Bauern-Streit um Selbstversorgung
«Bio macht uns unabhängiger vom Ausland»

Soll die Schweiz möglichst viel eigene Nahrungsmittel produzieren – oder möglichst ökologisch? Diese Frage entzweit die Bauern.
Publiziert: 19.04.2020 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2020 um 22:37 Uhr
Camilla Alabor

Dank der Corona-Epidemie feiert ein in Vergessenheit geratenes Konzept ein Comeback: die Versorgungssicherheit. Denn die laufende ­Reform der Agrarpolitik dreht sich just darum, was höher zu gewichten ist: mehr Ökologie – oder ein höherer Grad an Selbstversorgung? Gemäss dem Vorschlag des Bundesrats sollen die Bauern den Einsatz von Pestiziden reduzieren und mehr Flächen für Biodiversität reservieren. Dafür würde der Anteil der Inlandproduktion bis 2025 auf 52 Prozent fallen; derzeit liegt er bei 60 Prozent.

Markus Ritter (52), Präsident des Bauernverbands und St. Galler CVP-Nationalrat, hält davon nicht viel. Es sei «unhaltbar», dass sich der Bundesrat für eine Senkung des Selbstversorgungsgrads ausspreche, sagte er kürzlich der «NZZ». Gerade in der Corona-Krise sende die Regierung damit ein «desaströses Signal».

Paket von Vorstössen

Nicht alle Bauern teilen diese Ansicht. Da ist etwa Kilian Baumann (39), Landwirt und Grünen-Nationalrat aus dem Kanton Bern. Seine Befürchtung: Eine ­Intensivierung der einheimischen Produktion würde etwa die Gewässerverschmutzung in der Schweiz «massiv verschärfen». Baumann holt deshalb zum Gegenschlag aus – und will ein ganzes Paket an Vorstössen einreichen, um die Debatte in eine neue Richtung zu lenken. Er ist überzeugt: «Wir müssen uns nicht zwischen Ökologie und Selbstversorgung entscheiden.»

Dank der Corona-Epidemie feiert ein in Vergessenheit geratenes Konzept ein Comeback: die Versorgungssicherheit.
Foto: keystone-sda.ch
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Denn eine umweltfreundliche Produk­tion reduziere zugleich die Abhängigkeit vom Ausland: «Bio macht uns unabhängiger.»

Einheimische, resistente Sorten fördern

So sei die konventionelle Landwirtschaft auf den Import von Kunstdünger und Pestiziden aus dem Ausland angewiesen. Ähnlich wie beim Saatgut: «Samen für Zuckerrüben und Raps importieren wir zu hundert Prozent.» Der Biobauer und Rinderzüchter will deshalb den Import von Pflanzenschutzmitteln und Dünger reduzieren und stärker in die Forschung von alternativen Anbauverfahren investieren. «Wenn ­unsere Pflanzen resistenter gegen Schädlinge sind, braucht es weniger Pestizide», so Baumann. Auch beim Saatgut will er vermehrt einheimische, resistente Sorten fördern, statt «Hochleistungssaatgut» internationaler Konzerne zu importieren. Dazu brauche es entsprechende Anreize.

Nicht zuletzt stört sich Baumann daran, dass Schweizer Bauern tonnenweise Soja als Futtermittel für ihre Rinder importieren. «Oft genug wird für den Soja-­Anbau Regenwald abgeholzt. Oder die Felder stehen in Konkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln.» Dabei, meint er, könnte man den Tieren auch Schweizer Gras verfüttern. Statt Hoch­leistungsrinder zu fördern, möchte Baumann deshalb jene Bauern besser unterstützen, die ihre Tiere ausschliesslich mit Gras ernähren: «Meine Rinder leben ganz gut davon.»

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