Der nordrhein-westfälische Finanzminister über den Schweizer Maulwurf-Einsatz
«Dieses Treiben muss aufgedeckt werden»

Die Schweiz liess das Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen ausspähen. Jetzt spricht dessen Chef Norbert Walter-Borjans über die Jagd nach dem Spion.
Publiziert: 05.05.2017 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:06 Uhr
Matthias Halbeis

BLICK: Herr Minister, der Schweizer Geheimdienst soll einen Maulwurf bei Ihnen platziert haben, sagen deutsche Strafverfolger. Haben Sie ihn schon gefunden?
Norbert Walter-Borjans: Nein, ich bin ja selbst erst in diesen Tagen darüber informiert worden. Die Identität des Spitzels ist völlig offen. Er könnte sich theoretisch überall in unserer Finanzverwaltung mit immerhin 28'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verstecken.

Aber Sie wollen schon herausfinden, wo und wer es ist?
Ich werde mich nicht zum Generalbundesanwalt aufschwingen. Denn der Fall liegt dort, die Behörde hat Ermittlungen aufgenommen. Diese werden wir nach Kräften unterstützen. Ein solcher Vorgang ist nicht akzeptabel. Es geht nicht an, wenn man einen Informanten in die Finanzverwaltung eines Nachbarlands einschleust. Ein solches Treiben muss aufgedeckt werden. Selbstverständlich werden wir auch jede eigene Möglichkeit nutzen.

Wie beurteilen Sie den Vorgang als betroffener Finanzminister?
Wir waren aufgrund unserer Haltung in Sachen Steuerhinterziehung seit Jahren einem bestimmten Teil der Finanzbranche ein Dorn im Auge. Darum verwundert es für mich auch nicht, wenn diejenigen, die damit Geschäfte in Milliardenhöhe machen, unseren Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht gerne sehen. Der richtet sich aber immer nur gegen einen Teil der Finanzbranche in der Schweiz und in andern Ländern. Ich habe dies nie auf die Schweiz als Land bezogen. Mir war immer wichtig, dass wir mit der Schweiz in Kooperation handeln und gegen jene vorgehen könnten, die nur auf den ersten Blick für die Schweizer Wirtschaft interessant sind. Am Ende schaden sie nämlich uns allen.

«Es geht nicht an, dass man einen Informanten in die Finanzverwaltung eines Nachbarlands einschleust.» Norbert Walter-Borjans
Foto: Bloomberg
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«Das untergräbt ein wenig das Vertrauen in die Aussagen der Schweiz, dass man eine Weissgeldstrategie verfolge.»
Foto: Bloomberg

Jetzt sind Sie aber mit einer Operation des Schweizer Geheimdienstes konfrontiert.
Ja, das untergräbt schon ein wenig das Vertrauen in die Aussagen der Schweiz, dass man nun eine Weissgeldstrategie verfolge. Immerhin trennten sich Schweizer Banken von kooperationsunwilligen Kunden, was ein wichtiges Signal war. Dass die Schweiz mit dem Geheimdienst am Ende gewollt oder ungewollt das Geschäft der Steuerhinterziehung stützt, ist eine Enttäuschung. Aber wie gesagt: Wir sind gute Nachbarn. Ich weiß, dass Bundesaussenminister Sigmar Gabriel darüber Gespräche führt. Ein ernsthafter Vorgang, den ich aber nicht überdramatisieren will. Denn ich schätze die Schweiz in vielen Dingen.

Erstaunlich, dass Ihre Kritik nicht härter ausfällt. Sie sind schliesslich oberster Dienstherr von Steuerbeamten, die ausgespäht wurden.
Absolut. Meine politische Arbeit in den letzten sieben Jahren war ja genau, den Fahndern den Rücken zu stärken: «Ihr habt die politische Unterstützung von der Spitze. Wir müssen die Steuerhinterziehung bekämpfen.» Weil uns sonst Geld für Bildung, Infrastruktur und Sicherheit fehlt. Darum finde ich den Vorgang, dass meine Leute ausgespäht wurden, skandalös. Enttäuschend ist, dass wir nicht über irgendwelche obskuren Sicherheitsfirmen reden, sondern über den Schweizer Geheimdienst! Das ist nicht annehmbar. Dieses Signal geht ja wohl auch von den Gesprächen des Bundesaussenministers mit den Schweizer Nachbarn aus.

Was erwarten Sie jetzt von Sigmar Gabriel? 
Ich weiss, dass die Bundesregierung, besonders der Bundesaussenminister Wert legt auf die gute Zusammenarbeit unter Nachbarn. Es gehört sich aber unter Nachbarn, Klartext zu sprechen. Es ist ein Unterschied, wenn unsere Fahnder dazu beitragen, Steuerhinterziehung im Milliardenausmass zu beenden. Oder ob man auf der anderen Seite, durch Ausspähen eben dieser Beamten, jenen in die Hände spielt, die diesen Milliardenbetrug begehen. Die Fahnder hatten sich für die Interessen der ehrlichen Steuerzahler eingesetzt. Wer gegen sie vorgeht, schützt Täter und Schwarzgeld. Das finde ich unannehmbar.

«Dass meine Leute ausgespäht wurden, finde ich skandalös.»
Foto: Bloomberg

Aber mal ehrlich, Herr Minister: Ihre Fahnder gingen doch ähnlich vor, als sie sich auf fremden Territorium Bankdaten von Steuersündern beschafften.
Ich kann nur wiederholen: Es gab und gibt keinen Auftrag und auch keine Duldung durch den Finanzminister, Ermittlungsarbeiten auf fremden Territorium durchzuführen. Sollte es dennoch vorgekommen sein, hätte die Schweiz die Möglichkeit, auf ihrem Territorium dagegen strafrechtlich vorzugehen. Ich will nicht, dass man Leute zum Verkauf auffordert, und auch nicht, dass man auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz ermittelt.

Sie kritisierten aber die Haftbefehle gegen drei Ihrer Steuerfahnder. Jetzt geht Deutschland gegen den Schweizer Agenten ebenfalls rechtlich vor.
Die Steuerfahnder arbeiteten dafür, einen Schaden von unserem Bundesland abzuwenden. Wer sie ausspäht, hilft der Gegenseite. Das ist für mich der Unterschied. Ich fand den Haftbefehl gegen meine Leute nicht akzeptabel. Ich muss aber akzeptieren, dass die Schweiz innerhalb ihrer Grenzen bestimmt, welchen Straftatbestimmungen man nachgeht. Hier gilt das Umgekehrte: Deutsche Behörden nehmen jemanden in Deutschland fest, der hier als Spion im Auftrage der Schweiz tätig war.

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