FDP-Chefin Petra Gössi zum Anspruch der Grünen
«Faktisch hätte die SP dann drei Bundesräte»

Nachdem die Grünen-Präsidentin Regula Rytz (57) im BLICK Anspruch auf den Bundesratssitz von Ignazio Cassis (58) erhoben hat, warnt die FDP-Präsidentin die Parteien vor einem Angriff. Dann gebe es eine Retourkutsche bei der Wahl von CVP-Bundesrätin Viola Amherd (57).
Publiziert: 15.08.2019 um 22:50 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2019 um 16:02 Uhr
Pascal Tischhauser

BLICK: Frau Gössi, die Ökoparteien wollen den Bundesratssitz von Ignazio Cassis.
Petra Gössi: Das ist Wahlkampfgeplänkel. Erst müssen es die Grünen schaffen, stärker als die CVP zu werden. Gelingt ihnen das nicht, fallen all die schönen Pläne in sich zusammen. Die Diskussion zeigt, dass es den Grünen nicht um politische Inhalte geht. Sie wollen bloss an die Macht.

Aber wenn die grüne Partei die CVP doch überholt?
Wir stehen zur Zauberformel, wonach die drei stärksten Parteien zwei Bundesräte stellen und die viertstärkste einen. Aber wir wollen auch eine funktionierende Regierung. Ein Bundesrat braucht eine breite Hausmacht. Wenn eine Partei im Ständerat praktisch inexistent ist, wird es schwierig. Frau Widmer-Schlumpf hatte dasselbe Problem. Sie musste sich an die SP anlehnen.

Sie war eine starke Bundesrätin.
Worauf ich hinaus will: Faktisch hätten die Sozialdemokraten drei Bundesräte. Ich glaube nicht, dass das eine Mehrheit der Bundesversammlung will. Und ich möchte dann noch sehen, ob SP-Präsident Christian Levrat tatsächlich einen grünen Bundesrat wählt.

FDP-Präsidentin Petra Gössi warnt die anderen Parteien davor, ihren Bundesrat Iganzio Cassis anzugreifen. Dann werde es eine Retourkutsche bei der Wiederwahl von Viola Amherd geben.
Foto: Keystone
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Wieso nicht, wenn es ja quasi ein dritter SPler wäre?
Eben doch kein richtiger. Der Grüne wäre nicht immer mit den SPlern gleicher Meinung und könnten sich ständig auf Kosten der SP profilieren. Und dennoch würde es von aussen nach einer klaren 3 zu 4 Kräfteverteilung aussehen. Kompromisse würden schwierig. Das ist nicht gut für unser erfolgreiches System.

Das sind doch Ausreden. Ihnen geht es um Machterhalt.
Ich bin überzeugt, dass der Anspruch der FDP auf zwei Sitze nicht wirklich in Frage gestellt wird. Kommt es nämlich zu Spielchen bei der Bestätigungswahl von Herrn Cassis, gibt es die Retourkutsche gleich darauf bei der Wahl von Frau Amherd. Bei Frau Keller-Sutter wird niemand Spielchen wagen.

Und warum bei Herrn Cassis?
Die SVP ist klar die stärkste Partei. Mit ordentlichem Abstand, aber nahe bei uns folgt die SP. Die vier Bundesräte der beiden Parteien greift deshalb niemand an. Im Jahr des Frauenstreiks kann zudem niemand ohne Grund eine Frau abwählen. Sie sehen selbst, wer da noch bleibt. Aber es ist auch klar, was die Reaktion der FDP sein muss: Unsere Anhänger müssen zur Urne gehen, damit wir zulegen. Dann verstummen solche Stimmen. Aber noch etwas anderes ist mir wichtig.

Was denn?
Parteien müssen ihre Stärke auf Dauer bestätigen, bevor sie tatsächlich einen Anspruch auf einen Bundesratssitz erheben. Die Grünen waren 2007 bei fast 10 Prozent Wähleranteil. Trotz Fukushima hatten sie 2011 nur noch 8,4 Prozent, um 2015 weiter zurückzufallen. Und schon 1999 hatte die SVP die CVP überholt, aber erst nach der Bestätigung des Ergebnisses 2003 gestand das Parlament der SVP den Sitz zu. Also: Erst müssen die Grünen tatsächlich viertstärkste Partei werden, und dann müssen sie das Ergebnis 2023 bestätigen.

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