Diplomatin zum Weltfrauentag
«Wieso soll eine Frau nicht hartnäckig sein?»

Monika Schmutz ist Botschafterin in Italien. Ein Gespräch zum Weltfrauentag über Diplomatie, Gleichstellung – und Giorgia Meloni.
Publiziert: 03.03.2024 um 09:12 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2024 um 13:55 Uhr
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Blick: Frau Botschafterin, zwei Diplomaten wurden kurz vor ihrer Ernennung zu Staatssekretären für Sicherheitspolitik wegen ihres Privatlebens zurückgezogen. Hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten ein #MeToo-Problem?
Monika Schmutz: Ich dachte, Sie wollen mit mir über den Weltfrauentag sprechen. Zu Ihrer Frage will ich mich nicht äussern. Was ich sagen kann: Als Frau habe ich im EDA keine negativen Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil, es ist ein Vorreiter in Sachen Gleichstellung.

Warum?
Viele reden über Gleichstellung – Bundesrat Ignazio Cassis handelt. Gemäss Gleichstellungsstrategie sollen Frauen bis 2028 mindestens 45 Prozent des Spitzenpersonals stellen. 76 von weltweit 115 Schweizer Vertretungen hatten bereits eine Frau als Missionschefin. Es gibt noch viel zu tun, aber wir sind auf Kurs.

Sie sind seit 28 Jahren Diplomatin. Welche negativen Erfahrungen haben Sie gemacht?
Jede Frau muss sich mal einen dummen Spruch anhören. Ich bekam schon öfters die Rückmeldung, ich sei überraschend hartnäckig. Wieso soll eine Frau nicht hartnäckig sein? Vor allem, wenn sie die Interessen der Schweiz durchsetzen will. 

Am 8. März ist Weltfrauentag.
Foto: keystone-sda.ch
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Gibt es etwas, das Sie als Frau nervt?
Ich weigere mich, Alibi- oder Quotenfrau zu sein. Wenn ich zu einer Diskussion mit sechs Männern eingeladen werde, sage ich dem Veranstalter: «Wir leben im Jahr 2024! Soll ich euch helfen, weitere Frauen zu finden? Alleine komme ich nicht.» Als Feministin bedaure ich zudem die grosse Verunsicherung in der Gesellschaft.

Was meinen Sie damit?
Viele Männer stellen sich Fragen wie: «Darf ich einer Frau noch die Tür aufhalten? Darf ich überhaupt noch Komplimente machen?» Auch als Feministin schätze ich gute Manieren. Ich freue mich über Komplimente – und mache auch selber gerne welche. Wir müssen alle etwas lockerer werden.

Viele Männer glauben, dass Frauen leichter Karriere machen. Stimmt das?
Nein. Frauen in Führungspositionen verdrängen keine Männer – sie beenden die Ausgrenzung von Frauen.

Zur Person

Monika Schmutz Kirgöz (55) ist Botschafterin der Schweiz in Italien. Die Baslerin hat Politologie und Soziologie studiert und war fürs Aussendepartement in Ankara, Tel Aviv, Istanbul und Beirut. 2023 wurde sie in Italien zur «Botschafterin des Jahres» gewählt. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Monika Schmutz Kirgöz (55) ist Botschafterin der Schweiz in Italien. Die Baslerin hat Politologie und Soziologie studiert und war fürs Aussendepartement in Ankara, Tel Aviv, Istanbul und Beirut. 2023 wurde sie in Italien zur «Botschafterin des Jahres» gewählt. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

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Italien reagiert auf diese hohe Zahl zu Recht empört. Sexismus und Machismo sind in Italien noch stark ausgeprägt. Es ist gut, dass so viele Frauen und Männer auf die Strasse gehen und sich etwas tut. Giorgia Meloni und ihre Kontrahentin, die Oppositionschefin Elly Schlein, spielen hier eine wichtige Rolle.

Inwiefern? Meloni tritt nicht gerade als Feministin auf.
Meloni hat die gläserne Decke durchbrochen. Sie ist die erste Ministerpräsidentin Italiens. Ich bin überzeugt: Jeder Italiener, der abends Nachrichten schaut und sieht, dass eine Frau das Land regiert, bekommt ein neues Frauenbild präsentiert. Meloni hat keine feministische Agenda, aber sie schafft als Frau trotzdem Fakten. Und sie ist für viele italienische Frauen ein Vorbild. 

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