Der hohe Preis des Schweizer Wegs
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Corona-Todesfälle
Der hohe Preis des Schweizer Wegs

Wegen Corona sterben in der Schweiz 2020 mehr Menschen, als dies in anderen Jahren der Fall war – das aber ausschliesslich bei den über 65-Jährigen. Während diese Übersterblichkeit in der Romandie zurückgeht, bleibt sie in der Deutschschweiz noch hoch.
Publiziert: 25.11.2020 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2020 um 20:29 Uhr
Daniel Ballmer, Gianna Blum

Der Knick in der Kurve ist beruhigend. Die täglich gemeldeten Fallzahlen sind deutlich zurückgegangen. «Ein erstes Etappenziel ist erreicht», freut sich Taskforce-Chef Martin Ackermann. Die Taskforce rechne damit, dass sich die Fallzahlen aktuell wirklich etwa alle zwei Wochen halbieren. Am Dienstag hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 4241 Neuinfektionen gemeldet. Besonders in der Romandie hat sich das Tempo deutlich verlangsamt: Im Schnitt steckt ein Infizierter weniger als eine weitere Person an.

Doch die Aussichten sind nicht nur rosig. Denn immer klarer zeigt sich der Preis, den die Schweiz für ihr Verhalten in der zweiten Welle zahlen muss – und zwar bei der Anzahl Toten. Laut BAG sterben etwa 1,2 Prozent aller positiv Getesteten. Bei den über 65-Jährigen verzeichnet die Statistik eine deutliche Übersterblichkeit. Heisst: Im Verhältnis zu den Todesfällen der vergangenen zehn Jahre sind deutlich mehr Menschen dieser Altersgruppe gestorben, als zu erwarten gewesen wäre. Daran ist Corona schuld. Laut einem Vergleich der Experten-Taskforce verlaufen die Corona-Todesfälle im Takt mit der Übersterblichkeit.

Die Lage ist sehr unterschiedlich

Doch eine gute Nachricht gibt es: Schweizweit ist diese Übersterblichkeit leicht zurückgegangen. Aktuelle Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen aber auch, dass die Lage in den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich ist.

Endlich! Die täglichen Corona-Fallzahlen gehen langsam, aber sicher zurück.
Foto: DUKAS
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Stark betroffen ist wenig überraschend die Romandie. So liegt etwa im Kanton Genf die Zahl der Toten bei über 65-Jährigen derzeit 60 Prozent über dem statistischen Normalwert. Im Kanton Freiburg ist sie sogar doppelt so hoch. Genauso wie im Wallis. Wird dort zu diesem Zeitpunkt mit wöchentlich bis zu 66 Toten über 65 Jahre gerechnet, waren es vergangene Woche gleich 120.

Ein Hoffnungsschimmer

Doch es gibt Grund zur Hoffnung: Auch wenn in Genf die Übersterblichkeit noch immer hoch ist, kann erstmals ein Rückgang der Zahlen festgestellt werden. Genau die gleiche Beobachtung macht man im Tessin. Ist das ein erster Schritt zur Besserung? Zeigen die Schutzmassnahmen endlich Wirkung? Noch ist es zu früh für ein Fazit.

Die einzige Region ohne Übersterblichkeit ist zurzeit die Nordwestschweiz. Sowohl im Aargau als auch in den beiden Basel bewegen sich die Zahlen im Normalbereich.

Deutlich schlechter sieht es dafür im Mittelland aus. Etwa in den Kantonen Bern und Solothurn. Lange bewegten sich die Zahlen auch hier statistisch im Normalbereich. Doch seit Anfang November steigen sie deutlich. In Bern liegen sie nun rund 50 Prozent über den Erwartungen. Konkret: Statt bis zu 198 starben vergangene Woche 248 Rentner.

Schlimmer als im Frühling

Und in der Ostschweiz, die vom Virus lange weniger gebeutelt war als andere Landesteile? Auch hier ist die Zahl der Corona-Toten seit Anfang November deutlich angestiegen. Beispiel St. Gallen: Rechnen die Statistiker für Mitte November mit wöchentlich 88 Toten über 65 Jahren, waren letzte Woche 122 zu beklagen. Doch auch hier gibt es Hoffnung. Denn auch in der Ostschweiz gehen die Zahlen im Vergleich zur Vorwoche vereinzelt zurück.

Die Schweiz ist aber noch lange nicht über den Berg. Landesweit sind bis Dienstag 3930 Menschen dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Die Mehrzahl der Verstorbenen war gemäss BAG über 80 Jahre alt und männlichen Geschlechts – und fast alle hatten Vorerkrankungen. Das war schon in der ersten Welle so.

Allein in den vergangenen 14 Tagen sind 1040 Corona-Erkrankte gestorben. Die Übersterblichkeit ist damit noch stärker als während der ersten Welle im Frühling. Und sie wird uns noch lange begleiten.


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