Sie bringen Schweizer in die Heimat zurück
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Tausende im Ausland gestrandet:Sie bringen Schweizer in die Heimat zurück

Botschafter Johannes Matyassy über die Rückhol-Aktionen für gestrandete Touristen
«Manche Schweizer haben eine Vollkaskomentalität»

Die Schweiz fliegt im Moment Tausende Bürger aus dem Ausland zurück. Johannes Matyassy (62), Direktor der Konsularischen Dienste, reagiert auf Kritik von Schweizern, die sich vernächlässigt fühlen.
Publiziert: 01.04.2020 um 22:40 Uhr
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Aktualisiert: 29.12.2020 um 08:44 Uhr
Interview: Tobias Brugmann

Das Aussendepartement (EDA) führt während der Corona-Krise eine «bisher noch nie dagewesene» Rückholaktion für Schweizer im Ausland durch – begleitet von kritischen Stimmen von Touristen, die sich alleingelassen fühlen. Johannes Matyassy (63), Direktor der Konsularischen Dienste nimmt im BLICK-Interview Stellung.

BLICK: Herr Matyassy, Schweizer beklagen sich, dass das EDA nicht erreichbar sei und sich nur schlecht um sie kümmere. Warum ist das so?
Johannes Matyassy: Die Anrufer stehen unter einem enormen Druck, haben viele Probleme. Das verstehen wir sehr gut. Aber auch wir mussten uns zuerst auf die neue Situation einstellen und die Organisation hochfahren. Die EDA-Angehörigen in Bern und in unseren Vertretungen leisten – zusammen mit den Fluggesellschaften – eine enorme Arbeit.

Funktioniert die Helpline jetzt reibungslos?
Ja. Wir erhalten sehr viele Dankesmails von Leuten, die zurückgekehrt sind. Aber das kommt natürlich nicht in den Medien. Auch die Gespräche an der Helpline sind sachlicher geworden.

Der Bund holt Schweizer im Ausland zurück – und chartert dafür eigene Flieger.
Foto: keystone
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Warum gab es zu Beginn diese Probleme?
Wir beim EDA sind uns gewohnt, mit Krisen umzugehen. Aber einen solchen fast weltweiten Shutdown habe ich noch nie erlebt. Wir mussten rasch zusätzliches Personal aus anderen Abteilungen holen. Gleichzeitig wurden wir schon mit Anfragen überschwemmt, auf die wir noch keine Antworten hatten. Hinzu kamen am Anfang technische Probleme. Es hat einen Moment gebraucht, bis wir allen antworten konnten. Wir bedauern das.

Mit welchen Erwartungen rufen die Menschen auf der Helpline an?
Manche Schweizer haben eine Vollkaskomentalität – und das Gefühl, mit dem Schweizer Pass werde ihnen der rote Teppich ausgerollt. Doch in einer solchen globalen Krise werden wir halt auch nicht verschont. Zuerst muss man aber eigenverantwortlich handeln und versuchen, selbst einen Rückflug zu organisieren. Ohne diese Eigeninitiative vieler würden noch mehr Leute auf einen Rückflug warten. Deshalb hat das EDA zuerst die Reisenden zur Rückkehr aufgefordert und erst in einer zweiten Phase die Rückflüge gestartet. Wir sind dankbar, dass so viele selbst zurückgekehrt sind.

Der Botschafter

Johannes Matyassy ist Direktor der Konsularischen Direktion. Diese betreibt die Helpline EDA, unterstützt die Botschaften im Ausland und fördert die Interessen der Auslandschweizer. Die Rückholaktion im Zuge der Corona-Krise brachte Stand Mittwochabend rund 1850 Schweizer in ihre Heimat.

Johannes Matyassy ist Direktor der Konsularischen Direktion. Diese betreibt die Helpline EDA, unterstützt die Botschaften im Ausland und fördert die Interessen der Auslandschweizer. Die Rückholaktion im Zuge der Corona-Krise brachte Stand Mittwochabend rund 1850 Schweizer in ihre Heimat.

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Wie erklären Sie sich diese hohe Erwartungshaltung?
Manche unterschätzen die Schwierigkeiten, haben auf ihrer Reise vielleicht gar nicht mitbekommen, was weltweit abgeht. Sie erholen sich an abgelegenen Orten und realisieren erst in der Schweiz – im leeren Zug –, was los ist.

Wie viele Schweizer sind noch im Ausland?
Ich kann keine genaue Zahl nennen. Auf unserer Travel-Admin-App sind noch 12'863 Reisende registriert. Aber nicht alle nutzen die App – die Dunkelziffer dürfte gross sein. Deshalb bitte ich alle, die noch im Ausland weilen, die App herunterzuladen und ihre Reise zu registrieren. So können wir die Rückflüge besser planen.

Wie viele Rückflüge bieten Sie noch an?
Wir wollen so lange wie möglich Menschen zurückholen. Aber das Problem sind nicht nur die Flüge. Die Schweizer suchen die Einsamkeit, sie reisen an abgelegene Orte, weit weg vom Flughafen. Also müssen sie zuerst dorthin gelangen. Das ist schwierig, wenn eine Ausgangssperre verhängt wurde, und benötigt diplomatisches Geschick.

Dürfen auch Ausländer mit den Schweizer Flugzeugen mitfliegen?
Ja. Solidarität ist ein wichtiger Teil unserer Strategie. In Indien zum Beispiel versuchen wir jetzt, Schweizer auch mit ausländischen Fliegern zurückfliegen zu lassen. Bisher haben wir 742 Ausländer mit Schweizer Flugzeugen zurückgeholt, gleichzeitig sind 725 Schweizer mit ausländischen Maschinen retourgeflogen. Es gleicht sich aus und zeugt von der grossen Solidarität, die herrscht.

Was passiert mit den Schweizern, die nicht zurückgeholt werden können?
Es kann Fälle geben, in denen Leute im Land bleiben müssen. Diese müssen sich zuerst eigenverantwortlich organisieren. Wenn es Probleme gibt, können sie sich an die zuständige Schweizer Vertretung wenden, die auch finanziell aushelfen kann.

Um wie viel Geld geht es da?
Wir verteilen das Geld nicht mit der Giesskanne. Wir schauen, wer wirklich bedürftig ist oder wer sich Geld aus der Schweiz senden lassen kann. Innerhalb Europas ist die Maximallimite 600 Franken, in anderen Ländern sind es 1200 Franken. Dazu kann für medizinische Hilfe 2200 Franken gesprochen werden.

Haben Sie aktuell schon Finanzhilfen geleistet?
Ja, es dürfte sich um einige wenige Fälle handeln. Wir haben noch keine genaue Übersicht, weil das in der Kompetenz der örtlichen Vertretung liegt.

Muss das Geld zurückbezahlt werden?
Ja, diese Notkredite, müssten innerhalb von 60 Tagen zurückbezahlt werden. Es ist uns aber klar, dass dies in der jetzigen Situation nicht immer möglich ist. Wir klären das direkt mit den Betroffenen. Betreiben werden wir niemanden.

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