Milliardär kriegt Piks, Bevölkerung muss warten
Thurgau ist Schlusslicht bei der Impfstatistik

Der Kanton Thurgau macht keine gute Falle! Ein südafrikanischer Milliardär erhält eine Impf-Sonderbehandlung – die eigene Bevölkerung dagegen muss lange auf den rettenden Stich warten.
Publiziert: 23.01.2021 um 01:06 Uhr
Johann Rupert hat seiner Hirslanden-Gruppe keinen guten Dienst getan.
Foto: Bloomberg via Getty Images
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Daniel Ballmer

Johann Rupert (70), der extra mit dem Privatjet angereiste Inhaber der Hirslanden-Klinikgruppe, hat den heiss ersehnten Piks noch vor offiziellem Impfstart erhalten. Gleichzeitig kommt die Hirslanden-Klinik, die im Auftrag des Kantons die Corona-Impfung durchführt, bei der Bevölkerung nicht in die Gänge. Bis am Donnerstag waren auf 100 Einwohner gerade mal 1,07 Impfdosen verabreicht worden. Negativ-Rekord im Schweiz-Vergleich!

Die Hirslanden-Gruppe zeigt zumindest Einsicht: In einem offenen Brief entschuldigt sich CEO Daniel Liedtke bei der Thurgauer Bevölkerung. Man habe einen Fehler gemacht. Dieser wiege umso schwerer, «als Herr Rupert Miteigentümer unserer Gruppe ist und damit unweigerlich der Eindruck entstand, wir hätten ihn privilegiert behandelt». In der Tat: Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, hatte der Kanton Luzern Rupert die Impfung verweigert

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Regierungsrat arbeitete selbst bei Hirslanden

Auffällig auch eine andere personelle Verquickung: Der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (41, SVP) arbeitete bis letzten März selbst bei der Hirslanden-Gruppe. Er habe die Sonderbehandlung mit «Stirnrunzeln» zur Kenntnis genommen, schreibt Martin auf Twitter.

Die Thurgauer Staatskanzlei will den Fall dennoch nicht überbewerten. Die Zusammenarbeit mit Hirslanden laufe ansonsten «sehr zufriedenstellend». Zudem gibt der Kanton die heisse Kartoffel lieber weiter. Die Gründe für den stockenden Impfstart sieht er vor allem beim Bund, «der unser Kontingent an Impfdosen dreimal innert weniger Tage gekürzt hat».

Zudem achte man darauf, dass man immer genug Impfstoff für den zweiten Piks hat. «Wir gehen hier nicht auf Risiko» schreibt der Kanton auf Anfrage. Zudem hätten andere Kantone ihre Impfkampagne bereits etwas früher gestartet. «Im Übrigen sehen wir die Impfkampagne nicht als Wettbewerb unter den Kantonen.»

Was aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass die meisten Impfdosen, die der Thurgau erhalten hat, noch auf ihre Verwendung warten.

Nur 37 Prozent der Dosen verimpft – schweizweit

Einziger Trost: Der Thurgau ist nicht allein mit dem schleppenden Impfstart. Das zeigt die Impfstatistik, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gestern endlich veröffentlicht hat.

Bis jetzt hat der Bund den Kantonen rund 459’700 Impfdosen geliefert. Bis Donnerstag wurden rund 170'000 Impfungen verabreicht. Das sind lediglich 37 Prozent. Im Durchschnitt wurden bisher 1,97 Impfungen pro 100 Einwohner verabreicht. International ist die Schweiz damit Mittelmass.

Grosse Kantone haben Mühe

Gerade grössere Kantone scheinen Mühe zu haben. Der Kanton Bern hat bisher erst 1,11 Dosen auf 100 Einwohner verabreicht. Zürich hat zwar in absoluten Zahlen am meisten geimpft: 25'000 der 66'000 erhaltenen Dosen sind verspritzt. Das sind rund 38 Prozent. Doch damit schneidet auch der bevölkerungsstärkste Kanton nicht gut ab: Auf 100 Einwohner entfallen ebenfalls nur 1,62 geimpfte Dosen.

Kleinere Kantone haben da stärker aufs Gas gedrückt: Im Kanton Obwalden sind bereits 4,92 Dosen pro 100 Einwohner verabreicht worden, in Appenzell Innerrhoden sogar 5,10.

Spitzenreiter aber ist Basel-Stadt. Hier wurde mit 5,54 Dosen pro 100 Einwohner am meisten geimpft. In absoluten Zahlen: Von 13'000 erhaltenen Dosen hat Basel-Stadt bereits 10'646 verabreicht – 80 Prozent! 2138 Personen haben schon beide notwendigen Dosen erhalten.

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