Baumaschinen auf SBB-Gleisen
Lokführer verlangen Schutz vor Frontal-Crashs

Nach Beinahe-Crashs von Zügen mit Baumaschinen drängt der Lokführer-Verband auf schärfere Vorschriften.
Publiziert: 03.03.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2024 um 10:18 Uhr
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Vanessa MistricRedaktorin

Mitte Juli letzten Jahres fuhr ein Zug der Südostbahn dem Walensee entlang in Richtung Sargans SG. Kurz nach elf Uhr nähert sich der Interregio 35 der Ortschaft Unterterzen SG, alle Signale stehen auf Grün – dabei rast die Komposition mit 25 Fahrgästen an Bord auf zwei Baumaschinen zu. Sie blockieren die Gleise vor dem Bahnhof.

Der Lokführer zieht die Bremse, er kann den Aufprall gerade noch verhindern: Nicht mehr als 200 Meter vor den Baumaschinen kommt der Interregio zum Stehen. Es sei grosses Glück gewesen, dass es nicht zu einem schweren Unglück kam, sagte der Präsident des Lokführerverbandes VSLF Hubert Giger zum SRF.

Nach mehreren ähnlichen Vorfällen hat der Verband gemäss Informationen von Blick inzwischen beim Bund interveniert und schärfere Vorschriften gefordert.

Lokführer verhinderten bereits mehrfach schwere Bahnunfälle. Baumaschinen standen mitten auf der Fahrbahn.
Foto: Keystone
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Sicherheitschef irrte sich

Der Beinahe-Crash in Unterterzen zeigt aus der Sicht des Verbands das Sicherheitsproblem beispielhaft: Die Technik vor Ort hatte die Baumaschinen auf den Gleisen registriert, und auf den Monitoren in der SBB-Zentrale blieb der Streckenabschnitt rot. Das heisst: Durchfahrt verboten. Der zuständige Fahrdienstleiter rief aus der Zentrale den Sicherheitschef der Baustelle an. Der versicherte ihm, dass sich auf den Gleisen kein Hindernis mehr befinde. Deshalb gab der Fahrdienstleiter – was er nach einer solchen «örtlichen Kontrolle» auch darf – die Strecke frei. Das Problem war nur: Der Sicherheitschef irrte sich.

Laut Lokführerverband kommt es häufig vor, dass Gleise nach Bauarbeiten als frei gemeldet werden, obwohl sich noch Fahrzeuge auf den Schienen befindenund die Technik diese auch registriert hat. Der Grund dafür könnten Missverständnisse sein, aber auch die hohe Arbeitslast und der Zeitdruck auf Baustellen. Meist gehe es gut, trotzdem sei das Risiko hoch, heisst es aus dem Verband.

Eine Frontalkollision eines Zugs mit einer Baumaschine bei hoher Geschwindigkeit wäre verheerend: Viele Menschen könnten dabei ums Leben kommen. 2019 kollidierte in Thalwil ZH ein SBB-Schnellzug fast mit einem Baustellenfahrzeug, welches auf den Bahngleisen vergessen ging. Als der Lokführer das Fahrzeug sah, bremste er gerade noch rechtzeitig. 2016 kollidierte beim Bahnhof Sihlbrugg ZG/ZH eine Dampflokomotive mit einem Schotterwagen, der auf die Fahrbahn ragte. Zwei Lokführer und 18 Reisende wurden verletzt.

«Die nötigen Abklärungen und Analysen sind noch am Laufen»

Aus Sicht des VSLF genügt ein Anruf auf der Baustelle nicht. Das Risiko für Fehler sei zu gross, wie die bisherigen Vorfälle zeigten. Wenn die Technik vor Ort anzeige, dass ein Gleis belegt sei, hätten deshalb verschärfte Regeln zu gelten: Lokführer sollen in solchen Fällen grundsätzlich «auf Sicht» fahren. Sprich: so langsam, dass sie im Notfall rechtzeitig bremsen können. Das dauert laut VSLF nur etwa zehn Minuten länger, sei aber bedeutend sicherer. Die verschärften Regeln sollen für die erste Fahrt auf einer neu freigegebenen Strecke gelten.

Das zuständige Bundesamt für Verkehr (BAV) schreibt auf Anfrage von Blick, man sei dabei, «die Situation aufgrund der Intervention des VSLF nochmals zu prüfen». Zur Forderung nach einem Fahren auf Sicht will sich das Amt nicht im Detail äussern: «Die nötigen Abklärungen und Analysen sind noch am Laufen.» Die SBB signalisieren Offenheit: «Wir begrüssen jeden Vorschlag, mit dem die Sicherheit erhöht werden kann.» Die Forderung werde derzeit «intensiv» geprüft.

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