Im März werden Medikamente knapp
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Folgen des Coronavirus:Im März werden Medikamente knapp

Bund und Kantone haben Pandemieplan ungenügend umgesetzt
Ex-Chef des BAG spricht von «harten Realitäten»

Bund und Kantone haben sich nicht genügend auf die grassierende Corona-Epidemie vorbereitet – obwohl sie es besser wussten. Das sagt niemand anders als Thomas Zeltner, ehemaliger Chef des Bundesamts für Gesundheit.
Publiziert: 25.03.2020 um 10:13 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2020 um 14:17 Uhr
Daniel Ballmer

In der Corona-Krise fehlt es an Schutzmasken, Medikamenten und wohl bald auch an Intensivbetten. Die Spitäler sind langsam, aber sicher am Anschlag. Kein Wunder: Bund, Kantone und Armee haben es schlicht verpasst, sich auf eine solche Pandemie vorzubereiten – dabei hätten sie es besser gewusst.

Schon 2004 hat der Bund nämlich einen Pandemieplan vorgelegt, der nötige Massnahmen auflistet, um einer Epidemie standhalten zu können. So wäre es etwa an den Kantonen gewesen, für genügend Kapazitäten und Material in den Spitälern zu sorgen.

Schweiz muss nun die Versäumnisse ausbaden

Passiert ist wenig. Das zeigt ein Gutachten, das Thomas Zeltner (72) im Auftrag des Verteidigungsdepartements erstellt hat. «Entsprechend wird man nun vor harte Realitäten gestellt», sagt er. Und Zeltner muss es wissen. Immerhin war er bis 2009 selber Chef des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Die Schweiz wurde von der Corona-Krise überrumpelt. In den Spitälern fehlte es gerade am Anfang an Material und Kapazitäten. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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Der 38 Seiten lange Bericht liegt dem Bund bereits seit Dezember 2018 vor. Veröffentlicht wurde er aber erst im vergangenen Januar – ohne, dass ihn die Öffentlichkeit wahrgenommen hätte.

Keine Reserven, dafür Doppelspurigkeiten

Die Versäumnisse sind vielfältig – und an vielen Orten zu suchen, wie eine
Übersicht zeigt.

  • Nach dem Gutachten hätten 2018 zur Bewältigung einer Epidemie 4250 Spitalbetten gefehlt. Bis heute haben die Kantone diese Reserven nicht in ihre Planung aufgenommen. Vielmehr richteten sie ihren Fokus darauf aus, Betten abzubauen, damit die stetig steigenden Gesundheitskosten nicht noch mehr aus dem Ruder laufen. Gleichzeitig versäumten sie es, der Forderung des Bundes nach einer minimalen Reserve an Medikamenten, Medizinprodukten und Labormaterialien nachzukommen.
  • Nicht besser sieht es beim Zivilschutz aus. Er verfügt zwar über 94 geschützte Spitäler. Die meisten sind aber völlig veraltet. Zudem: Es gibt kaum noch Zivilschützer, welche die Spitäler betreiben können. Dies, weil der Sanitätsdienst im Zivilschutz 2004 ersatzlos gestrichen worden ist. Er müsse unbedingt wieder eingeführt werden, zitiert das «Echo der Zeit» von Radio SRF Benno Bühlmann vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Beim Parlament fand er damit jedoch kein Gehör.
  • Ähnlich desolat ist die Situation bei der Armee. Diese hatte einst neun Militärspitäler für den Krisenfall. Fünf davon sind verkauft. Drei weitere sind nicht mehr einsatzbereit. Bleibt das unterirdische Militärspital in Einsiedeln. Doch: Die Armeespitze erachtet es für Einsätze bei einer Pandemie als nicht geeignet.
  • Und das ist noch immer nicht alles. Schon 2015 warnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in einem Dossier davor, dass die Schweiz auf eine Pandemie schlecht vorbereitet sei. Gleichzeitig seien die Behörden viel zu kompliziert aufgestellt, um rasch auf eine sich ausbreitende Pandemie reagieren zu können: das Bundesamt für Gesundheit, der Bundesstab Bevölkerungsschutz, das Sanitätsdienstliche Koordinationsgremium, das Koordinationsorgan Epidemien­gesetz oder der Koordinierte Sanitätsdienst.

Zeltner: Lehren aus der Krise ziehen

Reibungen seien da programmiert, berichtete auch der «Beobachter». Er stützte sich auf einen ebenfalls 2018 erschienen Bericht, der Widersprüchlichkeiten und Schwachstellen zwischen den beteiligten Gremien aufzeigt. Doppelspurigkeiten werden kritisiert und mögliche Kompetenzkonflikte, welche die Handlungsfähigkeit des Bundes einschränken können. Auch hier wurde schon lange Handlungsbedarf erkannt.

Noch seien aus der Corona-Krise kaum neue Erkenntnisse zu ziehen, sagt Ex-BAG-Chef Zeltner. «Die eigentliche Lehre ist, dass man sich an die Empfehlungen des Pandemieplans hätte halten sollen.»

Gleichzeitig aber sei eine «unglaubliche Welle an Hilfsbereitschaft und Kreativität» festzustellen. Und Zeltner hat auch Lob an die Behörden: «Der Bundesrat und das BAG reagieren bisher ruhig und professionell auf die Krise – gerade angesichts der schwierigen Ausgangslage.»

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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