Bundesrat präsentiert Bericht zu CS-Debakel
Wie Keller-Sutter den Finanzplatz sicherer machen könnte

Am Mittwoch dürfte der Bundesrat seine Lehren aus dem Untergang der CS präsentieren. Finanzministerin Karin Keller-Sutter wird Vorschläge machen, wie ein nochmaliges Debakel verhindert werden soll. Diese Vorschläge sind in der Debatte.
Publiziert: 10.04.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2024 um 16:11 Uhr
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Holger Alich
Handelszeitung

Muss die UBS mehr Eigenkapital vorhalten, bekommt die Finanzmarktaufsicht (Finma) mehr Macht? Diese Fragen will der Bundesrat am Mittwoch beantworten. Dann legt er seinen so genannten «Too big to fail»-Bericht vor, in dem er skizziert, welche Reformen in der schweizerischen Bankenregulierung nötig sind, um Konsequenzen aus dem CS-Desaster zu ziehen.

Auf einem anderen Blatt steht, was davon politisch umsetzbar sein wird. Vor allem gegen höhere Eigenmittelanforderungen dürften die UBS und die Bankiervereinigung ihr gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen.

Seit dem Untergang der CS vor gut einem Jahr hat es bereits eine Fülle an Berichten dazu gegeben, was nun zu tun ist: Die Finma, die Schweizerische Nationalbank (SNB), eine vom Bund eingesetzte Expertenkommission, das Financial Stability Board – sie alle haben dicke Papiere dazu verfasst. Die «Handelszeitung» stellt die wichtigsten Reformvorschläge vor und gibt eine Bewertung ab.

SNB-Chef Thomas Jordan, Finanzministerin Karin Keller-Sutter und der damalige Bundespräsident Alain Berset am 19. März 2023 in Bern.
Foto: STEFAN BOHRER
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Einführung eines Senior-Manager-Regime

Greensill, Archegos, Spygate, Geldwäsche: Die Liste der Skandale bei der Credit Suisse ist lang. Die Finma eröffnete acht Durchsetzungsverfahren (Enforcementverfahren) gegen CS-Manager, fünf davon betrafen Mitglieder der Geschäftsleitung. Doch es gelang nicht, die Kultur der Selbstbedienung und der Nichtverantwortung in den Griff zu bekommen. Viele kritische Entscheide wurden in Gremien gefasst, so dass nicht klar war, wer letztlich die Verantwortung trägt.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Das soll ein Senior-Manager-Regime ändern. Es sieht vor, dass eine Bank den Verantwortungsbereich eines Topmanagers klar definieren muss. Geht dann etwas in diesem Bereich schief, muss der betreffende Manager dafür geradestehen.

Solche Regeln gibt es bereits in Grossbritannien, Hongkong und Singapur. Zahlreiche Expertinnen und Experten plädieren neben der Finma selbst für die Einführung eines Senior-Manager-Regimes in der Schweiz. Selbst die Bankiervereinigung wehrt sich nicht dagegen, plädiert aber für eine schlanke Umsetzung nach dem Vorbild Hongkongs. Während in Grossbritannien fast 30 Einzelfunktionen zu definieren sind, sind es in Hongkong nur rund die Hälfte.

Einschätzung: Die Einführung eines Senior-Manager-Regimes ist nötig, doch allein reicht es nicht aus. Denn die Aufsicht muss bei Verstössen die Rechtsmittel haben, gegen fehlbare Manager vorzugehen, etwa indem Bonusanteile zurückgefordert werden, Banker auf Geheiss der Finma gehen müssen oder sie gar Bussen zahlen müssen. Ein Senior-Manager-Regime muss wehtun. Sonst nützt es nichts.

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Mehr Eigenkapital

Wäre der CS-Crash zu verhindern gewesen, hätte die Grossbank mehr Eigenkapital vorgehalten? Sollten daher die Eigenkapitalanforderungen für die UBS hochgeschraubt werden? Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Die vom Bund eingesetzte Expertenkommission unter der Leitung des Wirtschaftsprofessors Yvan Lengwiler sieht keine Notwendigkeit für höhere Eigenmittelanforderungen. Der Berner Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti und der KOF-Co-Chef Hans Gersbach fordern dagegen deutlich höhere Eigenmittel.

Gersbach zum Beispiel nannte im Interview eine ungewichtete Eigenmittelquote von 10 Prozent – sprich, pro 100 Franken Bilanzsumme soll die UBS 10 Franken Eigenmittel halten, egal wie riskant die Assets angelegt sind. Das wäre eine massive Erhöhung, denn derzeit hält die UBS 5.45 Franken Eigenmittel pro 100 Franken Bilanzsumme. Selbst die Schweizerische Nationalbank meint, dass «zu prüfen» sei, ob angesichts der «deutlich gestiegenen Systemrelevanz» der UBS die Bank nicht mehr Eigenmittel brauche.

Neben den nominellen Kapitalkennziffern ist auch die Frage der Qualität des Kapitals wichtig. So konnte die Credit Suisse den Wert ihrer Auslandstöchter zum Eigenkapital des Stammhauses, der CS AG, dazuzählen. Auch Software wurde zum Vermögen gezählt. Hier dürften in Zukunft die Zügel angezogen werden.

Einschätzung: Gerade die schwache Kapitalisierung des Stammhauses der CS hat bei der Vertrauenskrise eine Rolle gespielt. Wichtiger als nominal höhere Eigenmittel ist es, den Fokus auf die Qualität der Eigenmittel zu legen. Dinge wie aktivierte Software haben darin nichts verloren. Ob aber nominal höhere Eigenmittelanforderungen die CS-Krise verhindern hätten, scheint fraglich.

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Mehr Macht für die Finma

Die Finma fordert als Konsequenz des CS-Crashs, mehr Kompetenzen zu erhalten. Konkret will die Finma wie ausländische Aufsichtsbehörden Bussen verhängen können. Bisher darf sie nur ungerechtfertigte Gewinne einziehen. Mit einer Bussenkompetenz würde die Aufsicht noch stärker zu einer Art Finanzpolizei. Die Frage ist, gegen wen die Finma Bussen verhängen dürfen soll: Gegen die Finanzdienstleister selbst oder gegen fehlbare Manager? Zudem muss es einen rechtssicheren Rahmen geben, wie sich die Höhe der Bussen berechnet. Der Teufel liegt im Detail.

Des Weiteren soll die Finma stärker in die Vergütungssysteme eingreifen dürfen: Hier liegt der Vorschlag auf dem Tisch, dass die derzeitigen Regeln, die es auf Verordnungsstufe gibt, in ein Gesetz gegossen werden.

Ferner will die Finma transparenter über ihre Enforcementverfahren berichten dürfen. Bisher darf sie das nur in Ausnahmefällen. In Deutschland ist es genau andersherum: Dort darf die Bafin nur in Ausnahmefällen von einer Veröffentlichung eines Verfahrens absehen. Von diesem «naming and shaming» verspricht sich die Finma eine disziplinierende Wirkung.

Das Financial Stability Board (FSB) – das Arbeitsorgan der wichtigen Aufsichtsbehörden, Notenbanken und Finanzministerien – fordert zudem, dass die Aufsicht leichter fehlbare Manager absetzen können soll. «Die Gesetzgebung muss geändert werden, um der Aufsicht diese Macht zu geben», schrieb das FSB in seinem letzten Schweiz-Länderbericht.

Einschätzung: Dass Bussen gegen Finanzinstitute etwas bewirken, darf bezweifelt werden. Die USA haben Milliardenbussen gegen Banken wie J. P. Morgan oder die CS verhängt – viel genützt hat es nicht. Anders liegt der Fall, wenn die Aufsicht Bussen gegen Banker verhängt. Ein kombiniertes System könnte ein Ansatz sein, bei dem Bonusrückzahlungen und zusätzliche Bussen bei schweren Fehlverhalten als Instrumente zur Verfügung stehen. Erwägenswert scheint auch, der Finma ein rechtlich klareres Mandat zu geben, im Zweifelsfall fehlbare Manager ganz abzusetzen. Noch wichtiger ist, dass die Finma auch den Mut hat, ihre Instrumente konsequent einzusetzen.

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Liquidität

Die Credit Suisse ist Opfer von gleich zwei Bankruns geworden. Jenem im Oktober 2022 hielt sie noch stand, jener im März 2023 war dann fatal. Zwischen Notenbank und Finma ist ein Streit entbrannt, wer dafür verantwortlich war, dass die Credit Suisse nicht alle Aktiven so aufbereitet hatte, dass diese die SNB als Sicherheit akzeptiert. «Die Banken sollten verpflichtet werden, ein deutlich höheres Volumen an Sicherheiten für den Bezug von ausserordentlicher Liquiditätshilfe bei der Nationalbank und bei ausländischen Zentralbanken vorzubereiten», fordert daher die SNB.

Die vom Bund eingesetzte Expertenkommission fordert wiederum die SNB auf, dass diese das Universum an Wertpapieren erweitert, die als Sicherheiten akzeptiert werden. Derzeit dienen dafür primär Schweizer Hypotheken.

Im Fall der Credit Suisse zeigte sich ferner, dass bei der Berechnung der Liquiditätskennziffern Abflüsse von Grosskunden unterschätzt wurden. Daher will die Finma hier mit schärfer kalibrierten Stresstests arbeiten.

Einschätzung: Die CS wurde Opfer von Bankruns, die durch den Verlust des Kundenvertrauens ausgelöst wurden. Höhere und bessere Liquiditätspolster machen Banken etwas sicherer, doch hätten auch diese das Aus der CS nicht verhindern können. Ist das Vertrauen weg und die Kundinnen und Kunden nehmen Reissaus, ist früher oder später jede Bank am Ende.

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Abwicklung einer Bank besser vorbereiten

Gerade das Financial Stability Board fokussiert in seinen Empfehlungen darauf, die Sanierungs- und Abwicklungsfähigkeit von Grossbanken zu verbessern. Das Ziel ist klar: Banken sollen pleite gehen dürfen, selbst Grossbanken. So soll die Aufsicht eine Bank anweisen können, ihre Organisation zu verändern, um sie besser abwickeln zu können. Zu Ende gedacht, würde das bedeuten, dass die Finma der CS hätte untersagen dürfen, sich in über 1000 Rechtseinheiten zu organisieren. Zudem sollten alle relevanten Stellen den Notfall gemeinsam mit ausländischen Behörden quasi üben.

Einschätzung: Auch mit einer besseren Vorbereitung scheint fraglich, ob jemals die UBS in die Sanierung oder gar Abwicklung geschickt würde. Die weltweiten Verwerfungen an den Finanzmärkten wären vermutlich zu gross. Als einzig valable Alternative bei einer möglichen Schieflage bleibt der Schweiz vermutlich nur die temporäre Verstaatlichung.

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