzielen keinen Gewinn»

Nestlé wehrt sich gegenüber Blick gegen die Kritik. Man habe die Tätigkeiten in Russland stark reduziert, hält ein Sprecher am Samstag fest: «Wir haben sämtlich Importe und Exporte aus Russland gestoppt, ausser bei lebenswichtigen Produkten.» Darüber hinaus tätige Nestlé keine Investitionen in Russland mehr und verzichte auf Werbung.

«Wir erzielen mit unseren verbleibenden Tätigkeiten keinen Gewinn», so der Sprecher. «Dass wir wie andere Lebensmittelfirmen die Bevölkerung mit wichtigen Lebensmitteln versorgen heisst nicht, dass wir einfach weitermachen wie vorher.

«Sponsor von Putins Krieg»

Es ist nicht das erste Mal, dass Selenski auf Nestlé zielt. Vor wenigen Tagen warf er Nestlé, aber auch weiteren Konzernen wie Mondelez oder Unilever bereits vor, die «russische Kriegsmaschinerie» zu finanzieren. Wie die «NZZ» berichtet, haben ukrainische Regierungsmitglieder auch damit begonnen, den Nahrungsmittelkonzern in sozialen Medien an den Pranger zu stellen.

In verschiedenen Beiträgen wird Nestlé dort als «Sponsor von Putins Krieg» bezeichnet. So werden Kinderfotos aus der Nestlé-Werbung mit schrecklichen Bildern von kriegsverletzten Kindern in der Ukraine kombiniert.

Wolodimir Selenski bedankt sich bei der Schweiz und kritisiert Nestlé
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Live-Schaltung nach Bern:Wolodimir Selenski bedankt sich bei der Schweiz und kritisiert Nestlé

Unilever und Danone ebenfalls vor Ort

Der Konzern hat bereits letzte Woche abgesehen von Grundnahrungsmitteln ein Grossteil seiner Exporte nach Russland gestoppt – inklusive Nespresso-Kapseln. In Russland hat Nestlé sechs Fabriken und über 7000 Angestellte. Sie stellen Säuglingsnahrung und Tierfutter, aber auch Süssigkeiten her.

Laut «NZZ» ist Nestlé keine Ausnahme, die meisten Nahrungsmittelkonzerne verhalten sich ähnlich: Auch die britische Unilever liefert noch Grundnahrungsmittel und Hygieneprodukte, die französische Danone wiederum Milchprodukte und Säuglingsnahrung. (gbl)


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