Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer verrät:
«Rahmenabkommen hat EU-Lobbying der Schweizer Wirtschaft verstärkt»

Heinz Karrer (59) ist Präsident von Economiesuisse. Der Wirtschaftsdachverband hat diese Woche sein «Ja, aber» zum Rahmenabkommen mit der EU bekanntgegeben. Im Interview mit SonntagsBlick gibt Karrer Einblicke in das Lobbying von Schweizer Firmen in Brüssel.
Publiziert: 03.02.2019 um 18:31 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2019 um 10:13 Uhr
Interview: Thomas Schlittler

SonntagsBlick: Herr Karrer, gemäss dem Transparenzregister der EU haben die Lobbying-Aktivitäten von Schweizer Firmen, Verbänden und sonstigen Organisationen in Brüssel stark zugenommen. Wie erklären Sie sich das?
Heinz Karrer: Lobbying ist ganz generell wichtiger geworden, weil die Politik die Wirtschaft mit immer mehr Regulierungen einschränken will. Dagegen müssen sich Schweizer Firmen und Wirtschaftsverbände wehren – vor ­allem auch in Brüssel. Denn die EU ist extrem wichtig für uns. Wir selbst sind seit 1970 Mitglied von Businesseurope und haben seit dreissig Jahren ein eigenes Büro vor Ort.

Dass die EU für international tätige Konzerne wie Novartis, Nestlé und UBS wichtig ist, liegt auf der Hand. Aber müssen auch Organisationen wie ETH, SBB und Suva die vorwiegend in der Schweiz tätig sind, in Brüssel vor Ort sein?
Heutzutage pflegt fast jedes Unternehmen und jede Organisa­tion internationale Beziehungen. Die SBB zum Beispiel sind insbesondere im Cargo-Bereich stark mit der EU vernetzt. Deshalb sind all diese Lobbying-Aktivitäten nachvollziehbar. Eine andere Frage ist, wie erfolgreich diese Bemühungen sind.

Haben Sie Zweifel, dass Schweizer Unternehmen bei der EU Gehör finden?
Es lässt sich nie genau sagen, wie erfolgreich Lobbying-Arbeit tatsächlich ist. Man weiss nie genau, welches Gespräch oder welcher Input entscheidend war für eine Gesetzesanpassung. Es hilft aber sicher, wenn man sich kennt. Nur so schafft man Vertrauen. Und Vertrauen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man auf jemanden hört. Wir sind auf gutem Weg. Mittlerweile werden wir gar von EU-Kommissaren angefragt, ob wir an Veranstaltungen unsere Sicht der Dinge darlegen. Viele in der EU haben durchaus ein Interesse daran, die Schweizer Sichtweise zu verstehen. Schliesslich sind wir ein wichtiger Handelspartner.

Heinz Karrer (59), Präsident von Economiesuisse.

In Brüssel vertreten nicht nur Schweizer Firmen und Verbände Schweizer Interessen, sondern natürlich auch der Bund. Gibt es da keine Doppelspurigkeiten?
Nur wenn nicht alle am gleichen Strick ziehen. Ich bin aber selbst seit vielen Jahren regelmässig in Brüssel und habe das Gefühl, dass sich die Schweizer Lobbyisten vor Ort sehr gut absprechen. Die Verantwortlichen von Bund und Wirtschaft kennen sich, haben ­telefonisch und per E-Mail ständig Kontakt, treffen sich regelmässig zum Kaffee und sind teilweise sogar im gleichen Gebäude untergebracht. Eine gute Plattform bietet dabei Urs Bucher, Botschafter der Schweiz in der EU.

Welche Auswirkungen hatte die Diskussion um das Rahmen­abkommen auf das Schweizer EU-Lobbying?
Auch die Verhandlungen rund um das Rahmenabkommen und damit verbunden mögliche sektorielle Abkommen haben dazu geführt, dass die Schweizer Wirtschaft ihre Lobbying-Aktivitäten in Brüssel verstärkt hat. Mehr Schweizer Firmen hatten das Bedürfnis, der EU ihre Position zu erläutern. Aber damit steht das Rahmenabkommen nicht alleine. Immer wenn es Unsicherheiten gab in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU, nahm der ­Erklärungsbedarf zu – und das war seit dem EWR-Nein von 1992 praktisch ununterbrochen der Fall. Zuerst die Bilateralen I. Dann die Bilateralen II. Dann die Masseneinwanderungs-Initiative. Und schliesslich die Diskus­sionen um Forschungsabkommen, die Anpassung technischer Handelshemmnisse sowie die Anerkennung der Börsenäquivalenz.

Ist das der Grund dafür, dass wir gar mehr lobbyieren als 
viele EU-Staaten?
Ganz klar. Schweizer Unternehmen müssen in Brüssel mehr lobbyieren, weil wir nicht EU-Mitglied sind, aber sehr intensive Handelsbeziehungen haben. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Briten nach der Brexit-Abstimmung auf uns zugekommen sind und wissen wollten, wie wir als Nichtmitglied das handhaben mit der EU. Das zeigt, dass die EU-Mitgliedsländer ihre Aussenwirtschaftspolitik in erster Linie an ihre Politiker in Brüssel abdelegiert haben. In der Schweiz dagegen muss die Privatwirtschaft einen aktiveren Part übernehmen.

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