Breite Parteien-Allianz gegen die Justiz-Initiative
«Das Bundesgericht ist kein Casino»

Sollen Bundesrichterinnen und Bundesrichter künftig per Los ausgewählt werden? Vertreterinnen und Vertreter aller grossen Parteien halten die Idee der Justiz-Initiative für Humbug. An einer Medienkonferenz erklären sie, warum.
Publiziert: 25.10.2021 um 13:49 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2021 um 15:18 Uhr

Parteivertreterinnen und -vertreter von links bis rechts werben gemeinsam für ein Nein zur Justiz-Initiative. Ein Losverfahren für Richterwahlen, wie es die Initiative vorsieht, gefährde die demokratische Legitimität der Richter, warnen sie.

Das aktuelle System garantierte eine ausgewogene Besetzung des Bundesgerichts nach Geschlechtern, Sprachen und politischen Weltanschauungen, sind die Initiativ-Gegner überzeugt. Heute werden die Bundesrichterinnen und -richter von Parteien gestellt und vom Parlament gewählt. Ein im internationalen Vergleich einzigartiges Modell.

«Richter wollen gewählt werden»

Laut dem Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni ist die demokratische Legitimation des Bundesgerichts ein zentrales Element des Rechtsstaats. «Wenn man eine Umfrage am Bundesgericht machen würde, wie die Bundesrichter ins Amt kommen möchten, wäre die Antwort klar: Sie möchten gewählt – und nicht ausgelost werden.»

Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SP bis SVP kämpfen für ein Nein zur Justiz-Initiative.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Initiative sei auch inkonsequent, weil sie das Losverfahren nur für das Bundesgericht einführen wolle. Bei allen anderen Gerichten würde das bisherige System bestehen bleiben. Man wüsste also, von welcher Partei die Richter kommen, erklärt Caroni, das für die Initianten eigentliche Problem bleibe bestehen.

Computer statt Richter

«Das Bundesgericht ist kein Casino», sagt die Genfer SP-Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle. «Eine Lotterie darf das demokratische System nicht ersetzen.» Das Losverfahren werde auch den komplexen Aufgaben, mit denen sich Bundesrichter befassen würden, nicht gerecht.

«Zentral bei der Ausführung des Bundesrichteramtes ist das richterliche Ermessen, das in ein Urteil einfliesst», sagt Nationalrat Beat Flach (GLP, AG). «Ohne dieses Ermessen können wir auch einen Computer, der mathematisch ausrechnet, wie das Urteil aussieht, als Richter einsetzen.» Schliesslich werde auch beim Losverfahren die Frage gestellt, was für eine Persönlichkeit sich für das Amt zur Verfügung stelle. «Dann würde man auch fragen, welcher Partei der Kandidat am nächsten steht.»

Es leuchte auch nicht ein, die Kompetenz für die Wahl der Kommission, die das Losverfahren durchführen solle, dem Bundesrat zu übertragen, findet der Genfer Grünen-Nationalrat Nicolas Walder. Mit diesem Schritt würden Entscheide von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern nicht breiter akzeptiert – im Gegenteil. Das vom Volk gewählte Parlament repräsentiere ja den Volkswillen.

Auch in der Wirtschaft entscheide nicht das Los

«In der Wirtschaft würde niemand Personalentscheide aufgrund eines Losverfahrens durchführen», stellt die Urner Ständerätin Heidi Z'graggen (Mitte) aus. Personalentscheide müssten von Menschen getroffen werden. Zudem sei die regelmässige Wiederwahl oder eben auch Nicht-Wiederwahl «zentral für die Legitimierung der Richter». Die Auswahl per Los verhindere die Wiederwahl alle sechs Jahre.

«Das Losverfahren würde dazu führen, dass schlechter qualifizierte guten Richtern vorgezogen würden», warnt SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Das Initiativkomitee könne schliesslich in keinem einzigem Fall aufzeigen, dass Richter beeinflusst worden seien. «Parteipolitik wird am Bundesgericht ganz bestimmt nicht betrieben», sagt Steinemann.

Noch ist die Zustimmung relativ hoch

In den Umfragewerten zeigt sich der Schulterschluss der Fraktionen nicht – oder noch nicht. Laut einer ersten Umfrage von gfs.bern im Auftrag der SRG, ist das Rennen noch offen. Die Umfrage wurde vergangenen Freitag publiziert. Eine sehr knappe Mehrheit von 43 Prozent der Stimmberechtigten befürwortet die Justizinitiative, 42 Prozent sind dagegen. Jedoch hatten sich erst 39 Prozent der Befragten fünf Wochen vor der Abstimmung eine klare Meinung gebildet. Die Abstimmung findet am 28. November statt. (SDA)

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