Bundesrätin in der Kritik
Milliarden-Lücke bei der Armee? Amherd sah kein Problem

Parlamentarier kritisieren die Kommunikation von Verteidigungsministerin Viola Amherd und Armeechef Thomas Süssli über die Liquiditätsprobleme des Militärs. Während Süssli vom faktischen Aus fürs Heer spricht, hatte Amherd das Parlament vor Kurzem noch beruhigt.
Publiziert: 04.02.2024 um 14:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2024 um 16:40 Uhr

Alles halb so schlimm – aber dennoch eine Katastrophe. Die Aussagen von Armeechef Thomas Süssli (57) zur Finanzlage des Militärs waren widersprüchlich. Dass der Armee in den nächsten Jahren über eine Milliarde Franken fehlt, um bereits bestellte Rüstungsgüter zu bezahlen? «Kein Drama», versicherte der Korpskommandant vergangene Woche an einer eiligst anberaumten Medienkonferenz, nachdem die Milliarden-Lücke publik geworden war. Gleichzeitig sagte er, dass die Schweiz in einigen Jahren faktisch ohne Heer dastehen werde, weil man kein Geld für Investitionen habe.

Widersprüche zeigen sich auch zwischen Süssli und seiner Chefin, Verteidigungsministerin und Bundespräsidentin Viola Amherd (61). So hat die Bundesrätin vergangenen Sommer an Sitzungen der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats das geplante Sparprogramm verteidigt. Sie stellte sich hinter die Forderung des Bundesrats, das Armeebudget nicht bereits bis 2030, sondern erst bis 2035 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) hinaufzuschrauben. Das Parlament stimmte dem Plan schliesslich zu.

Amherd redete das Finanzloch schön

Der «NZZ am Sonntag» liegen die vertraulichen Sitzungsprotokolle vor. Demnach habe Amherd im August gegenüber den ständerätlichen Sicherheitspolitikerinnen und -politikern gesagt: «Wir sind einverstanden damit, die Erhöhung auf 1 Prozent auf 2035 zu verschieben.» Und: «Dieses Vorgehen ist meines Erachtens zu verantworten.»

Armeechef Thomas Süssli musste sich vergangenen Donnerstag wegen der bekannt geworden Liquiditätsprobleme des Militärs vor den Medien erklären.
Foto: keystone-sda.ch
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Das klingt so ganz anders als das, was Süssli nun sagte. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» legte er dar, dass die Verzögerung herbe Konsequenzen für die Armee habe. Man müsse Waffensysteme ausser Dienst stellen, bevor man Ersatz beschaffen könne. Das betreffe vor allem die Artillerie und die Panzer. Dabei habe der Krieg in der Ukraine doch gezeigt, wie wichtig gerade schweres Gerät für eine Armee sei. «Darum: Nein, ich kann diese Situation bei unserer Armee nicht verantworten», sagte er auf eine entsprechende Frage.

Bundesrätin in Deckung

Amherd hat sich bisher geweigert, Stellung zu den jüngsten Enthüllungen zu beziehen. Sie schiebt die Verantwortung ganz auf Süssli und lehnte eine Interview-Anfrage von Blick ab. Als sie vergangenen Donnerstag bei der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats vorsprach, die sich sehr irritiert über die bekanntgewordene Finanzierungslücke gezeigt hatte, sagte sie lediglich: «Im Moment gibt es nicht mehr darüber zusagen. Ausser, dass es keine Lücke gibt.» Worauf sie lächelte und von dannen zog.

Sicherheitspolitikerinnen und -politiker kritisieren, dass Süssli wie auch Amherd sie nicht umfassend über die Finanzlage der Armee informiert hätten. Amherd habe kein Wort über Liquiditätsprobleme verloren, sagte die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth (57) zu Blick. «Damit hat sie das Parlament im falschen Glauben gelassen, bei den Finanzen sei alles im Lot.» Auch der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann (61), Präsident der ständerätlichen Sicherheitskommission, äussert den Vorwurf, dass man nur oberflächlich informiert worden sei.

Herr Süssli, können Sie nicht rechnen?
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Armee-Chef im Interview:Herr Süssli, können Sie nicht rechnen?

Fakt ist, dass die Armee jetzt aus Spargründen Flugshows absagt – mit der Begründung, dass man bei jenen Posten den Rotstift ansetzt, die nicht im engeren Sinn zur Verteidigungsfähigkeit beitrügen. Gleichzeitig aber gönnte sich die Armee vor kurzem ein neues Logo. 227'000 Franken liess man für die Konzeption durch eine PR-Agentur springen, wie der Blick am Sonntag berichtete. Die Armeespitze hat damit kein Problem. Um sich verteidigen zu können, brauche man genügend Armeeangehörige, erklärt sie. Diese müsse man «mit einer modernen und zeitgemässen Identität ansprechen». (lha)

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