Cassis muss zittern
Die Grünen greifen an

Bei den Grünen sind die Meinungen gemacht: Die Partei soll bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats vom 11. Dezember die FDP herausfordern. BLICK hat sich in der Fraktion umgehört. Im Fokus als Bundesratskandidatin steht Parteichefin Regula Rytz.
Publiziert: 20.11.2019 um 01:02 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2019 um 09:07 Uhr
Auf dem Weg in den Bundesrat? Parteichefin Regula Rytz gilt bei vielen Grünen als «natürliche Kandidatin».
Foto: KARL-HEINZ HUG
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Daniel Ballmer und Ruedi Studer

Die Grünen attackieren den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (58). Zwar legt die Fraktion ihre Strategie erst am Freitag fest, doch ein Rückzieher wäre für die Öko-Wähler eine Enttäuschung. Daher sind sich die Fraktionsmitglieder einig, dass die Partei in die Offensive gehen muss. «Wann, wenn nicht jetzt?», heisst die Devise.

Dieser Ansicht ist auch die Nationalrätin Sibel Arslan (39, BS): «Wir können von der SVP lernen. Die ist hartnäckig immer und immer wieder angetreten. Das müssen auch wir – und jetzt erst recht», sagt sie mit Blick auf den Wahlerfolg. Für sie ist klar: «Unabhängig, ob wir den Sitz erhalten oder nicht – als Grüne gewinnen wir auf jeden Fall.»

«Cassis konnte nicht überzeugen»

Ähnlich tönt es bei ihren Kolleginnen und Kollegen. Klar wird dabei auch, welchen Sitz sie ins Visier nehmen: jenen von Aussenminister Cassis. «Er konnte bisher als Bundesrat nicht überzeugen», sagt Irène Kälin (32, AG). Da ist sie sich mit einer Mehrheit der Grünen einig.

Und die neu gewählte Tessiner Nationalrätin Greta Gysin (36) betont: «Das Ergebnis der Wahlen spricht eine klare Sprache – und die FDP ist mit zwei Bundesräten deutlich übervertreten.» Die Vertretung der sprachlichen Minderheiten liege ihr zwar am Herzen, meint sie mit Blick auf den Tessiner Cassis. «Dennoch kommen Inhalt und Qualität vor Herkunft – von dem her lieber eine Grüne als einen FDPler.»

Blocher-Wahl als Vorbild

Es muss aber gar nicht zwingend gegen Cassis gehen – obwohl seine Abwahl im Vordergrund steht. Bei den Grünen kristallisiert sich nämlich folgende Strategie heraus: Sollte die FDP nicht freiwillig einen Bisherigen zurückziehen, greift man den ersten zur Wiederwahl anstehenden FDP-Sitz an – das wäre jener von Cassis. Dabei liesse sich immer noch betonen, man greife die FDP und nicht die Person an. Und bei einem grünen Erfolg stünde der FDP ja noch die Möglichkeit offen, im letzten Wahlgang den Tessiner anstelle der St. Gallerin Karin Keller-Sutter (55) zu bevorzugen.

Die Grünen nehmen sich die SVP-Strategie von 2003 zum Vorbild: Die Sünneli-Partei hatte mit Christoph Blocher (79) erfolgreich die CVP attackiert. Ruth Metzler (55) musste über die Klinge springen.

Alles wartet auf Rytz

Mehr zu reden, als welchen Bundesrat man angreifen soll, gibt die Frage, mit wem der Angriff erfolgen wird. Klare Favoritin ist Parteichefin Regula Rytz (57). Sie verkörpert den grünen Erfolg, gilt als kämpferisch, aber auch kompromissfähig. Zudem hat sie als früheres Mitglied der Berner Stadtregierung Exekutiverfahrung. Und Rytz holte bei den Nationalratswahlen über die Parteigrenzen hinweg am meisten Stimmen in ihrem Kanton. Sie sicherte sich damit den Titel der Panaschierkönigin.

Trotzdem gibt es Überlegungen, wie weit Rytz im Parlament bis in die bürgerliche Mitte punkten kann. Deshalb werden weitere Namen herumgereicht: Der Genfer Staatsrat Antonio Hodgers (43) hat sich selbst ins Spiel gebracht, auch dem Zürcher Nationalrat Bastien Girod (38) werden Ambitionen nachgesagt. Bereits abgewunken haben andere Papabili wie die früheren Regierungsräte Bernhard Pulver (54, BE) oder Susanne Hochuli (54, AG), ebenso der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (57), Nationalrätin Maya Graf (57, BL) und die Berner Gemeinderätin Franziska Teuscher (61).

Kurzurlaub vor dem Showdown

Offen ist, ob die Grünen bereits am Freitag einen Kandidaten präsentieren. Der definitive Personalentscheid fällt allenfalls erst in der Woche darauf. Den Dienstag mussten sich die Fraktionsmitglieder vorsorglich freihalten.

Regula Rytz selbst erholt sich der derzeit auf einem Kurzurlaub von den Wahlstrapazen. Am Donnerstag ist sie wieder zurück – rechtzeitig zum Showdown.

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