Claude Wild spricht Klartext
Ex-Botschafter in Kiew Claude Wild warnt vor «Neutralitäts-Fetischismus»

Claude Wild, der bis vor Kurzem Botschafter der Schweiz in Kiew war, hat Zweifel am Verbot der Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine geäussert. Die Schweiz habe kein Interesse daran, «nützliche Idioten eines Aggressors» zu werden.
Publiziert: 27.03.2023 um 23:32 Uhr
|
Aktualisiert: 28.03.2023 um 09:56 Uhr

Der ehemalige Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild (59), hat sich am Montag gegenüber dem Verbot der Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine kritisch geäussert.

Ihm zufolge muss die Schweiz bei dem Entscheid ihre eigenen Sicherheitsinteressen bedenken, so Wild, der bis vor Kurzem als Schweizer Botschafter in Kiew tätig war, in der Tele-Züri-Sendung «Talk täglich».

Schweiz wird indirekte Unterstützung des Aggressors vorgeworfen

Dass die Schweiz nicht Teil eines Militärbündnisses sein oder direkt Waffen liefern könne, werde in der Ukraine gut verstanden, so Wild. Dass das Land auch indirekte Waffenlieferungen blockiere, sei dagegen «sehr schwierig zu erklären».

Der ehemalige Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild (59), steht dem Verbot der Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine kritisch gegenüber.
Foto: Keystone
1/4

«Man kann sich auch fragen, ob dies eigentlich im Sicherheitsinteresse der Schweiz ist», fügte der Diplomat an. Denn Neutralität dürfe nicht bedeuten, dass man indirekt den Aggressor unterstütze. Genau dies werde der Schweiz jedoch vorgeworfen.

Letztlich müsse die Neutralität den Werten der Schweiz und ihrer Sicherheit dienen, argumentierte Wild: «Wir haben kein Interesse, nützliche Idioten eines Aggressors zu werden.» Vielmehr sei es im Sicherheitsinteresse des Landes, dass die Ukraine den Angreifer zurückdrängen könne. Die Schweiz müsse aufpassen, dass sie nicht in einen «Neutralitäts-Fetischismus» verfalle.

Hintergrund der Debatte sind Gesuche unter anderem aus Spanien, Deutschland und Dänemark, in der Schweiz hergestellte Rüstungsgüter an Kiew weitergeben zu können. Der Bundesrat lehnte dies bislang stets ab – mit Verweis auf das Neutralitätsrecht und die Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes.

Zwei Vorstösse für Lockerung der Wiederausfuhr-Bestimmungen scheiterten

Gemäss geltendem Recht müssen Staaten beim Kauf von in der Schweiz hergestellten Rüstungsgütern eine Erklärung abgeben, diese nur mit Einwilligung der Eidgenossenschaft weiterzugeben. Die Waffen-Weitergabe an kriegführende Staaten ist nicht bewilligungsfähig.

Zwei Vorstösse, die eine Lockerung, der Wiederausfuhr-Bestimmungen forderten, scheiterten in der Frühjahrssession im Parlament. Mehrere parlamentarische Initiativen zum Thema sind noch hängig.

Wild wird künftig als ständiger Vertreter der Schweiz beim Europarat in Strassburg tätig sein. Mitte März hatte der Bundesrat Félix Baumann, bis anhin Botschafter bei der Uno-Abrüstungskonferenz in Genf, zum ausserordentlichen und bevollmächtigten Botschafter in der Ukraine und in der Republik Moldau mit Sitz in Kiew ernannt. (SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?