Kirchen wehren sich gegen Singverbot
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Ausnahme für Weihnachten:Kirchen wehren sich gegen Singverbot

Eine Ausnahme für Weihnachten
Kirchen wehren sich gegen Singverbot

Sternsinger, Mitternachtsmesse, Krippenspiel: Wegen Corona müssen die Kirchen ihre Weihnachtstraditionen überdenken. Doch zumindest das Singen wollen sie sich nicht nehmen lassen.
Publiziert: 10.12.2020 um 18:17 Uhr
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Aktualisiert: 26.12.2020 um 16:11 Uhr
Lea Hartmann

Stille Nacht, heilige Nacht. Der Weihnachtslied-Klassiker ist dieses Jahr so treffend wie nie. Im Kampf gegen das Coronavirus gilt seit heute ein umfassendes Singverbot. Nur in der Familie und im Schulzimmer ist Singen noch ohne Einschränkungen erlaubt. Denn beim Gesang wird die Corona-Ansteckungsgefahr über Aerosole als besonders hoch eingeschätzt.

Eine Christnachtfeier ohne Weihnachtslieder: Für die Kirchen ist das schwer vorstellbar. Sie machen sich beim Bundesrat dafür stark, dass zumindest über die Weihnachtsfeiertage gemeinsames Singen möglich ist. Die evangelisch-reformierte Kirche, die Bischofskonferenz und die Christkatholiken haben Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) und Gesundheitsminister Alain Berset (48) diese Woche einen Brief geschrieben, in dem sie die Regierung bitten, eine Ausnahmeregelung in Betracht zu ziehen.

Protest gegen Teilnehmerbeschränkung

«Die wunderschönen Weihnachtslieder gehören zu unserer Weihnachtskultur und zu unserem Glauben», sagt Encarnación Berger-Lobato (54), Sprecherin der Bischofskonferenz. Die evangelisch-reformierte Kirche kritisiert zudem eine «fehlende Kohärenz»: «Wenn Menschen in Verkehrsmitteln und Einkaufszentren eng gedrängt zusammenstehen dürfen, warum sollte dann beispielsweise Kindergesang von Sternsingern untersagt sein?» Zumindest draussen – und natürlich mit Schutzmassnahmen – sollte Singen darum über die Feiertage erlaubt werden, finden die Kirchen.

Die Kirchen müssen besonders an Weihnachten kreativ sein.
Foto: Keystone
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Zudem fordern sie, dass der Bundesrat auch bei der Teilnehmerbeschränkung für Veranstaltungen noch einmal über die Bücher geht. Derzeit dürfen auch an Gottesdiensten, Messen und anderen religiösen Feiern nicht mehr als 50 Personen teilnehmen. Diese Limite soll für Kirchen beibehalten werden. In manchen Kantonen, wie beispielsweise Bern, sind derzeit sogar höchstens 15 Gläubige erlaubt, je nach Entwicklung könnten die Höchstgrenzen bis Weihnachten noch ändern. Genf hatte Gottesdienste Anfang November komplett untersagt, was zu heftigen Protesten führte. Das kantonale Verfassungsgericht hat das Verbot vergangene Woche aufgehoben – es sei unverhältnismässig und verstosse gegen die Religionsfreiheit.

«Einsamkeit ist eines der grössten Probleme»

An gewöhnlichen Sonntagen ist die Teilnehmerlimite für manch eine Kirchgemeinde in einem Kanton mit vergleichsweise lockerer Regelung kaum ein Problem – sie wäre im Gegenteil wohl froh, es wäre eins und es kämen mehr Besucher. An Weihnachten aber sind die Kirchenbänke so voll wie sonst nie im Jahr.

Der Bund soll nun prüfen, so der Wunsch der Kirchen, ob man die Regel nicht etwas flexibler formulieren könnte – je nach Grösse der Kirche. Denn: «Die Einsamkeit und das Gefühl des Verlassenseins ist eines der grössten Probleme, das die Seelsorgerinnen und Seelsorger der Kirchen bemerken und antreffen», sagt Daniel de Roche (66), Präsident der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz und selbst reformierter Pfarrer. «Ich treffe viele vor allem ältere Leute ohne Internetzugang, denen der Kirchgang fehlt», erzählt er aus seiner persönlichen Erfahrung.

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Digitaler Gottesdienst zu Hause

Doch die Kirchen hoffen nicht einfach auf den Bundesrat. Um trotz allen Einschränkungen besinnlich Weihnachten feiern zu können, sind sie kreativ geworden. Statt eines normalen Gottesdienstes gibt es beispielsweise einen Weihnachtsspaziergang, Balkonsingen oder das Krippenspiel wird draussen an verschiedenen Stationen aufgeführt. Grössere Kirchgemeinden wiederholen die Messe oder den Gottesdienst zudem, damit mehr Leute daran teilnehmen können.

Reformierte, Katholiken und Christkatholiken haben zudem die schweizweite Aktion «Trotzdem Licht» ins Leben gerufen. Sie liefert Kirchen aber auch jeder und jedem konkrete Ideen, wie man das Weihnachtsfest dieses Jahr gestalten könnte. Sogar eine Anleitung für den digitalen Gottesdienst daheim gibt es, den man mit Freunden via Videokonferenz selbst abhalten kann. Das Motto der Kirchen: Weihnachten 2020 geht – einfach anders.

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