Diskriminierung bei Autoversicherungen?
Ausländer bezahlen im Schnitt 60 Prozent mehr

Als Ausländer ohne roten Pass zahlt man generell mehr für die Autoversicherung. In der EU ist die Praxis verboten, aber in der Schweiz dürfen sich Versicherungen auf Statistiken berufen. Für den Einzelnen ist das diskriminierend, finden die Kritiker.
Publiziert: 03.07.2021 um 16:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2021 um 09:31 Uhr
Ausländer-Malus: So viel mehr bezahlt man ohne Schweizer Pass im Schnitt, schliesst man hierzulande eine Autoversicherung ab.
Foto: Blick Grafik
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Rachel Hämmerli

Mehr für die Autoversicherung bezahlen, einfach weil man aus der Türkei oder Serbien stammt? Das ist in der Schweiz Standard. Wer hier als Ausländer sein Auto versichern will, der zahlt pauschal mehr als Schweizer. Ganz egal, ob man schon mal einen Unfall hatte oder eine schnelle Karre fährt.

Die Versicherungsgesellschaften unterscheiden nämlich mitunter nach Nationalität, wer wie viel zahlen muss. Und die Unterschiede sind massiv: Besonders Albaner, Serben oder Türken müssen deftige Preisaufschläge hinnehmen – im Durchschnitt zahlen sie rund 60 Prozent mehr als Schweizer, zeigt eine Analyse des Internet-Vergleichsportals Comparis.ch.

Alles eine Frage der Zahlen

Wie kann das sein? Blick hat bei den Versicherungen Axa, Helvetia, TCS und Zürich Versicherung nachgefragt. Sie erklären den Unterschied so: Für die Prämienberechnung wird ermittelt, welche Faktoren statistisch zu hohen Kosten führen könnten. Dazu zählen beispielsweise die Leistungsstärke des Autos, das Alter des Lenkers, das Geschlecht oder eben die Nationalität.

Verursacht also ein Mann mit ausländischer Abstammung mit einem PS-starken Auto einen Unfall, fliesst das in die Statistik. Passiert das mehrmals, entsteht ein Risikoprofil, dass bei allen Leuten mit der gleichen Abstammung angewendet wird.

«Das ist Abzockerei»

Für Mustafa Atici (51), der Präsident der SP Migrant:innen Schweiz, ist die Praxis reine Diskriminierung. «Das ist Abzockerei», findet der SP-Nationalrat aus Basel. «Tausende Leute müssen pauschal mehr bezahlen, ohne je einen Unfall verursacht zu haben.»

Er wisse, dass junge Autofahrer mit schnellen Autos und oft auch mit Migrationshintergrund öfter in Unfälle verwickelt sind. «Deswegen alle mit der gleichen Nationalität pauschal zu bestrafen, ist aber nicht fair.» Man solle jene bestrafen, die auch etwas verschuldet haben.

Atici versucht, mit Kampagnen in verschiedenen Sprachen auf das Thema aufmerksam zu machen. Er rät Migranten und Migrantinnen, sich dort versichern zu lassen, wo kein Unterschied zwischen Schweizern und Ausländern gemacht wird.

In der EU verboten

Das dürfte aber schwierig werden. Denn in der Schweiz gibt es keinen Versicherer, der die Nationalität nicht berücksichtigt. Bis anhin galt Generali als die einzige Versicherung, die keinen Unterschied zwischen Ausländern und Schweizern macht. Davon ist man bei Generali aber abgekommen.

Früher habe man in der Statistik keine höheren Risiken durch Ausländer feststellen können. «Mit den aktuellen Daten und Berechnungsmodellen sind Unterschiede zwischen den verschiedenen Nationalitäten hingegen erkennbar», sagt Mediensprecher Ueli Kneubühler. Darum werde in der Prämienberechnung neu auch die Nationalität berücksichtigt.

In der Europäischen Union darf die Abstammung für den Preis der Prämie keine Rolle spielen. In der Schweiz schon, soweit es statistisch belegbar ist, dass Ausländer tatsächlich höhere Kosten verursachen.

In der Schweiz zieht jede Versicherung ihre eigene Schadenstatistik zurate. Und jede Versicherung wertet den Faktor Nationalität unterschiedlich stark. Nur eines ist immer gleich: Schweizer zahlen weniger.

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