Bundesrat bleibt untätig
Uber soll weiter im Graubereich fahren

Ob Uber-Fahrer Angestellte oder Freiberufler sind, bleibt weiterhin ungeklärt. Obwohl laut Bundesrat wegen Diensten wie Uber die Verarmung droht, will er untätig bleiben.
Publiziert: 28.10.2021 um 15:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2021 um 16:43 Uhr
Pascal Tischhauser

Beschäftigungsverhältnisse, wie sie der Fahrdienst Uber kennt, bergen für bestimmte Personen «ein hohes Prekarisierungsrisiko». So hat das der Bundesrat am Mittwoch festgehalten. Er sieht also eine grosse Gefahr, dass Leute verarmen, die für Uber fahren.

Das nimmt die Landesregierung zum Anlass – um nichts zu tun! Der Bundesrat verzichtet darauf, die ihm in einem Bericht vorgeschlagenen Handlungsoptionen auch nur zu prüfen. Es soll also nicht geregelt werden, ob Uber-Fahrer selbstständige Unternehmer oder Angestellte sind.

Stünde aber fest, dass Uber der Arbeitgeber seiner Fahrer ist, müsste das Unternehmen Sozialabgaben für seine Arbeitnehmer entrichten. Die Fahrerinnen und Fahrer hätten dann auch Ferien zugute und sie profitierten von einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Weiterhin bleibt unklar, ob Ubers-Fahrer für Taxidienste oder zur Auslieferung von Essen (wie im Bild) Angestellte oder Freiberufler sind.
Foto: Keystone
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Taxi und Essen per App

Bei Uber können Kunden via Handy-App Taxidienste bestellen und beim Dienst Uber Eats Essenslieferungen ordern. Wenn Studenten neben ihrem Studium Fahrgäste durch Zürich chauffieren oder Essen vom Inder zum Kunden bringen, aber nach dem Studienabschluss einen gut bezahlte Anstellung finden, fällt es weniger ins Gewicht, wie das Beschäftigungsverhältnis bei Uber zuvor war.

Muss jedoch ein schlecht ausgebildeter Familienvater oder eine alleinerziehende Mutter mit dem Uber-Job das Haushaltseinkommen bestreiten, ist es eben entscheidend, ob die Person angestellt ist oder nicht.

Fall vor Zürcher Gericht

So wundert es nicht, dass die Anstellungsverhältnisse bei Uber seit Jahren die Gerichte beschäftigen. Doch bislang hat selbst der Gang vor Bundesgericht nicht für Klärung gesorgt. Ende März hat das Bundesgericht entschieden, dass Uber Switzerland nicht die Arbeitgeberin der Uber-Fahrer sei. Die AHV-Beiträge müssten allenfalls von einem Uber-Sitz im Ausland entrichtet werden, sollte sich dieser als Arbeitgeber erweisen.

Das Verfahren ist laut der Sozialversicherungsanstalt (SVA) Zürich nun beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hängig. Das Gericht muss klären, ob bei Uber-Fahrern eine selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit vorliegt. Nur wenn das Sozialversicherungsgericht zum Schluss kommen sollte, dass eine unselbstständige Tätigkeit vorliegt, ginge es um die Frage, wer denn der Arbeitgeber der Uber-Fahrer in der Schweiz ist. Und weil noch Rekursmöglichkeiten gegen Gerichtsentscheide bestehen, zieht sich das alles hin.

Die SVA Zürich trägt schweizweit die Uber-Fallverantwortung. Sie fordert die Sozialversicherungsbeiträge für sämtliche Uber-Fahrerinnen und -fahrer im Land ein, unabhängig von deren Wohnort. Damit Sozialversicherungsbeiträge nicht verfallen, hat die SVA Zürich auf Basis der vorhandenen Informationen und branchenüblicher Löhne die notwendigen Massnahmen getroffen, damit die Forderung an Uber nicht verjährt.

Kommission versus Stundenlohn

Doch mehr und mehr macht sich bei der Uber-Konkurrenz Unmut breit. Denn wie es aus der Branche heisst, nützt es vor allem Uber Eats, dass weder die Politik noch die Gerichte rasch für Klärung sorgen. Mit seiner Marktmacht dränge sie Konkurrenten zunehmend an den Rand.

Während die Fahrerinnen und Fahrer bei Uber auf Kommission arbeiten, bezahlen andere Kuriere Stundenlöhne. Nur: Wenn wie am Wochenende besonders viele Bestellungen eingehen, fahren viele lieber für Uber Essen aus. Zu Zeiten, in denen wenig läuft, arbeiten die Kuriere gern im Stundenlohn. Das gehe am Schluss für die Uber-Konkurrenz kaum mehr auf, heisst es aus der Branche.

Die Korrekten verlieren

Das bestätigt auch David Roth (36) von der Gewerkschaft Syndicom: «Unser Rechtssystem spielt Uber in die Karten. Das weltweit tätige Unternehmen wird bei uns alle Rechtsmittel ausschöpfen, um ein abschliessendes Gerichtsurteil so lange wie möglich hinauszuzögern.» Denn das lohne sich, wie Uber Eats zeige: In fast 250 Städten sei der Food-Lieferdienst inzwischen aktiv und das Unternehmen wachse weiter.

«Unser Eindruck ist, dass Firmen, die Kuriere korrekt anstellen, derzeit an Marktanteile verlieren», sagt Roth. «Über kurz oder lang wird die Konkurrenz die Segel streichen müssen – und wir haben einen Monopolisten, der keine ordentlichen Arbeitsverhältnisse akzeptiert, weder faire Löhne zahlen will, noch Sozialabgaben entrichten möchte», befürchtet er.

Für den Gewerkschafter ist klar: «Unsere Gerichte müssen lernen schneller zu arbeiten. Entscheide werden sonst überflüssig, weil illegales Verhalten bereits gewonnen hat.»

Ein Kurier sei ein Pöstler

Aber nicht nur Arbeitnehmervertreter und Teile der Foodkurrierbranche fordern eine Regelung. Auch die Eidgenössische Postkommission, die Postcom, will eine solche. Für sie ist ein Foodkurier, der in einer Pizzeria eine Pizza abholt und zum Kunden bringt, ein Pöstler. Folglich sind für die Postcom Lieferdienste ein meldepflichtiges Postunternehmen.

Nachdem die Postcom 2020 bereits verfügt hatte, dass sich Uber Eats ihrer Behörde unterstellen müsse, ging jüngst auch eine entsprechende Verfügung gegen Just Eat (früher Eat.ch) ein. Doch wie Uber wehrt sich auch Just Eat dagegen. Dabei könnten mit einer Unterstellung der Foodkuriere unter die Postcom viele Probleme gelöst werden. Beispielsweise dürfte es dann auch zur Anwendung eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) kommen, der den Fahrerinnen und Fahrern eine besonders gute Absicherung brächte.


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