Deutliches Nein
Volk schiesst Kriegsgeschäfte-Initiative ab

Investitionen in Rüstungskonzerne sollen für Nationalbank und Pensionskassen weiterhin erlaubt sein. Die Stimmbevölkerung lehnt die Kriegsgeschäfte-Initiative klar ab.
Publiziert: 29.11.2020 um 14:59 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2020 um 18:46 Uhr
Daniel Ballmer

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und die Jungen Grünen hätten fast schon auf ein Wunder hoffen müssen. Zu eindeutig war in den letzten Umfragen der Nein-Trend für die Kriegsgeschäfte-Initiative, die Nationalbank und Pensionskassen verbieten will, in Rüstungskonzerne zu investieren. Das Wunder ist ausgeblieben.

Schon bald nach Urnenschluss war absehbar, dass die Initiative nur schon am Ständemehr scheitern wird. Zu viele kleine Deutschschweizer Kantone haben sich gegen die Vorlage gestellt. Doch auch für das Volksmehr hat es nicht gereicht.

57,45 Prozent aller Stimmenden sagten Nein zur Vorlage. Gerade einmal in vier Kantonen fand die Vorlage eine Mehrheit. Am deutlichsten nahm der Kanton Basel-Stadt die Initiative an, mit 57,92 Prozent Ja-Stimmen. Der Kanton Jura nahm die Vorlage mit 55,01 Prozent an, der Kanton Genf mit 53,12 Prozent und der Kanton Neuenburg 52,01 Prozent.

Die Kriegsgeschäfte-Initiative will, dass es den Pensionskassen, der AHV und der Nationalbank verboten wird, in Rüstungsfirmen zu investieren.
Foto: Keystone
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Gegner zeigen sich «hocherfreut»

Sie sei «hocherfreut», sagte die Aargauer FDP-Nationalrätin Maja Riniker (42) als Vertreterin des Nein-Komitees aus Kreisen der FDP, SVP, CVP und GLP. «Ich bin sehr froh, dass von der Mehrheit des Stimmvolks erkannt wurde, dass die vorgeschlagenen Instrumente sehr extrem waren.» Sie sehe das Nein auch in Zusammenhang mit der aktuell wirtschaftlich anspruchsvollen Zeit, sagte Riniker. «Eine weitere Belastung der Unternehmen wäre nicht opportun gewesen.»

Von Anfang an war die Unterstützung bei den Frauen und Städtern grösser. Sie sank mit zunehmendem Alter. Ähnlich wie bei der Konzernverantwortungs-Initiative war auch hier die Links-Rechts-Polarisierung stark ausgeprägt. Bei den Mitte-Parteien blieb die Zustimmung aber klar tiefer als bei der zweiten Vorlage.

Kriege in der Welt mit Schweizer Geld finanziert

Die Initiative verlangte, dass der Nationalbank, Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge (AHV/IV/Pensionskassen) die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verboten wird. Als solche gelten Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit der Herstellung von Rüstungsmaterial erwirtschaften.

Befürworter argumentierten unter anderem mit der Neutralität der Schweiz. Investitionen in Rüstungskonzerne seien mit der Neutralität nicht vereinbar. Die Initiative mache die Welt zudem friedlicher, denn die Kriege in der Welt würden auch mit Schweizer Geld finanziert.

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Gegner schwangen die KMU-Keule

Die Gegner hingegen hatten gewarnt, ein rigoroses Finanzierungsverbot verteuere die Anlagemöglichkeiten der Sozialwerke und erhöhe deren Risiken. Entweder müssten sich AHV und Pensionskassen bei ihren Investitionen auf einzelne Firmen beschränken. Oder sie müssten jedes Jahr Tausende von Unternehmen auf deren Umsatz mit Kriegsmaterial hin überprüfen. Damit würden entweder Anlagerisiken erhöht – oder Verwaltungskosten.

Auch SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (61) wehrte sich mit Händen und Füssen gegen die Initiative. Betroffen seien nämlich nicht nur grosse Rüstungskonzerne, sondern auch Schweizer KMU, die als Zulieferbetriebe fungierten. Ein wichtiger, grosser Auftrag von einem Rüstungsunternehmen mache solche Firmen plötzlich selber zu Kriegsmaterialproduzenten.

Ausserdem gefährde die Initiative die Unabhängigkeit der Nationalbank (SNB), schlugen die Gegner Alarm. Gerade in der Corona-Krise sei es deren dringliche Aufgabe, für stabile Preise zu sorgen. Dafür sei sie auf volle Handlungsfähigkeit angewiesen. Ohnehin schliesse die Nationalbank schon heute Unternehmen aus den Investitionen aus, die grundlegende Menschenrechte verletzen, systematisch gravierende Umweltschäden verursachen oder international geächtete Waffen herstellen würden.

SP will nun zumindest Schlupfloch stopfen

Die Befürworter der Initiative geben aber noch lange nicht auf. «Im heutigen Kriegsmaterilagesetz gibt es nach wie vor ein Schlupfloch, das die indirekte Finanzierung von Atomwaffen ermöglicht», sagte SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf (52) gegenüber Blick TV. Die SP will nun in der am Montag startenden Wintersession eine parlamentarische Initiative einreichen, um dieses Schlupfloch zu stopfen. So soll auch die indirekte Finanzierung von geächteten Waffen verhindert werden.

Das Anliegen könnte im Parlament durchaus Chancen haben. So zeigte sich etwa FDP-Ständerat Thierry Burkart (45) gesprächsbereit. «Hier kann man noch einen Schritt weiter tun als bisher», sagte er. Dieser müsse aber praktikabel sein. So dürfe daraus keine riesige Bürokratie entstehen. Gleichzeitig dürften aus einer schärferen Regelung keine Nachteil für Schweizer KMU entstehen.

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