Blick-Pong Mattea Meyer (SP) vs. Philippe Nantermod (FDP)
Ist die Schweiz ein Steuerparadies?

Die eine ist Co-Präsidentin der SP, der andere Vizepräsident der FDP. Alle zwei Wochen streiten die Deutschschweizerin Mattea Meyer und der Romand Philippe Nantermod über ein aktuelles Thema. In der ersten Folge geht es ums «Steuerparadies» Schweiz.
Publiziert: 04.06.2021 um 14:42 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2021 um 15:51 Uhr
Adrien Schnarrenberger und Sermîn Faki

«Steuerparadiese wie die Schweiz»: Der Satz, den Joe Biden kürzlich in einer Rede vor dem Kongress fallen liess, hat es in sich. Der neue US-Präsident zeigt damit Ländern mit attraktiven Steuerregimes seine Zähne. Die USA sind der Meinung, dass kein Land Firmengewinne mit weniger als 21 Prozent besteuern sollte. Das hat der Diskussion um einen minimalen Unternehmenssteuersatz neuen Auftrieb gegeben.

Das ist der Blick-Pong

Deutschschweiz und Romandie ticken einfach anders – auch in der Politik. Wie sehr, zeigt sich im neuen Format Blick-Pong.

Dabei duellieren sich je zwei Politiker über den Röstigraben hinweg – und zwar per Whatsapp. Das Thema wird von der Blick-Redaktion vorgegeben und dann geht es los. Ist fertig gestritten, wird der Chat veröffentlicht.

Für den Blick-Pong werden sich im Wochenwechsel folgende Duos schreiben:

  • SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33, ZH) vs. FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod (37, VS)
  • Mitte-Nationalrat Martin Candinas (40, GR) vs. die grüne Nationalrätin Léonore Porchet (31, VD)

Deutschschweiz und Romandie ticken einfach anders – auch in der Politik. Wie sehr, zeigt sich im neuen Format Blick-Pong.

Dabei duellieren sich je zwei Politiker über den Röstigraben hinweg – und zwar per Whatsapp. Das Thema wird von der Blick-Redaktion vorgegeben und dann geht es los. Ist fertig gestritten, wird der Chat veröffentlicht.

Für den Blick-Pong werden sich im Wochenwechsel folgende Duos schreiben:

  • SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33, ZH) vs. FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod (37, VS)
  • Mitte-Nationalrat Martin Candinas (40, GR) vs. die grüne Nationalrätin Léonore Porchet (31, VD)
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Braucht es ein solches globales Abkommen? Immerhin gibt es heute grosse Unterschiede. In der Europäischen Union werden Unternehmen mit durchschnittlich 24,5 Prozent besteuert – fast doppelt so hoch ist wie der Schweizer Durchschnitt. Mit Ausnahme von Dubai und Bermuda (keine Steuer) hat der Kanton Zug die niedrigste Besteuerung: 11,9 Prozent.

Braucht es daher eine globale Steuer, um den Wettbewerb zwischen den Staaten zu vermeiden? Die Debatte wurde die ganze Woche über WhatsApp geführt.

Mattea Meyer ist Co-Präsidentin der SP Schweiz.
Foto: Valeriano Di Domenico
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Cher Philippe, seien wir ehrlich: Die Schweiz ist ein Steuerdumping-Land. Der durchschnittliche ordentliche Gewinnsteuersatz liegt in der Schweiz aktuell bei 14,9 Prozent. In Europa haben nur ein paar südosteuropäische Länder und die britischen Kanalinseln tiefere Steuern als Zug oder Luzern.

Wir sollten als Schweiz endlich damit aufhören, das zerstörerische Rennen um Tiefst-Steuern anzuheizen. Und stattdessen mit den USA und anderen Ländern für eine angemessene, globale Gewinnbesteuerung sorgen. Bist du dabei?

Dumping ist Betrug, unlauterer Wettbewerb. Die Schweiz ist ein echtes Land, mit echten Infrastrukturen, Autobahnen, Schulen, Krankenhäusern. Wir finanzieren diese mit fairen und gerechten Steuern. Das ist weder Betrug noch Dumping! Das ist einfach gutes Management.

Es ist nicht unsere Schuld, dass andere Staaten wie die USA sich in Verschwender verwandelt haben, indem sie mehr und mehr ausgeben, als sie einnehmen. Frankreich hat zum Beispiel keinen ausgeglichenen Haushalt mehr gehabt, seit – 1974.

Konzerne profitieren von qualifizierten Erwerbstätigen, pünktlichen Zügen, guten Spitälern. Aber sie zahlen heute einen viel kleineren Teil ihres Profits an diese Leistungen als noch vor 20 Jahren. Damals waren die Unternehmenssteuern über 20 Prozent. Seither wurden Gewinne steuerlich entlastet, Löhne und Renten aber belastet. Das ist weder gerecht noch ausgewogen.

Konzerne verschieben ihre Gewinne mit Steuertricks von Land zu Land, um Steuern zu umgehen. Als Antwort kann es dafür nur weltweit gültige Mindest-Steuersätze geben.

Wir sprechen hier nicht nur von multinationalen Konzernen, sondern von allen Unternehmen! Seit der Steuerreform und Finanzierung der AHV (STAF) ist die Besteuerung für alle juristischen Personen gleich – sowohl für KMU als auch für grosse Konzerne. Diese Unternehmen sind unsere Stärke. Sie mehr zu besteuern, wird nur dazu führen, dass die Staatsausgaben, die bereits hoch genug sind, noch mehr steigen!

Nicht umsonst fordern ja schlecht regierte und defizitäre Staaten diese globale Mindeststeuer: Sie sind verzweifelt. Aber das Problem liegt bei ihnen, nicht bei uns.

Wir alle wissen, dass die KMU ihre Steuern bezahlen, während Konzerne mithilfe von dubiosen Konstrukten und teuren Steueranwälten praktisch nichts mehr bezahlen. Und das geschieht auf Kosten von uns allen: Wenn Konzerngewinne wieder anständig besteuert werden, sind Steuersenkungen auf Einkommen der normalen Bevölkerung möglich.

Das stimmt doch nicht – mit der STAF wurden die Steuerprivilegien abgeschafft. Und diese Unterscheidung zwischen multinationalen Unternehmen und KMU ist nur Show. In meiner Region vergeben zwei multinationale Unternehmen Aufträge an 250 KMU und schaffen so Tausende von Arbeitsplätzen. Wir müssen aufhören, diesen künstlichen Gegensatz zwischen dem freundlichen Kleinen und dem grausamen Grossen zu behaupten. Und vor allem: Das ist nicht der Punkt. Joe Biden will die Steuern für alle Unternehmen erhöhen. Für Novartis und für meinen Coiffeur.

Sprich mal mit deinem Coiffeur: Für ihn sind nicht Gewinnsteuern ein Problem, sondern überhöhte Gewerbemieten. Hier verhindert ihr jede Verbesserung.

Gerade Frankreich zeigt, wie ruinös das Steuer-Abrüsten ist: Konzerne wechseln ihre Hauptsitze in Tiefsteuerländer wie die Schweiz. Auf diesem Weg werden nicht nur Steuereinnahmen verschoben, sondern auch vernichtet. Das dient nur Grossaktionären, die es am wenigsten nötig haben. 🙄

Mein Coiffeur wird dir sagen, dass dass du damit einen Eckball schiesst. Aber das hat nichts damit zu tun: Alle Unternehmen haben Ausgaben, die höher sind als ihre Steuern – na und?

In Frankreich fliehen Unternehmen aus der Steuerhölle. Und trotzdem sind die Staatseinnahmen ebenso wenig gesunken wie die Schulden. Ich bezweifle, dass eine weitere Steuererhöhung die Situation in einem Land mit zehn Prozent Arbeitslosigkeit verbessern kann.

Und das ist ja die Frage: Wollen wir den schlecht regierten Ländern folgen, die jetzt einen Mindeststeuersatz für alle einführen wollen, oder behalten wir unser Erfolgsmodell?

Erfolgsmodell?! Es ist zerstörerisch, wie sich Kantone gegenseitig mit Tiefsteuern zu Leide werken. Der Kanton Luzern senkte seine Unternehmenssteuer ins Bodenlose. Daraufhin wurden dort Prämienverbilligungen gekürzt, weil das Geld fehlte. 🤦‍♀️

Das Gleiche gilt weltweit. Steuerdumping vernichtet Steuereinnahmen und nimmt Menschen die Lebensgrundlage. Ärmeren Ländern entgehen jährlich 200 Milliarden Dollar, weil Konzerne ihre Steuern nicht zahlen. Das übersteigt die Entwicklungshilfe bei weitem!

Das ist wirklich eine Besessenheit, dieser Krieg gegen multinationale Konzerne ... Ja, die Schweiz ist ein Erfolgsmodell. Wir übertreffen andere in allen Bereichen: bei der Lebensqualität, der Bildung, der Infrastruktur, der Kaufkraft, beim Gesundheitswesen, der Beschäftigung, der Sicherheit. Und das alles mit einem attraktiven Steuersystem. Wir sind der Beweis, dass es möglich ist.

Wir rauben niemanden aus. Unser System ist einfach wettbewerbsfähiger, umso besser! Auf der anderen Seite wollen die Staaten, deren Staatskasse so löchrig ist wie ein alter Korb, uns in die Tasche greifen, um die riesigen Projekte ihrer sozialistischen Anführer umzusetzen. Verzeihen Sie, wenn ich da Einspruch erhebe.

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