Bürgerliche Renten-Reform will dritte Säule ausbauen – Linke läuft Sturm
500-Millionen-Steuergeschenk für Gutverdiener

Der öffentlichen Hand drohen Steuerausfälle von mehr als 500 Millionen Franken jährlich. Die Bürgerlichen möchten die Pensionskassen-Reform nämlich auch gleich für Steuererleichterungen bei der dritten Säule nutzen. Das ärgert die Linke.
Publiziert: 28.10.2021 um 00:55 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2021 um 07:02 Uhr
Ruedi Studer

Es geht um ein Mammutgeschäft und Milliardensummen: die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Über dieser brütet diese Woche einmal mehr die nationalrätliche Sozial- und Gesundheitskommission. Zuletzt hat sich gegen die Bundesratsvorlage ein bürgerliches Alternativmodell durchgesetzt, das Topverdiener schont. Zum Ärger der Linken.

Zusätzlich auf die Palme bringt die Linke ein Element, das eine knappe bürgerliche Mehrheit vor den Sommerferien im Paket unterbrachte. «Die Kommission will die Möglichkeiten der freiwilligen Vorsorge erweitern», heisst es in der Medienmitteilung von damals. So sollten etwa auch die steuerfreien Beiträge an die dritte Säule erhöht werden – und zwar deutlich.

Einen entsprechenden Antrag hatte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42) eingebracht. Versicherte, die einer Pensionskasse angehören, sollen künftig bis zu 10'324 statt wie aktuell 6883 Franken in die dritte Säule einzahlen können. Bei Selbständigerwerbenden ohne Pensionskasse würde der Maximalbetrag von 34'416 auf 37'857 Franken steigen. Die Beiträge können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden – mit spürbaren Folgen für die öffentlichen Kassen.

Die Reform der beruflichen Vorsorge nutzen die Bürgerlichen, um Steuererleichterungen für Gutverdienende einzubauen.
Foto: Keystone
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Über eine halbe Milliarde Franken

Ein neuer Bericht des Bundesamts für Sozialversicherungen zeigt das volle Ausmass der Einbussen: Der Bundeskasse gehen bis zu 170 Millionen Franken jährlich flöten. Bei Kantonen und Gemeinden würden gut 340 Millionen wegfallen. Ein Steuerausfall von mehr als einer halben Milliarde Franken! Zumindest, wenn all jene den höheren Abzug nutzen, die heute schon den Höchstbetrag geltend machen.

Das Bundesamt spricht mit Verweis auf andere geplante Steuererleichterungen von einer «unverhältnismässigen Erweiterung».
Die Beitragserhöhung komme nur einer «begrenzten Gruppe von Steuerpflichtigen zugute». Gemäss Bericht zahlt zwar knapp ein Drittel der Steuerpflichtigen Beiträge in die dritte Säule ein – den Maximalbetrag können sich aber nur gut elf Prozent leisten.

SP-Gysi: «Vorlage wird für Steuergeschenke missbraucht»

Für SP-Nationalrätin Barbara Gysi (57, SG) ist daher klar: «Die Erhöhung ist eine unnötige Steuererleichterung für Besserverdienende. Normalverdienende haben kaum eine Chance, davon zu profitieren.» Dass die Bürgerlichen die Anpassung nun in die BVG-Reform packen wollen, stört sie besonders. «Die Vorlage wird so für Steuergeschenke missbraucht.»

Das bürgerliche Reformmodell sei auch so schon unsolidarisch genug. «Die Bürgerlichen überladen diese Vorlage massiv. Folgt das Parlament bei den Ausgleichsmassnahmen nicht der Bundesratsvorlage, wird das Referendum unausweichlich», betont die SP-Politikerin.

FDP-Nantermod: «Rente verbessern»

FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (37) hingegen verteidigt den höheren Steuerabzug. «Ja, es kostet die öffentliche Hand Geld», sagt der Walliser. «Aber es ist ein starker Anreiz, in der dritten Säule zu sparen, was für die Gesellschaft im Allgemeinen sehr positiv ist.»

Durch gesetzliche Einschränkungen und tiefe Zinsen würden die Renten derzeit sinken. «Die geplante Massnahme ermögliche es den Bürgern, ihre Rente zu verbessern. «Das ist ein Gewinn für die Bürger», meint Nantermod.

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