«Grüner Angriff ist misslungen!»
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Longchamp-Analyse zur BR-Wahl:«Grüner Angriff ist misslungen!»

Claude Longchamp zur Bundesratswahl
«Die Grünen können froh sein»

Er analysierte die Bundesratswahl für den BLICK. Im Interview sagt der Politologe «mit der Fliege», welche Folgen der 11. Dezember 2019 für die Schweizer Politik haben wird.
Publiziert: 11.12.2019 um 16:52 Uhr
Interview: Sermîn Faki

BLICK: Claude Longchamp, Sie haben die Bundesratswahlen für BLICK mitverfolgt. Was ist Ihr Fazit?

Claude Longchamp: Der grüne Angriff ist misslungen. Die 82 Stimmen, die Regula Rytz gemacht hat, sind entlarvend. Sie konnte wohl nicht einmal das linke Lager überzeugen. Das zeigt: Der Moment ist noch nicht da, und die Zauberformel hat auch nach 60 Jahren weiterhin Bestand.

Ein schlechter Tag für die Grünen also?

Es hat nicht gereicht: Regula Rytz wurde am Mittwoch nicht zur Bundesrätin gewählt.
Foto: Keystone
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Jein. Natürlich ist die Enttäuschung nun gross. Auch, weil die Grünen Fehler gemacht haben. Doch letztlich können sie froh sein. Hätten sie wirklich eine Bundesrätin Rytz gewollt, die contre-cœur neue Kampfjets verteidigen muss? So aber können die Grünen nun vier Jahre lang darauf hinweisen, dass sie trotz historischem Wahlsieg aus der Regierung ausgeschlossen wurden und gegen das System wettern. Wenn sie so den Druck der Strasse aufrechterhalten können, haben sie eine gute Chance, ihren Wahlerfolg in vier Jahren zu egalisieren. Und dann wird es nicht mehr so einfach sein, sie aus dem Bundesrat auszusperren.

Was war sonst auffällig?

Es gibt ein paar neue Polit-Stars: Zuvorderst Viola Amherd, die sensationelle 218 Stimmen gemacht hat, aber auch Alain Berset mit 214 und Ueli Maurer mit 213 Stimmen.

Die beiden FDP-Bundesräte konnten da nicht annähernd mithalten. Bei Ignazio Cassis kein Wunder wegen des grünen Angriffs, aber auch Karin Keller-Sutter?

Die 169 Stimmen für Keller-Sutter sind tatsächlich wenig. Ich glaube, da sind zwei Dinge passiert: Zum einen wurde sie mit 37 Leer-Stimmen von Links-grün abgestraft für die Übervertretung der FDP im Bundesrat. Und von rechts wurde sie abgestraft für ihre Brückenbauer-Politik zu den Linken, die der SVP missfällt. Aus diesem Pool speisen sich 21 Stimmen, die FDP-Nationalrat Marcel Dobler erhalten hat. Mehr Sorgen machen die 145 Stimmen für Cassis. Dass der Aussenminister ein so schlechtes Ergebnis gemacht hat, ist nicht gut. Weder für ihn noch für die Schweiz, denn nun hat der Bundesrat mit dem schwierigsten Dossier – der Europa-Frage – am wenigsten Rückhalt im Parlament.

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