Bundesgericht hält sich im Streit um Konzern-Initiative raus
Kein Maulkorb für die Kirchen

Hätten sich die Kirchen im Abstimmungskampf rund um die Konzern-Initiative gar nicht einmischen dürfen? Das Bundesgericht verzichtet darauf, sich mit der Frage zu beschäftigen.
Publiziert: 08.04.2021 um 12:01 Uhr
Nach erbittertem Abstimmungskampf ist die Konzern-Intiative im vergangenen November am Ständemehr gescheitert.
Foto: zVg
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Das Volk hätte – hauchdünn – Ja gesagt, doch am Schluss scheiterte die Konzern-Initiative am Ständemehr. Der Abstimmungskampf über die Frage, ob Schweizer Konzerne für Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards gerade stehen müssen, war bitter. Und mit dem Scheitern der Initiative ist der Streit keineswegs begraben.

Nicht eine, nicht zwei, sondern gleich fünf Abstimmungsbeschwerden landeten vor Bundesgericht. Im Fokus dabei die Rolle der Kirchen, die sich verschiedentlich für das Anliegen engagiert hatten. Als quasi öffentlich-rechtliche Institutionen müssten sich Landeskirchen und Kirchgemeinden aus politischen Debatten und Abstimmungen heraushalten.

Kein Einfluss aufs Abstimmungsergebnis

Sind die Kirchen zu politischer Neutralität verpflichtet? Oder gehört es gar zu ihrer Aufgabe mitzureden, da sie sich für sozial Benachteiligte einsetzen, wie ein Pfarrer gegenüber Blick argumentierte.

Es ist eine heikle Frage. Eine, auf deren Antwort das Bundesgericht nun verzichtet hat. Da die Initiative gescheitert ist, sei das Anliegen nun gegenstandslos, schreibt das Gericht. Zwar bestehe ein «gewisses Interesse» daran, inwiefern die Kirchen in politischen Debatten mitmischen dürfen. Doch geklärt werden solle die Frage nur dann, wenn sie auch einen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis hat. Theoretisch hätte das Bundesgericht das Resultat gar annullieren können.

«Warnschuss» an die Kirchen

Die Jungfreisinnigen, die in verschiedenen Kantonen Beschwerden eingereicht haben, zeigen sich enttäuscht, hat das oberste Schweizer Gericht auf einen Leitentscheid verzichtet. Präsident Matthias Müller (28) interpretiert das Ergebnis dennoch als Sieg: «Das ist als Warnschuss zu verstehen», findet er an die Adresse der Kirchen gerichtet.

Sollten sich diese in künftigen Abstimmungskämpfen engagieren, werde der Jungfreisinn erneut rechtliche Schritte erwägen. Und auch sonst will die Jungpartei auf kantonaler Ebene aktiv werden – «um den politischen Spielraum der Kirchen rechtlich eng zu halten».

Knatsch geht weiter

Das Komitee «Kirche für Konzernverantwortung» hingegen ist zufrieden. Dass sich Kirchen zu grundlegenden ethischen Fragen äusseren, gehöre zu «einer lebendigen Demokratie und einer aktiven Zivilgesellschaft» dazu. «Der Versuch, den Kirchen einen Maulkorb zu verpassen» zeuge nicht von grossem Vertrauen in Demokratie und Stimmbevölkerung.

Enttäuscht sein dürften auch die betroffenen Kantone – die sich gewünscht hätten, dass das Bundesgericht in dieser heiklen Frage eine Richtlinie liefert. Ebenso die Bundeskanzlei: In ihrer Stellungnahme beurteilte sie das Engagement der Kirche als «grenzwertig» – und schrieb, die Anforderung an kirchliche Interventionen müsste geprüft werden.

Darauf hat das Bundesgericht nun verzichtet. Erledigt ist das Thema aber noch lange nicht, denn der nächste Knatsch steht schon auf dem Programm. So standen zuletzt die ökumenischen Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer wegen einer Kampagne für mehr Klimagerechtigkeit in der Kritik. Ein Engagement, das, wie die «Luzerner Zeitung» kürzlich berichtete, Bauern und Politikern sauer aufstösst. (gbl)


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