«Es gibt keine Hinweise, dass die Zahlen falsch sind»
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Schnegg weist Vorwurf zurück:«Es gibt keine Hinweise, dass die Zahlen falsch sind»

Berner Test-Debakel immer absurder
BAG widerspricht Regierungsrat Schnegg

Der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg wehrt sich gegen den Vorwurf der Vertuschung. Bloss: Er tut das mit Aussagen, denen das BAG umgehend widerspricht.
Publiziert: 14.09.2021 um 01:41 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2021 um 07:01 Uhr
Danny Schlumpf

SonntagsBlick deckte auf: Der Kanton Bern vertuscht Corona-Zahlen an den Schulen. Die veröffentlichten Werte der Schultests waren viel zu tief: Das zuständige Labor in Münsingen BE wies unzählige positive PCR-Proben als negativ aus. Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (58) informierte die Öffentlichkeit aber nicht über den Zahlen-Schlamassel.

Gestern nun holte Schnegg zum Gegenschlag aus: «Verleumderisch» nannte er den Bericht an einer Pressekonferenz in Bern – und wies sämtliche Vorwürfe weit von sich. Stattdessen schob er die Schuld für das Debakel auf andere: Es sei nicht seine Aufgabe, die Labore zu kontrollieren. Und: Das Labor in Münsingen sei ihm vom BAG empfohlen worden. «Wenn Sie sich auf Corona testen lassen, gehen Sie davon aus, dass das Resultat stimmt», tadelte der Regierungsrat das Bundesamt und das Labor.

«Es gibt keine Hinweise, dass die Zahlen falsch sind»
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Schnegg weist Vorwurf zurück:«Es gibt keine Hinweise, dass die Zahlen falsch sind»
Der Kanton Bern hat die Schultests gestoppt.
Foto: Raphael Moser
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Schnegg unterschlägt entscheidenden Punkt

Wusste Schnegg also gar nichts von den falschen Zahlen? Wurde er am Ende vom BAG hinters Licht geführt? Kaum: Der Berner Gesundheitsdirektion war bekannt, dass die Resultate nicht stimmten.
Das beweist ein internes Dokument des Kantons, das der SonntagsBlick veröffentlichte. Es zeigt, dass die Zahlen sprunghaft anstiegen, als das Labor in Münsingen durch zwei andere Labore ersetzt wurde.

Doch auch das will Schnegg nicht gelten lassen: Der Anstieg entspreche eben der allgemeinen Entwicklung, sagte er gestern. Und dann zückte der Gesundheitsdirektor den Vorschlaghammer. Es sei genau umgekehrt: Die beiden Labors, die Münsingen ersetzten, hätten viele negative Fälle fälschlicherweise positiv ausgewiesen. So behauptet der Regierungsrat lapidar: «Niemand ist in der Lage zu sagen, welches Labor richtig gearbeitet hat.»

Hier aber unterschlägt Schnegg den alles entscheidenden Punkt: Eine Pool-Analyse beinhaltet die Speichelproben von bis zu zehn Schülern. Finden sich in einem Pool Spuren des Coronavirus, werden die Schüler aus dem Pool jeweils einzeln getestet. Diese Einzeltests wurden von einem weiteren Labor analysiert – und hier hat nie ein Laborwechsel stattgefunden.

Am einfachsten stellt man sich den Pool-Test als ein Sieb vor: Bleibt etwas hängen, wird ganz genau hingeschaut. Nach dem Wechsel des Pool-Labors blieben mehr positive Proben hängen – und die anschliessenden Einzeluntersuchungen haben diese Fälle dann bestätigt. Als am Montag vorvorletzter Woche das Labor in Münsingen die erste Siebung vornahm, wurden am Schluss drei positive Fälle entdeckt. Als die erste Siebung am Donnerstag dann von den zwei neuen Labors erfolgte, wurden 70 Fälle gefunden. Und kein einziger dieser Schüler, die an besagtem Donnerstag positiv auf Corona getestet worden waren, war falsch positiv!

BAG widerspricht dem Regierungsrat

Blick hat beim BAG trotzdem nachgefragt: Gibt es falsche PCR-Proben? «Echte falsch positive Proben mit der PCR-Analytik sind äusserst selten», schreibt das Amt und verweist dabei auf eine Studie aus Deutschland.
Dort wurden bei 13'000 Analysen zwei falsch positive gefunden.

Mit anderen Worten: Schneggs einziges Argument, das die Recherchen von SonntagsBlick zumindest hätte relativieren können, ist keins. Stattdessen muss sich der Regierungsrat jetzt nicht nur die Vertuschung zu tiefer Zahlen vorwerfen lassen, sondern auch das aktive Streuen falscher Informationen.

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