Aussenminister Gabriel bittet Schweizer Botschafterin «zum Gespräch»
Deutschland lässt die Spionage-Affäre nicht auf sich beruhen

Deutschland will mehr Informationen zum Schweizer Spion. Doch offiziell sagt der Nachrichtendienst (NDB) nichts zum in Frankfurt verhafteten Schweizer. Dennoch lässt der NDB-Chef Markus Seiler durchblicken, dass ein solcher Einsatz nicht ungesetzlich wäre.
Publiziert: 02.05.2017 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:25 Uhr
Joël Widmer, Matthias Halbeis

Die Meldungen zum mutmasslichen Doppelagenten Daniel M. offenbaren einen brisanten Agentenkrimi, der sich zwischen zwei befreundeten Staaten abspielt. Vorläufiger Höhepunkt war gestern Nachmittag die Order des deutschen Aussenministers Sigmar Gabriel an seinen Staatssekretär Walter Lindner, die Schweizer Botschafterin Christine Schraner Burgener kurzfristig zu einem Gespräch zu bitten. Staatssekretär Lindner habe in dem Gespräch im Interesse der deutsch-schweizerischen Freundschaft Aufklärung über den Fall des unter Spionageverdachts festgenommenen Schweizers erbeten, heisst es im Auswärtigen Amt. Der Spionage-Krimi ist nun also auch ein diplomatischer Fall. Das EDA bestätigte gestern lediglich, dass es zu einem Informationsaustausch gekommen ist.

Ermittlungen seit 2015

Zu informieren gibt es wohl einiges. Seit 2015 wird gegen Daniel M. in der Schweiz schon ermittelt. Die Bundesanwaltschaft (BA) hat im Januar 2015 gegen ihn ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst eingeleitet. Er soll im Auftrag von deutschen Privat-Ermittlern versucht haben, Daten zu Bankkonten zu beschaffen. Dieses Verfahren läuft laut einer BA-Sprecherin noch immer.

Am Freitag wurde er nun aber in Deutschland wegen Verdachts auf verbotenen Nachrichtendienst für die Schweiz verhaftet. Gestern musste sich nun der Chef des Nachrichtendienstes (NDB), Markus Seiler, vor den Medien im Rahmen seiner Jahresmedienkonferenz erklären. Mehrmals wiederholten Seiler und der ebenfalls anwesende Verteidigungsminister Guy Parmelin, dass sie zum konkreten Fall wegen der laufenden Verfahren keinen Kommentar abgeben wollen.

Christine Schraner Burgener ist seit August 2015 Schweizer Botschafterin in Berlin.
Foto: zVg
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Dennoch beantwortete Seiler BLICK-Fragen zum verhafteten Schweizer in allgemeiner Art und suggerierte damit, der Einsatz eines Spions gegen deutsche Steuerfahnder sei denkbar. «Zu unseren Aufgaben gehört die Spionageabwehr», sagte der NDB-Chef etwa. Und der Nachrichtendienst sei im In- und Ausland tätig. Der NDB-Chef fügte zudem an: «Nachrichtendienstliche Arbeit ist kein Streichelzoo und findet nicht nur im Büro statt.» Obwohl der Schutz des Schweizer Finanzplatzes erst im neuen Nachrichtendienstgesetz geregelt wird, betonte Seiler mit Verweis auf das entsprechende Gesetz: «Spionageabwehr ist heute schon möglich.»

Im Auftrag des NDB

Laut seinem Schweizer Anwalt Valentin Landmann hatte M. 2015 einen Auftrag des NDB: «Aus den Akten der Bundesanwaltschaft geht hervor, dass der NDB nicht bestreitet, mit M. zusammengearbeitet zu haben. Details sind aber keine ersichtlich.» Sein Mandant sei für den Kampf gegen illegal tätige Steuerfahnder engagiert worden und habe fast ausschliesslich von der Schweiz aus gearbeitet. Landmann geht davon aus, «dass die Verhaftung eine Retourkutsche ist, so wie auch damals der Datenankauf eine Falle von Anstiftern aus Deutschland war.» Hintergrund: Die Schweiz hatte schon vor Jahren gegen drei deutsche Steuerfahnder Haftbefehle erlassen.

Was bedeutet die Einbestellung eines Botschafters?

Nicht alles in der Diplomatie ist diplomatisch. Schon gar nicht, wenn eine Regierung den Botschafter oder die Botschafterin eines fremden Staates ins Aussenministerium aufbietet. Doch was bedeutet dieser Schritt genau?

Schweizer Botschafter sind die höchsten diplomatischen Vertreter im Ausland. Sie repräsentieren dort den Bundesrat und haben besondere Ehrenrechte. Ob die Botschafterin von der Regierung des Gastlands zu einem Gespräch gebeten, förmlich einbestellt oder gar ausgewiesen wird, macht einen grossen Unterschied. Es sagt viel darüber aus, welche Ebene ein Konflikt bereits erreicht hat.

Die sanfteste Form der Kritik ist eine Einladung zum Gespräch. Die Botschafterin wird, wie heute in Berlin, höflich zu einem Gespräch gebeten. In der Sprache der Diplomaten bedeutet das: Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es ernsthafte Spannungen zwischen beiden Ländern gibt. Gleichwohl will man von Seiten des Gastgeberstaats gegen aussen signalisieren, dass man einen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen will und kann.

Genau das will die Regierung in Berlin im Zusammenhang mit der Verhaftung des Schweizer Spions M. in Frankfurt auch deutlich machen. Denn es steht der Vorwurf im Raum, dass die Schweiz deutsche Beamte ausspionieren liess.

Heute hatten NDB-Chef Markus Seiler und der für den Schweizer Geheimdienst zuständige Verteidigungsminister Guy Parmelin versucht, der Affäre mit Schweigen den Sauerstoff zu entziehen. Anders in Berlin: Dort hat man sich im Aussenministerium offenbar gegen eine diskrete Behandlung entschieden.

Immerhin: Die deutsche Seite hat sich für die mildeste Massnahme entschieden, die möglich war. Eine förmliche Einbestellung des Botschafters wäre schon ein wesentlich schärferes Instrument der Diplomatie gewesen. Damit wird auch signalisiert, dass es grössere Verstimmungen zwischen den Staaten gibt. Schliesslich verbliebe nur noch die drastischste Form der Kritik: Das wäre die Anweisung zur Abberufung des Botschafters beziehungsweise dessen Ausweisung.

Nicht alles in der Diplomatie ist diplomatisch. Schon gar nicht, wenn eine Regierung den Botschafter oder die Botschafterin eines fremden Staates ins Aussenministerium aufbietet. Doch was bedeutet dieser Schritt genau?

Schweizer Botschafter sind die höchsten diplomatischen Vertreter im Ausland. Sie repräsentieren dort den Bundesrat und haben besondere Ehrenrechte. Ob die Botschafterin von der Regierung des Gastlands zu einem Gespräch gebeten, förmlich einbestellt oder gar ausgewiesen wird, macht einen grossen Unterschied. Es sagt viel darüber aus, welche Ebene ein Konflikt bereits erreicht hat.

Die sanfteste Form der Kritik ist eine Einladung zum Gespräch. Die Botschafterin wird, wie heute in Berlin, höflich zu einem Gespräch gebeten. In der Sprache der Diplomaten bedeutet das: Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es ernsthafte Spannungen zwischen beiden Ländern gibt. Gleichwohl will man von Seiten des Gastgeberstaats gegen aussen signalisieren, dass man einen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen will und kann.

Genau das will die Regierung in Berlin im Zusammenhang mit der Verhaftung des Schweizer Spions M. in Frankfurt auch deutlich machen. Denn es steht der Vorwurf im Raum, dass die Schweiz deutsche Beamte ausspionieren liess.

Heute hatten NDB-Chef Markus Seiler und der für den Schweizer Geheimdienst zuständige Verteidigungsminister Guy Parmelin versucht, der Affäre mit Schweigen den Sauerstoff zu entziehen. Anders in Berlin: Dort hat man sich im Aussenministerium offenbar gegen eine diskrete Behandlung entschieden.

Immerhin: Die deutsche Seite hat sich für die mildeste Massnahme entschieden, die möglich war. Eine förmliche Einbestellung des Botschafters wäre schon ein wesentlich schärferes Instrument der Diplomatie gewesen. Damit wird auch signalisiert, dass es grössere Verstimmungen zwischen den Staaten gibt. Schliesslich verbliebe nur noch die drastischste Form der Kritik: Das wäre die Anweisung zur Abberufung des Botschafters beziehungsweise dessen Ausweisung.

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