Ernährungskonferenz mit Schweizer Ständeräten
Italien lobbyiert in Bern gegen den Nutri-Score

Das Parlament wies die Lebensmittelampel in der Frühlingssession in die Schranken. Nun spürt auch Italien den Rückenwind und veranstaltet in Bern eine Ernährungskonferenz. Zu den Referenten gehören zwei Ständeräte.
Publiziert: 28.04.2024 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2024 um 17:01 Uhr
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Sieben Jahre nach der Erfindung der Lebensmittelampel Nutri-Score streitet Europa weiterhin über ihren Nutzen. Sie bewertet verarbeitete Lebensmittel anhand ihrer Nährwertqualität auf einer Skala von A nach E – und soll so Konsumentinnen und Konsumenten helfen, gesund einzukaufen.

Auch in der Schweiz steht die Kennzeichnung im Gegenwind. Eine Ernährungskonferenz in Bern zeigt: Nicht nur die einheimische Politik zieht die Schrauben an, Italien nutzt die Gunst der Stunde ebenfalls.

Motionsführer ist Referent an Lobby-Konferenz

Im März nahm das Parlament eine Motion an, die verlangte, dass der Bundesrat zukünftig die «problematischen Effekte» des Nutri-Scores unterbinde. So soll die Lebensmittelampel für Hersteller auch in Zukunft freiwillig bleiben. Zudem muss der Bund sicherstellen, dass gewisse Produkte nicht benachteiligt werden, etwa Käse- oder Fleischprodukte. Sie kommen auf der Nutri-Score-Skala oft schlecht weg.

Der Nutri-Score bewertet die Nähwertqualität verarbeiteter Lebensmittel.
Foto: PantherMedia
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Die Motion stammte aus der Ständeratskommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Vorsteher war damals der St. Galler Mitte-Politiker Benedikt Würth (56) – seines Zeichens Präsident der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP. Die Organisation, die geschützte Ursprungsbezeichnungen für Schweizer Lebensmittelprodukte verwaltet, war massgeblich an der Motion beteiligt.

Über das Begehren spricht Würth bald auch an einer Ernährungskonferenz der italienischen Botschaft und Aussenhandelsbehörde (ITA), die im Juni in Bern stattfindet. Daneben referieren sein Genfer Ständeratskollege Mauro Poggia (65) vom populistischen Mouvement Citoyens Genevois sowie ausgewählte Ernährungsexperten, die eng mit der italienischen Lebensmittelindustrie verbandelt sind.

Italien ist grösster Gegner der Lebensmittelampel

Die Fachtagung befasst sich laut Einladung mit «gesunder und positiver Ernährung, mit Hinweisen auf die Mittelmeerdiät und traditionelle Ernährungsweisen». Dahinter steckt knallhartes Lobbying: Italien steht im Streit um den Nutri-Score an vorderster Front. Exportschlager wie Grana Padano und Parmaschinken erhalten – genauso wie ihre Schweizer Pendants – auf der farbigen Nährwertskala schlechte Noten. Recherchen des europäischen Verbraucherschutzes zeigen, dass die ITA bereits die EU-Pläne einer einheitlichen Nährwertdeklaration auf Lebensmittelverpackungen bodigte.

Würth sieht an seiner Teilnahme kein Problem. «Ich wurde als seinerzeitiger Kommissionspräsident durch den italienischen Botschafter eingeladen, um über die politische Entwicklung in der Schweiz zu sprechen», sagt er. Sowohl seine als auch Italiens Ablehnung gegen die Lebensmittelampel sei kein Geheimnis. «Die momentane Entwicklung in der Ernährungspolitik, die insbesondere einheimischen Traditionsprodukten schadet, finde ich problematisch.»

Italien-Botschafter freut sich über Nutri-Score-Gegenwehr

Auch Botschafter Gian Lorenzo Cornado (65) macht aus den Lobby-Begehren kein Geheimnis. Der Agrar- und Ernährungssektor sei für die italienische Wirtschaft von grundlegender Bedeutung. «Es ist daher nur natürlich, dass Italien seine Meinung zu diesen Themen zum Ausdruck bringt.» Denn leider würden in Europa oft ungeeignete Lösungen vorgeschlagen.

So sei es nur logisch, Ständerat Würth einzuladen. «Er hat den Antrag zur Begrenzung der problematischen Aspekte des Nutri-Scores vorgelegt.» Ständerat Poggia habe er eng kennengelernt, als dieser Genfer Gesundheitsdirektor war. «Er ist ein sehr sachkundiger Mensch, spricht Italienisch und ist sehr an Ernährungsfragen interessiert.»

Schweiz steht weiterhin hinter der Kennzeichnung

Fakt ist: Die Bemühungen Italiens gehen gegen die Interessen des Bundes. Sarah Camenisch, Sprecherin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), das den freiwilligen Einsatz der Ampel zusammen mit sieben anderen Ländern koordiniert, sagt: «Das BLV steht nach wie vor hinter dem Nutri-Score.» Er sei für die Konsumenten eine wertvolle Übersetzungshilfe der Nährwertinformationen von verarbeiteten Lebensmitteln. Zur Veranstaltung in Bern möchte sich das BLV nicht äussern.

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