Eine Nacht im Luxushotel
So ködern Zementbarone Parlamentarier

Der Verband der Zementhersteller offeriert eine Nacht im Berner Luxushotel. Parlamentarier sind empört.
Publiziert: 20.05.2017 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:25 Uhr
Simon Marti

Am Montag in einer Woche versammeln sich die eidgenössischen Räte in Bern zur Sommersession. Einige Parlamentarier fanden im Vorfeld eine besondere Einladung in ihren Briefkästen: Cemsuisse, der Verband der Schweizerischen Zementindustrie, bittet am ersten Tag der Session Fachleute und Politiker zu ihrer Jahresversammlung ins noble Berner Hotel Bellevue. Mehr noch, Cemsuisse offeriert seinen Gästen eine Übernachtung in der Luxusherberge gleich neben dem Bundeshaus.

Nur, die Die Parlamentarier werden für ihre Übernachtungen schon vom Staat entschädigt. Zudem sind sie gemäss Empfehlung der Ratsbüros gehalten, «bei der Annahme von Vorteilen grösste Sensibilität und Zurückhaltung zu wahren».

«Wer den Zeitgeist verkennt, den bestraft das Leben»

Dies wäre in diesem Fall sicher angezeigt: Rund 390 Franken kostet ein Standard-Einzelzimmer im Bellevue den gewöhnlichen Gast. Entsprechend scharf kritisieren Politiker jeder Couleur den Präsidenten von Cemsuisse, den Freiburger Ständerat Beat Vonlanthen (60, CVP).

Schön gelegen: Das Hotel Bellevue in Bern, einen Steinwurf vom Bundeshaus entfernt.
Foto: ZVG
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Geht vom gesunden Menschenverstand aus: Ständerat und Cemsuisse-Präsident Beat Vonlanthen.
Foto: Keystone



«Dieses Vorgehen finde ich schon sehr problematisch», sagt Grünen-Nationalrat Bastien Girod (36, ZH). FDP-Nationalrätin und Mitglied des Europarats Doris Fiala (60) hört «alle Alarmglocken» läuten. Es sei längst bekannt, dass solche Einladungen rasch als «Bestechungsversuch oder ungute Machenschaften» interpretiert würden und daher zu Recht verpönt seien. «Wer den Zeitgeist verkennt, den bestraft das Leben, und was allenfalls gut gemeint ist, ist nicht immer klug und umsichtig.»

SVP-Parlamentarier Roland Rino Büchel (51, SG) hat noch deutlichere Worte: «Wenn hier jemand Korruption ruft, kann ich nicht wirklich sagen, dass er danebenliegt.» Alle wüssten, wie heikel solche Geschenke seien. «Dass ein Ständerat, ein Mitglied dieses Parlaments, derart unsensibel agiert, ist mir deshalb unerklärlich», so Büchel. Vor anderthalb Jahren ist das Korruptionsstrafrecht für Private massiv verschärft worden. «Es geht schlicht nicht, dass Interessenverbände immer noch solche Einladungen verschicken.»

«Maximal 20 Parlamentarier»

Beat Vonlanthen wehrt sich. Wie viele Politiker insgesamt eingeladen wurden, wisse er nicht. Insgesamt nähmen 100 Leute am Anlass teil, «darunter sind maximal 20 Parlamentarier», erklärt er. Ob sich eines dieser Ratsmitglieder von Cemsuisse die Übernachtung bezahlen lasse, könne er nicht abschliessend sagen. Aber: «Wir Parlamentarier werden für die Unterbringung in Bern entschädigt. Daher kann ich mir, ausgehend vom gesunden Menschenverstand meiner Kolleginnen und Kollegen, nicht vorstellen, dass sie sich eine Hotelübernachtung bezahlen lassen.»

Die Einladung inklusive Übernachtungsangebot sei ein standardisierter Brief an alle Gäste, fährt er fort. «Wir passen diesen nicht für die Politiker an.»Sollte tatsächlich ein Parlamentarier eine Übernachtung in Anspruch nehmen, so der Ständerat, «müssten wir das anschauen, aber das ist für mich eine hypothetische Frage». Er selbst fahre während der Session jeden Abend nach Hause. «Das werde ich auch am 29. Mai tun und halte mich beim Schlummertrunk zurück.»

Keine Antwort aus Bern

Wie viel erhalten unsere Volksvertreter für ihre Nebentätigkeiten? Wie viel Aufwand kostet sie die Arbeit für Firmen, Vereine und Lobbygruppen? Das wollen Forscher der Universität Genf im Auftrag der Verwaltungsdelegation umfassend aufzeigen. Für die Studie, die am Dienstag präsentiert werden soll, mussten die Parlamentarier im Winter einen detaillierten Fragebogen ausfüllen. Doch die Aufstellung ist lückenhaft: SonntagsBlick weiss von drei Nationalräten, die den Politologen genaue Angaben verweigert haben. Zu gross ist die Angst, dass die Daten trotz garantierter Anonymität in falsche Hände geraten. Überprüfbar sind die Antworten ohnehin nicht. Studienleiter Pascal Scia­rini darf sich bis zum Dienstag nicht dazu äussern.

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