Chef von Fifa-Firma bespitzelte die Fifa
Der Spion in den eigenen Reihen

Hassan al-Thawadi soll Spitzel gegen den Weltfussballverband beaufsichtigt haben. Brisant: Er selbst ist Chef einer Fifa-Firma und arbeitet mit hochrangigen Verbandsfunktionären zusammen.
Publiziert: 06.11.2022 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2022 um 12:36 Uhr
Fabian Eberhard

Hassan al-Thawadi ist der Chef der Fussball-WM. Er hat das Turnier nach Katar geholt und führt nun das Supreme Committee, das die Weltmeisterschaft organisiert. Jetzt – zwei Wochen vor dem Anpfiff in Doha – steht al-Thawadi im Zentrum eines Skandals. Laut Recherchen von «SRF Investigativ» hat er eine gross angelegte Spionageaktion gegen die Fifa beaufsichtigt.

Der Codename der Operation war eine Ansage: «Gnadenlos». So nannten die Katarer das Programm, mit dem sie über Jahre hinweg hohe Funktionäre des Weltfussballverbands ausspionierten. Mithilfe von Ex-Agenten der CIA zapften sie E-Mail-Accounts und Telefone an, verwanzten Hotelzimmer – selbst der Freundeskreis und die Familien von Fifa-Leuten sollen bespitzelt worden sein. Ziel war es, zu verhindern, dass Katar die Weltmeisterschaft wegen der massiven Kritik am Land wieder verliert.

SonntagsBlick hat das Netzwerk des Katarers ausgeleuchtet: Dass al-Thawadi in die Spionageoperation involviert war, ist brisant. Der WM-Chef hat nicht nur Kontakt zu Fifa-Präsident Gianni Infantino, er steht sogar selbst an der Spitze einer Fifa-Firma.

Fifa-Präsident Gianni Infantino (l.) mit Hassan al-Thawadi: Der katarische WM-Chef soll eine Spionageoperation gegen die Fifa beaufsichtigt haben.
Foto: PA Images via Getty Images
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Al-Thawadi ist Verwaltungsratspräsident der «Fifa World Cup Qatar 2022 LLC», einem Joint Venture zwischen Katar und dem Weltfussballverband. 51 Prozent der Firmenanteile gehören der Fifa.

Das Unternehmen ist massgeblich mitverantwortlich für den Turnierbetrieb, laut Fifa unter anderem zuständig für «Team-Services, Trainingsstätten, Freiwillige, Gästemanagement, Logistik, Catering und Akkreditierung».

Keine Reaktion von der Fifa

In seiner Funktion als Chef der Firma arbeitet al-Thawadi direkt mit höchstrangigen Fifa-Kadern zusammen. In der neunköpfigen Geschäftsführung amtieren unter anderem: Fatma Samoura, Generalsekretärin des Weltfussballverbandes und somit die zweithöchste Fifa-Funktionärin hinter Gianni Infantino, Zvonimir Boban, stellvertretender Generalsekretär, Wettbewerbsdirektor Colin Smith und Emilio Garcia Silvero, Chef der Rechtsabteilung.

Mit al-Thawadi hat die Fifa also einen Spion in den eigenen Reihen. Und was tut der Weltfussballverband? Er schweigt – wie so oft. Auf eine Anfrage von SonntagsBlick blieb die Medienstelle stumm.

Dabei drängen sich Fragen auf, allen voran: Schweigt die Fifa zu dem Skandal, weil sie die Katarer schützen will? Theo Zwanziger, ehemaliger Präsident des Deutschen Fussball-Bundes und bis 2015 Mitglied des mächtigen Fifa-Exekutivkomitees, vermutet es stark: «Das ist ein solcher Skandal. Den müssten die aufgreifen, die verantwortlich sind. Fifa-Präsident Infantino als Allererster. Aber der macht das natürlich nicht, weil er ein Vasall von Katar ist.»

Infantino ist in Katar zu Hause

Zwanziger ist selbst Opfer der Spionageoperation. In einem Interview mit der «NZZ» vom Freitag sagt er: «Ich habe nichts gemerkt. Das ist ja das Perfide am Ganzen. Denn sobald man etwas merkt, kann man sich ja wehren.» Dass die Fifa schweigt, wundert ihn nicht: «Wie wir alle wissen, ist von dieser Seite rein gar nichts zu erwarten. Der Präsident Infantino hat seinen Wohnsitz inzwischen nach Katar verlegt und hat sich so zur Geisel der dortigen Machthaber gemacht.»

Anfang Jahr machte SonntagsBlick publik, dass der Fifa-Präsident tatsächlich mittlerweile mehrheitlich in Doha wohnt und dort auch zwei seiner Töchter eingeschult hat. Ein weiterer Beleg für die ungesunde Nähe des Weltfussballverbands zu den Scheichs des Emirats.

Dass WM-Chef al-Thawadi persönlich in die Spionageoperation involviert sein soll, dürfte manche erstaunen. Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter sagte einmal über ihn: «Wenn ich noch bei der Fifa wäre, würde ich Hassan sofort engagieren. Er hat eine menschliche Ausstrahlung und ist ein Gewinn für diese Weltmeisterschaft.» Mittlerweile hat Blatter seine Meinung wohl geändert. Denn die Katarer hatten es auch auf seinen ehemaligen Berater abgesehen, den Schweizer Peter Hargitay. Dieser ist wie Blatter ein vehementer Kritiker der WM im Wüstenstaat.

Gegenüber SRF sagte Blatter diese Woche: «Dass es eine organisierte Spionageaffäre in der Fifa gab, das hat mich überrascht.» Es sei bedenklich.

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Haben Sie Hinweise zu brisanten Geschichten? Schreiben Sie uns: recherche@ringier.ch

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