Entgegen der Parteilinie
SVP-Parteivorstand Grangier will alle Drogen legalisieren

Der Präsident der SVP Waadt, Kevin Grangier, spricht sich für einen freien Drogenkonsum aus. Damit widerspricht er der Parteilinie.
Publiziert: 08.04.2023 um 10:39 Uhr
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Amit Juillard

Am Mittwochabend, kurz nach 20 Uhr, überraschte Kevin Grangier (38) alle. In einer Fernsehdebatte auf «Léman Bleu», die in Zusammenarbeit mit Blick organisiert wurde, sprach er sich für eine vollständige Legalisierung aller Drogen aus. Brisant: Grangier ist in der SVP, gar Präsident der Waadtländer Kantonalpartei und sitzt im Vorstand der nationalen Partei. Diese setzte bislang auf Repression.

Sie haben gesagt, Sie wollen Drogenkonsum liberalisieren. Meinten Sie das ernst?
Kevin Grangier:(Lacht) Ich meine solche Sachen immer ernst, vor allem, wenn es das Thema erfordert. Für mich ist das eine Frage der Freiheit und der Verantwortung. Wenn Menschen mehr oder weniger süchtig machende Produkte konsumieren wollen, sollten sie die Freiheit haben, dies zu tun. Solange sie die Verantwortung dafür übernehmen und die Konsequenzen zu tragen.

Parmelins Stratege

Kevin Grangier (38) ist Präsident der Waadtländer SVP und Mitglied des Parteivorstandes der SVP Schweiz. Der Kommunikationsstratege war bereits mit 22 Jahren stellvertretender Pressesprecher der SVP. 2015 leitete Grangier die Wahlkampagne von Guy Parmelin (69), die ihn in den Bundesrat führte.

Kevin Grangier (38) ist Präsident der Waadtländer SVP und Mitglied des Parteivorstandes der SVP Schweiz. Der Kommunikationsstratege war bereits mit 22 Jahren stellvertretender Pressesprecher der SVP. 2015 leitete Grangier die Wahlkampagne von Guy Parmelin (69), die ihn in den Bundesrat führte.

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Sind Sie für die Legalisierung aller Drogen?
Ja, aber unter der Bedingung, dass der Staat nicht den Schaden tragen muss. Wir können nicht einfach alles liberalisieren und gleichzeitig die Drogenkonsumenten mit Millionenbeträgen unterstützen sowie sie sozial und medizinisch versorgen. Ich möchte diese Debatte von diesem moralischen Ansatz lösen und sie zurück auf den Boden der sozialen Verantwortung bringen. Wenn jemand autonom entscheidet, Produkte zu konsumieren, die ihn unfähig machen können, seinen sozialen Verpflichtungen nachzukommen, seine Beschäftigungsfähigkeit und damit seine Fähigkeit, Steuern zu zahlen, beeinträchtigen, dann muss er die Konsequenzen tragen.

Kevin Grangier steht vor einem Dilemma: «Einerseits ist es gefährlich, den gesetzlichen Rahmen zu verändern. Andererseits ist es zu teuer, die öffentlichen Mittel für die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens zu erhöhen.»
Foto: keystone-sda.ch
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Also keine Prävention mehr und keine medizinische Versorgung?
Hier muss die Debatte auf jeden Fall ansetzen, auf dem Grat zwischen Freiheit und Verantwortung. Heute stellt man fest, dass Verbote nicht funktionieren. Es werden enorme Mengen an öffentlichen Geldern für wenig wirksame Massnahmen ausgegeben. Darum sollten wir nicht länger versuchen, Drogenkonsumenten zu verurteilen. Aber wir sollten auch nicht astronomische Summen für Begleitprogramme, städtische Drogenräume oder andere Massnahmen auf Kosten der Steuerzahler ausgeben.

Also würde der Staat nicht für eine Krankheit bezahlen, die man beispielsweise auf Heroin zurückführen kann?
Es ist natürlich viel differenzierter und komplizierter als das. Aber die Politik muss dort handeln, wo sie etwas bewirken kann. Der Kurs, den ich vorschlage, ist Freiheit und Verantwortung.

Die SVP ist eine Partei der Nulltoleranz, auch in Bezug auf Drogen. Heute stellen Fachleute fest, dass die Repression versagt hat, und sprechen von einer faktischen Entkriminalisierung. Sind Sie verbittert?
Ich bin verbittert, weil Drogen dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit haben. In meinem Dorf, Noville VD, kenne ich Leute, die in die Drogen hineingeraten sind. Schulfreunde, mit denen ich aufgewachsen bin, die gute Schüler waren, die aber schliesslich unter den Folgen der Drogen gelitten haben. Ich bedauere daher, dass diese Produkte so leicht zugänglich sind. Als Politiker muss ich mich jedoch fragen, wie die Politik handeln muss, um dieses Problem angesichts der Banalisierung von Betäubungsmitteln, ihres zunehmenden Gebrauchs und ihrer Verfügbarkeit wirksam anzugehen. Wir müssen aus den politischen Posen herauskommen und uns der Realität stellen, wie sie ist, damit die Politik dort Wirkung erzielen kann, wo es möglich ist.

Stimmen Sie zu, dass der Bundesrat und das Parlament heute mit der aktuellen Situation, der Banalisierung und der faktischen Entkriminalisierung zufrieden sind?
Mit Bedauern stelle ich fest, dass Drogen banalisiert werden und leicht zugänglich sind. In Lausanne ist es schwieriger, ein Sandwich zu bekommen, weil die Geschäfte eine Sperrstunde haben. Auf der einen Seite ist es gefährlich, den gesetzlichen Rahmen zu verändern. Andererseits ist es zu teuer, die öffentlichen Mittel für die Einhaltung des Gesetzes zu erhöhen.

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