Zwei Nationalräten droht der Verlust ihrer parlamentarischen Immunität. Dem einen wegen Amtsgeheimnisverletzung, dem andern wegen Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration. Im einen Fall sind es Ratskollegen, die den Ausplauderer von Kommissionsgeheimnissen vor dem Richter sehen möchten, im andern Fall wird die Schutzwirkung der Immunität vor der Zürcher Staatsanwaltschaft verweigert.
Beide Parlamentarier gehören zur lauten Sorte: der eine ein Populisten-Pöbler, der andere ein Demo-Demagoge. Der eine kennt keine Grenze nach rechts. Kennt der andere eine Grenze nach links? Grosssprecher sind sie beide.
Soll man ihre Namen nennen? Es wäre viel Ehre.
Aber darf man parlamentarischen Hallodris die Immunität aberkennen?
Sie sind vom Volk gewählt – ihrem jeweiligen Volk, mal rechts, mal links. Und gewählt sind sie in die gesetzgebende Macht des Landes: ins Parlament. Also in die höchste Institution der Demokratie.
Was hat da die Justiz zu suchen?
Haben die beiden ein Verbrechen begangen? Sie haben ihr parlamentarisches Mandat ausgereizt, sie haben provoziert, sie haben Regeln geritzt, sie werden auch weiterhin kultivierte Umgangsformen vermissen lassen. Sie sind, wie sie sind, sie bleiben, wie sie sind. Solange ihr Volk sie wählt, sind sie geschützt gegen Übergriffe der Justiz.
So soll es nämlich sein. Parlamentarier dürfen sich erlauben, was sich ihre Wähler nicht erlauben dürfen: rhetorische Randale beispielsweise oder dreiste Unvertraulichkeiten oder demonstrative Selbstinszenierung an fragwürdigen Demonstrationen.
Frei vom Druck durch Klagen, Anwälte und Staatsanwälte sollen sie ihres hohen Amtes walten. Im Auftrag ihrer Bürgerschaft sollen sie recherchieren dürfen, attackieren dürfen, polemisieren dürfen. Ihre Wähler wissen, wen sie gewählt haben. Und weshalb.
Ja, gerade wegen ihrer eitlen, oft narzisstischen Auffälligkeiten haben Wähler diese Politiker zu ihren Vertretern im Parlament erkoren.
Die Demokratie hat das auszuhalten: Lärmer wie Langweiler.
Das nämlich ist der Sinn der Immunität für Parlamentarier: «Die Freiheit, frei zu sein», wie es die Demokratie-Philosophin Hannah Arendt so wunderbar formuliert hat.
Also, bitte!