Crypto-Affäre könnte Markus Seiler den Job kosten
Cassis’ rechte Hand unter Druck

Nicht alle Mitwisser im Crypto-Skandal sind längst pensioniert. Die Geschäftsprüfungsdelegation übt scharfe Kritik an Ex-NDB-Chef Markus Seiler, der heute der zweitwichtigste Mann im Aussendepartement ist. Politiker fordern personelle Konsequenzen.
Publiziert: 12.11.2020 um 01:23 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2021 um 11:26 Uhr
Lea Hartmann und Daniel Ballmer

Der 64-seitige Untersuchungsbericht der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) belastet die rechte Hand von Aussenminister Ignazio Cassis (59) schwer. Markus Seiler (52), bis 2017 Chef des Nachrichtendienstes (NDB), hat mindestens in Teilen davon gewusst, dass die Schweiz an der Seite der USA über die Crypto AG jahrzehntelang fremde Mächte aushorchte. Gesagt hat er seinem damaligen Chef, Verteidigungsminister Guy Parmelin (61), nichts.

Heute ist Seiler Generalsekretär im Aussendepartement. Ist er nach den jüngsten Enthüllungen in dieser Position noch tragbar? Nein, findet Grünen-Präsident Balthasar Glättli (48). «Entgegen seinen bisherigen Aussagen hat die GPDel nachgewiesen, dass Markus Seiler von der Crypto-Affäre zumindest ahnen musste», sagt Glättli.

Das ist die Crypto-Affäre

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-Auslandsgeheimdienst (CIA) kauften in den 1970er-Jahren verdeckt die Zuger Firma Crypto AG. Diese verkaufte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation in alle Welt.

Recherchen der TV-Sender SRF und ZDF sowie der Zeitung «Washington Post» ergaben, dass die Crypto-Geräte so manipuliert waren, dass die Geheimdienste die Kommunikation trotz Verschlüsselung mitlesen konnten. Über hundert Staaten sollen von der Abhöraktion betroffen gewesen sein.

Offen ist, ob auch der Bundesrat und die Schweizer Geheimdienste von dieser Hintertür wussten – und allenfalls davon profitierten. Das wäre neutralitätspolitisch heikel.

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-Auslandsgeheimdienst (CIA) kauften in den 1970er-Jahren verdeckt die Zuger Firma Crypto AG. Diese verkaufte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation in alle Welt.

Recherchen der TV-Sender SRF und ZDF sowie der Zeitung «Washington Post» ergaben, dass die Crypto-Geräte so manipuliert waren, dass die Geheimdienste die Kommunikation trotz Verschlüsselung mitlesen konnten. Über hundert Staaten sollen von der Abhöraktion betroffen gewesen sein.

Offen ist, ob auch der Bundesrat und die Schweizer Geheimdienste von dieser Hintertür wussten – und allenfalls davon profitierten. Das wäre neutralitätspolitisch heikel.

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Foto: Keystone
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Auch ein anderer mit der Untersuchung vertrauter Politiker sagt, dass Seiler bislang behauptet habe, nichts gewusst zu haben. Glättli: «Also lügt Seiler entweder über seine Rolle, oder er hat die Führungsverantwortung für seinen Laden nicht wahrgenommen.»

Auch Parteikollege kritisiert Seiler

Der Grünen-Präsident ist nicht der Einzige, der vom Bundesrat fordert, personelle Konsequenzen zu prüfen. Mit Philippe Bauer (58) wagt es auch ein Parteikollege von Cassis und Seiler, Letzteren zu kritisieren. Es sei inakzeptabel, dass die ehemaligen Geheimdienstchefs den Bundesrat nie informiert hätten, sagt der Neuenburger Ständerat im Interview mit «La Liberté».

«Markus Seiler hat gewusst, was vor sich geht, und nie den zuständigen Bundesrat informiert», so Bauer. Dies sei viel problematischer als das Verhalten seines Nachfolgers, der Verteidigungsministerin Viola Amherd erst ins Bild setzte, als es nicht mehr anders ging.

Druck könnte wachsen

Im Bundesrat war die Personalie Seiler laut Bundesratssprecher André Simonazzi (52) bisher kein Thema. «Das EDA hat weiterhin vollstes Vertrauen in Markus Seiler», sagt Cassis' Sprecher Michael Steiner.

Doch der Druck auf die Regierung, insbesondere auf Cassis, könnte wachsen. Auch bei SP und SVP gibt es kritische Stimmen, die in Frage stellen, ob Seiler wirklich noch der richtige Mann am richtigen Ort ist. «Die SP-Fraktion wird noch diskutieren, ob sie ebenfalls personelle Konsequenzen fordern wird», sagt Nationalrätin Yvonne Feri (54), ebenfalls GPDel-Mitglied.

SP und Grüne fordern zudem die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Crypto-Affäre. Der Entscheid darüber wird am Freitag gefällt.


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