Bürgerliche planen SRG-Angriff – Chiesa spurt vor
SVP-Präsident boykottiert Tessiner Fernsehen

SVP-Chef Marco Chiesa zeigt RSI die kalte Schulter: Seit Monaten spricht er nicht mehr mit dem Tessiner SRF-Pendant. Bald dürfte der Frontalangriff auf die SRG folgen.
Publiziert: 07.02.2022 um 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2022 um 15:41 Uhr

In der Regel stehen Politikerinnen und Politiker jenen Medien nah, die aus derselben Region kommen wie sie. Es macht schliesslich Sinn, bei denjenigen Menschen besonders präsent zu sein, die einen wählen.

SVP-Präsident Marco Chiesa (47) aber will vom Tessiner Radio und Fernsehen RSI derzeit nichts wissen. Seit Monaten boykottiert der Tessiner Ständerat das italienischsprachige SRF-Pendant. Chiesa sei seit Oktober in keine Informationssendung von RSI mehr gekommen, sagt RSI-Informationschef Reto Ceschi zu den Zeitungen von CH Media. «Und er spricht auch nicht mehr mit uns.» Vor den Abstimmungen am 28. November vergangenen Jahres teilte die Tessiner SVP per Medienmitteilung mit, sie gebe am Abstimmungssonntag nur privaten Medienvertreterinnen und -vertretern Auskunft.

Zwist wegen 1. August

Zum Zerwürfnis zwischen RSI und Chiesa soll es vergangenen Sommer gekommen sein. Die Tessiner SVP feierte in einem Grotto in Lugano den 1. August. RSI berichtete nicht über die Veranstaltung – was für den SVP-Boss unverständlich war. «Schande, RSI», schimpfte er in einem Video, das er auf Facebook veröffentlichte. Die Tessiner SVP forderte gar den Rücktritt von RSI-Informationschef Ceschi. Dieser verteidigt den Entscheid, keinen Journalisten an den SVP-Anlass zu schicken. Ein SVP-Beitrag mache am 1. August keinen Sinn, schliesslich sei das kein Partei-, sondern ein Nationalfeiertag.

SVP-Präsident Marco Chiesa ist laut RSI seit Oktober nicht mehr in einer Informationssendung aufgetreten.
Foto: Keystone
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Laut CH Media ist man bei RSI überzeugt, dass der Boykott mit der schon seit langem angekündigten Gebühren-Initiative in Zusammenhang steht. Schon 2017 drohte die SVP damit, eine Initiative zur Kürzung der Serafe-Gebühren zu lancieren. Statt der heute 335 Franken soll jeder Haushalt nur noch 200 Franken pro Jahr für die SRG und lokale Radio- und TV-Sender zahlen. Die Rede ist auch von einer Halbierungs-Initiative, weil die Gebühren bis Ende 2020 noch 365 Franken pro Jahr betrugen.

Gebühren-Initiative in der Pipeline

SVP-Präsident Chiesa bestreitet den Zwist mit RSI, sagt aber, es sei «inakzeptabel», dass die SRG «als mächtigstes Medium der Schweiz die Welt mehrheitlich aus einer linken Optik beschreibt». Und er ergänzt: «Daher dürfte eine Volksinitiative, die eine Halbierung der Zwangsgebühr auf 200 Franken vorsieht, in der Bevölkerung breite Unterstützung finden.»

Ein überparteiliches Initiativ-Komitee ist sich offenbar bereits am Formieren. Zwei der Mitglieder: der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter (55) und Gewerbeverbands-Direktor und ehemaliger FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler (63). Auch amtierende FDP-Politiker sollen dabei sein. Wie CH Media berichtet, dürfte die Initiative wenige Monate nach der Abstimmung über das Mediengesetz vom 13. Februar lanciert werden.

Verfassungsfreunde mit am Start

Auf Unterstützung wird die SVP auch aus den Reihen der Corona-Massnahmenkritiker zählen können. Der Verein «Freunde der Verfassung» hat bereits signalisiert, dass man sich durchaus vorstellen könnte, bei der Unterschriftensammlung zu helfen.

Ein Versuch, die Radio- und Fernsehgebühren ganz abzuschaffen, ist 2018 gescheitert. 72 Prozent der Stimmbevölkerung lehnten die No-Billag-Initiative ab. Nun steht für die SRG der nächste Kampf an. (lha)

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