«Psychische Gewalt kommt am häufigsten vor»
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Leiterin zur LehrerInnenstudie:«Psychische Gewalt kommt am häufigsten vor»

Beleidigungen, Bedrohungen und Belästigungen
Gewalt gegen Lehrpersonen nimmt zu

Eine neue Umfrage soll zeigen, wie körperliche Gewalt gegen Lehrpersonen in der Deutschschweiz eskaliert. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz fordert präventive Massnahmen und bessere Unterstützung.
Publiziert: 16.01.2023 um 00:54 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2023 um 12:33 Uhr
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Beleidigungen, Mobbing, körperliche Angriffe – für viele Lehrpersonen ist das traurige Realität. Zwei von drei Lehrkräften haben in den vergangenen fünf Jahren Gewalt erlebt. Das schreibt der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) in einer Mitteilung. Heute Montag will er dazu eine Studie vorstellen.

Die erschütternden Erkenntnisse basieren auf einer repräsentativen Umfrage unter Lehrpersonen aller Altersstufen der Deutschschweiz. Am häufigsten sind Lehrerinnen und Lehrer psychischer Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder Einschüchterungen ausgeliefert.

Besonders krass: In den meisten Fällen geht die Gewalt von den Eltern aus. Aber auch Schülerinnen und Schüler würden gewalttätig. Das hat auch Lehrer Florian Huber* (30) bereits erlebt.

Eine neue Studie zeigt, dass in der Deutschschweiz die physische und psychische Gewalt gegen Lehrpersonen zugenommen hat.
Foto: KEYSTONE
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Ball in die Genitalien gepfeffert

Huber hat vor fünf Jahren – noch vor seiner Ausbildung zum Lehrer an der Pädagogischen Hochschule – als Stellvertreter eine dritte und vierte Klasse an einer Berner Schule unterrichtet. Er erzählt: «Ein Schüler hat mich damals bewusst immer wieder provoziert. Er hat während des Unterrichts gesprochen, war frech.»

Während eines Tests eskalierte die Situation. Weil der Schüler nicht geschwiegen habe, habe Huber dessen Test eingezogen. «Daraufhin hat sich erst sein Vater beschwert, später hat auch der Schüler jegliche Hemmungen mir gegenüber verloren. Er hat mir mit Gewalt vonseiten seines Vaters gedroht.»

Doch damit nicht genug: In einer hässigen Aktion habe der Schüler, so erzählt es Huber, ihm einen Ball voll in die Genitalien geworfen. «Das fand zwar in einem spielerischen Kontext statt, aber der Schüler hat das mit voller Absicht getan, er wusste genau, was er tat.» Huber sagt, er habe damals nicht gewusst, wie reagieren, habe den Vorfall einfach weggelächelt. Und: «Mir hat der Rückhalt der Schule gefehlt.»

«Ich war machtlos»

«Mich hat dabei am meisten erstaunt, dass mich ein zehnjähriger Schüler so krass an die Grenze bringen und ausspielen konnte. Ich war machtlos», erzählt Huber. Das habe er nie mehr erlebt – vor allem auch nicht an der Oberstufe mit älteren Schülerinnen und Schülern.

Bloss: Dass auch ältere Schülerinnen und Schüler Gewalt ausüben können, zeigen Übergriffe aus der jüngsten Zeit. Es sind Vorfälle, die schockieren.

  • März 2022, Goldach SG: In der Unterstufe an einer Schule wollte eine Lehrerin einen Streit zwischen zwei Schülern schlichten – und bekam kurzerhand selbst Schläge eines Drittklässlers ab. Am Ende musste die Kantonspolizei ausrücken.
  • April 2019, Freiburg: Eine Sekundarschülerin packt den Lehrer im Klassenzimmer, wirft ihn zu Boden und schlägt immer weiter auf ihn ein. Die Klassenkameraden müssen einschreiten. Der Lehrer (50) erleidet leichte Verletzungen. Psychisch nimmt ihn der Angriff mit.
  • März 2018, Luzern: Eine Berufsschule spricht wegen Drohungen gegen Lehrer ein Hausverbot gegen einen 17-jährigen Lehrling aus. Drei Monate später kehrt dieser trotzdem zurück und schlägt seinen Lehrer spitalreif.

Hohe Dunkelziffer

Die Formen physischer und psychischer Gewalt können vielfältig sein. Doch längst nicht alle Fälle werden öffentlich. Es habe sich gezeigt, schreibt der LCH, dass viele Lehrpersonen Gewalt als Tabuthema sehen, was eine hohe Dunkelziffer vermuten lasse.

Das bestätigt auch Florian Huber. Er sagt: «Jemand, der im Alter von 22 Jahren aus der Ausbildung kommt, schweigt vielleicht eher. Schülerinnen und Schüler können häufig böse und manipulativ sein. Davon berichten viele junge Lehrpersonen.» Es fehle sowohl in der Ausbildung als auch an vielen Schulen an Strategien dagegen.

Auch deshalb liess der Dachverband die Studie durchführen. Denn für die Schweiz gibt es bisher keine umfassenden Daten dazu, wie stark Lehrpersonen von Gewalt betroffen sind. * Name geändert

Blick TV berichtet am Montag, ab 10 Uhr, von der Medienkonferenz des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz

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