Flüchtlingshilfe ist besorgt
Asylsuchende Familien müssen im Aargau in den Zivilschutzkeller

Der Kanton Aargau hat bestätigt, dass er Familien mit minderjährigen Kindern unterirdisch in einer Zivilschutzanlage unterbringen will. Er rechtfertigt die Massnahmen mit einer Notlage. Die Flüchtlingshilfe hat keine Freude.
Publiziert: 18.08.2023 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2023 um 21:28 Uhr
Verschiedene Kantone bereiten Notunterkünfte für Asyl- und Schutzsuchende vor.
Foto: keystone-sda.ch
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Der Kanton Aargau hat es Anfang August im Blick angekündigt: Die kantonalen Unterbringungsstrukturen seien angespannt, liess der kantonale Sozialdienst damals verlauten. Es bestehe eine Notfallplanung für die unterirdische Unterbringung von Geflüchteten, die umgesetzt werde, falls die regulären Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien.

Nun ist der Zeitpunkt dafür gekommen. Der Kanton Aargau will Flüchtlingsfamilien neu auch unterirdisch unterbringen. Lange war das ein Tabu, jetzt sei der Schritt nötig, teilte der Kanton dem SRF-Regionaljournal Aargau Solothurn am Donnerstag mit.

Der Kanton habe viele Zuweisungen erhalten, Personen aus der Ukraine, viele Familien, Familiennachzüge und viele unbegleitete Minderjährige, hiess es weiter.

Familien sollen Zivilschutzanlagen rasch wieder verlassen können

Bisher wohnten in der geschützten Operationsstelle Muri AG ausnahmslos männliche Flüchtlinge. Neu sollen dort nur noch Familien wohnen. Die unterirdische Unterkunft eigne sich am besten dafür, so der Kanton. Und: Die Qualität der Anlage sei gut, aber es werde vorkommen, dass Familien im Massenschlag schlafen.

Der Kanton will sich bemühen, dass Familien die Zivilschutzanlagen rasch wieder verlassen können. Dafür müssen die Gemeinden allerdings Plätze finden. Ideal seien Wohnungen für Flüchtlingsfamilien. Bloss: Der Wohnungsmarkt sei überall angespannt, teilte der Kanton mit.

Andere Kantone bereiten sich ebenfalls auf den wachsenden Zustrom an Asyl- und Schutzsuchenden aus der Ukraine und anderen Ländern vor. In mehreren Kantonen stehen deshalb Zivilschutzanlagen bereit, die bei Bedarf in Betrieb genommen werden können.

Schweizerische Flüchtlingshilfe besorgt

Die aktuelle Entwicklung ruft nun die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) auf den Plan. In einer Mitteilung von Freitag schreibt sie: «Die SFH vertritt die Auffassung, dass begleitete und unbegleitete Minderjährige sowie vulnerable Personen auf keinen Fall unterirdisch untergebracht werden sollten.» Vor allem die Bedürfnisse von besonders verletzlichen Personen wie Kinder müssten dabei berücksichtigt werden.

Aus Sicht der SFH sollten Zivilschutzanlagen daher nur in Notsituationen als Unterkunft genutzt werden, wenn sämtliche anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Seien keine anderen Liegenschaften zu finden, empfehle die SFH die frühzeitige Planung von Wohnmodul- oder Containersiedlungen.

Genau das sah auch das wichtigste Projekt der neuen Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) vor. Um im Herbst über genügend Plätze für Schutz- und Asylsuchende zu verfügen, hat der Bundesrat im April ein Konzept für zusätzliche temporäre Unterkünfte in Auftrag gegeben. Kostenpunkt: 133 Millionen Franken. Nur: Der Ständerat versenkte den Plan. (oco)

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