Beim EU-Rahmenabkommen sind die Fronten verhärtet wie nie
Ein Befreiungsschlag – ins Wasser

Die freisinnigen Bundesräte laufen in der Landesregierung erneut auf. Derweil denkt die SP über den EWR nach.
Publiziert: 16.09.2018 um 11:18 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2018 um 21:52 Uhr
Simon Marti und Marcel Odermatt

Nach der Sitzung der Landesregierung vom vergangenen Freitag blieb der Bundesrat eine Antwort auf die Frage schuldig, wie er die verkorksten Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Union doch noch aus der Sackgasse führen will.

Die Fronten zwischen den involvierten Departementen sind verhärteter denn je. Ursprünglich wollten die beiden FDP-Magistraten Ignazio Cassis (57) und Johann Schneider-Ammann (66) vorgestern der Öffentlichkeit einen Vorschlag präsentieren.

Ein Vorschlag, der, wie bundesratsnahe Quellen berichten, eine Anpassung bei der Acht-Tage-Regel vorsieht: kürzere Anmeldefristen für ausländische Unternehmen, die in der Schweiz Aufträge übernehmen. Technische Neuerungen sollen aber den Lohnschutz weiter gewährleisten. Ein aussichtsloses Vorgehen angesichts der harten Haltung von SP und Gewerkschaften. Zumal auch die Arbeitgeberseite ähnlichen Planspielen schon im Vorfeld eine Abfuhr erteilte, wie die «Aargauer Zeitung» berichtete.

Kommt es noch zum Rahmenabkommen mit der Europäischen Union? Die Zeit drängt.
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Freisinn beisst auf Granit

Die beiden SP-Vertreter im Bundesrat, Simonetta Sommaruga (58) und Bundespräsident Alain Berset (46), liessen den neuerlichen Vorstoss der FDPler denn auch ins Leere laufen. Gegen die Veto-Macht der Sozialdemokraten sind die beiden freisinnigen Magistraten angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat in dieser Frage machtlos.

Die SPler machen keine Anstalten, auch nur den Eindruck zu erwecken, dass beim Lohnschutz Spielraum besteht. «Es ist unbegreiflich, dass Cassis und Schneider-Ammann dies noch immer nicht begriffen haben», heisst es von links. Es sei an der Zeit, ein Szenario für die Sistierung der Verhandlungen zu skiz­zieren.

Bei der FDP wiederum schimpft man abwechselnd über die «Blockadehaltung» der SP und gibt sich zugleich der bangen Hoffnung hin, dass doch noch – irgendwie – eine mehrheitsfähige Lösung gefunden wird, die in Brüssel Anklang fände. Die Zeit aber wird denkbar knapp.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (63) forderte die Schweiz diese Woche im Westschweizer Fernsehen ultimativ auf, nun endlich vorwärtszumachen. Die Ermahnung verhallt ungehört.

Wird Beitritt zum EWR geprüft?

Manche Genossen ausserhalb des Bundesrats denken jetzt bereits laut über mög­liche Alternativen zum Rahmenvertrag nach. Der Berner Nationalrat Corrado Pardini (53) will per Vorstoss von der Landesregierung wissen, ob sie bereit sei, die Option eines Beitritts zum Europä­ischen Wirtschaftsraum (EWR) zu prüfen.

«Wir sollten uns überlegen, wie wir uns aus der Einbahnstrasse namens Rahmenabkommen herausmanövrieren.» Ob der EWR eine gangbare Lösung sei, könne man vorab nicht wissen, es gelte jetzt, alle Optionen zu prüfen. «Jede Variante, die stabile Beziehungen mit der EU garantiert, muss nun auf den Tisch.»

Denkverbote brächten niemanden weiter. Ein EWR-­Beitritt sei dann denkbar, wenn einerseits der Zugang zum wichtigstenExportmarkt gesichert und zugleich die Personenfreizügigkeit beibehalten werden könne. «Ohne Abstriche beim Lohnschutz», betont Pardini.

CVP-Aussenpolitikerin Kathy Riklin (65, ZH) hält den EWR für die beste Lösung. In der SP wiederum können nicht alle dem Gedankenspiel etwas abgewinnen. «Corrado Pardini wollte mich auf den Weg der Tugend zurückführen. Aber er hat europapolitisch selber den Kompass verloren», sagt Nationalrat Eric Nussbaumer (58).

Der Baselbieter sieht Parteikollege Berset in der Pflicht. «Der Bundespräsident muss jetzt das Heft in der Europapolitik selber in die Hand nehmen. Er muss alle Parteien an einen Tisch bringen.» Dass damit die Gräben im Bundesrat auf die Schnelle überwunden werden können, bleibt wohl ein frommer Wunsch.

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