Der Zeitpunkt für einen Bundesratsrücktritt ist günstig – doch er wird ungenutzt verstreichen
Warum bleiben Maurer, Sommaruga und Berset?

Ueli Maurer, Simonetta Sommaruga und Alain Berset sind bereits ungewöhnlich lange im Amt – und der Zeitpunkt für einen Rücktritt wäre günstig. Nimmt einer der drei den Hut?
Publiziert: 21.02.2022 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2022 um 07:15 Uhr
Sermîn Faki

13 Jahre und fast zwei Monate sitzt Ueli Maurer (71) schon im Bundesrat. Damit überholt er bald Moritz Leuenberger (75), dem einst Sesselkleberei vorgeworfen wurde. Und Maurer scheint weiterhin von Rücktritt nichts wissen zu wollen. Entsprechende Gerüchte im vergangenen Jahr erwiesen sich als falsch. Und Maurer kokettierte, dass er gar keine Zeit habe, zurückzutreten.

13 Jahre – so lange halten es nur wenige im Verschleissjob Bundesrat aus. Die durchschnittliche Amtszeit beträgt zehn Jahre. Maurer ist aber nicht der einzige Marathon-Magistrat. Auch Simonetta Sommaruga (61) ist schon zwölf Jahre und knapp vier Monate dabei. Und ihr Parteikollege Alain Berset (49) gehört der Regierung auch schon mehr als zehn Jahre lang an.

Zeitpunkt wär günstig

Stehen also in den kommenden Monaten Rücktritte ins Haus? Die Gelegenheit wäre günstig: Bei der Corona-Krise scheint das Schlimmste überstanden. Vergangene Woche hat die Landesregierung mit der Aufhebung fast aller Massnahmen die Pandemie sozusagen für beendet erklärt. Bis dahin wäre ein Rücktritt einem Verrat am Land gleichgekommen – oder verlässt etwa ein Kapitän sein Schiff mitten im Sturm?

Wer von den dreien geht? Simonetta Sommaruga, Ueli Maurer oder Alain Berset?
Foto: Keystone
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Doch der Sturm hat sich gelegt. Maurer ist zudem deutlich über dem Pensionierungsalter, Sommaruga, die Mitte Mai 62 wird, bald davor. Und Berset? Dass er bis zur Rente im Amt bleibt, ist kaum vorstellbar. Will er sich beruflich noch mal neu orientieren, wäre der im April anstehende 50. Geburtstag kein allzu schlechtes Datum.

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Berset ist müde

Zudem hat die Corona-Pandemie bei Berset mehr Spuren hinterlassen als bei den anderen Bundesräten. Zwei Jahre lang stand er an vorderster Front in der Verantwortung. Jetzt wirkt er müde. Zudem: Die Rolle als Krisenmanager war eine willkommene Möglichkeit zur Profilierung. Doch nun steht die Aufarbeitung der Pandemie an. Und das Parlament wird sämtliche Fehler und Pannen von Bundesrat und Verwaltung haarklein unter die Lupe nehmen. Das macht wenig Lust auf mehr.

Auch in Bersets wichtigstem Geschäft jenseits der Krise, bei der Altersvorsorge, darf der Sozialminister keinen Durchbruch mehr erhoffen. Ob die AHV-Reform vor dem Volk besteht, ist unsicher. Und bei der Reform der zweiten Säule, also bei der Pensionskasse, konnte er sich schon im Parlament nicht durchsetzen.

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Sie soll nicht Bundesrätin werden

Ein Befreiungsschlag wäre für Berset der Wechsel in ein anderes Departement. Doch ein solcher ist unrealistisch vor Ende 2023, wenn die Departemente nach den nationalen Wahlen neu verteilt werden können.

Und selbst dann ist die Chance gering. Böse Zungen behaupten, just eine mögliche Neuverteilung sei der Grund, weshalb Maurer seinen Platz nicht räume: Er wolle Berset den Weg ins Finanzdepartement verwehren.

Andere glauben, Maurer gehe es nicht darum, einen SP-Finanzminister zu verhindern, sondern eine Bundesrätin Magdalena Martullo-Blocher (52). Der Tochter von alt Bundesrat Christoph Blocher (81) werden schon lange Ambitionen auf einen Einzug in die Landesregierung nachgesagt.

«Kä Luscht»?

Dritte wiederum begründen Maurers Durchhaltefähigkeit mit der Langeweile, die ihn nach einem Rücktritt überkäme. «Er hat nichts anderes ausser diesem Job», sagt eine Quelle. «Er wüsste als Rentner nichts mit sich anzufangen.» Darum habe Maurer «kä Luscht», zu gehen.

Was auch immer der Grund sein mag – Maurer wird wohl über die Wahlen 2023 hinaus im Amt bleiben – ebenso wie die beiden SPler. Auch wenn für Berset der Zeitpunkt für einen Absprung günstig wäre und obwohl Sommaruga seit dem Wechsel ins Infrastrukturdepartement (Uvek) eher glücklos agiert: Beide werden von ihrer Partei bekniet, bei den Gesamterneuerungswahlen im Dezember 2023 nochmals anzutreten.

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Wunschkandidat ist erkoren

Denn würden Berset oder Sommaruga vorher zurücktreten, würde die Stunde der Bürgerlichen schlagen. Und die seit der grünen Welle 2019 andauernde Diskussion um die Zauberformel auf einen Schlag beenden. Indem das Parlament statt einer SPlerin oder einem SPler einen Grünen wählt.

Damit wäre die Forderung nach einem Öko-Bundesrat erfüllt, ohne die Kräfteverhältnisse zwischen links und rechts zu verändern – und wenn, dann im Sinne der Bürgerlichen. Es gibt sogar schon einen Wunschkandidaten: Der Berner alt Regierungsrat Bernhard Pulver (56), heute Verwaltungsratspräsident der Insel-Spitalgruppe, wird als «grüner Traum für die Rechten» beschrieben. Pulver gilt nicht eben als Linksausleger. Er könnte deshalb in vielen Fragen mit den bürgerlichen Bundesräten stimmen.

Um die beiden SP-Sitze zu halten, bleibt Berset und Sommaruga – der Partei zuliebe – gar nichts anderes übrig, als auszuharren und sich auch Ende 2023 nochmals zur Verfügung zu stellen.

Egal, ob die Grünen bei den Wahlen im Oktober 2023 ihr gutes Abschneiden von 2019 bestätigen oder ob die Grünliberalen weiter zulegen: An der 2-2-2-1-Aufstellung im Bundesrat dürfte sich nichts ändern bis 2024.

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