«Lehrer dürfen Kinder fragen, wo sie in den Ferien waren»
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Epidemiologe zum Schulstart:«Lehrer dürfen Kinder fragen, wo sie in den Ferien waren»

Basler Arzt und Epidemiologe Marcel Tanner ist für Kontrollen in den Schulen
«Wenn ein Kind sich infiziert, müsste die ganze Klasse in Quarantäne»

Nächste Woche strömen in vielen Kantonen die Schüler wieder ins Klassenzimmer. Die Lehrpersonen müssten dann mithelfen, mögliche Risiken früh zu erkennen, sagt Epidemiologe Marcel Tanner.
Publiziert: 06.08.2020 um 22:56 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2020 um 08:58 Uhr
Schon bald rennen die Kinder wieder zur Schule.
Foto: Keystone
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Ladina Triaca

Die Schliessung der Schulen war sehr wirksam im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam aus Wien, das verschiedene Massnahmen in 76 Ländern unter die Lupe genommen hat.

Ist es also fahrlässig, wenn die Kinder nach den Sommerferien wieder ins Klassenzimmer strömen? Nein, sagt Corona-Taskforce-Mitglied und Epidemiologe Marcel Tanner (67). «Es ist richtig, dass die Schulen wieder öffnen.»

Lehrer als Quarantäne-Polizisten?

Doch es brauche Schutzkonzepte. Die sehen in jedem Kanton anders aus. Etwa bei der Frage, was passiert, wenn sich ein Kind mit dem Virus infiziert. Müssen dann ganze Schulklassen – oder gar ganze Schulhäuser – in Quarantäne? Nein, sagt etwa der Kanton Solothurn. «Bei einem Kind muss noch nicht die ganze Klasse in Quarantäne.» Es reiche, wenn «Personen aus dem nahen Umfeld des Kindes» in Quarantäne gingen.

Kritischer sieht das Taskforce-Mann Tanner: «Wenn ein Kind sich infiziert, ist es sinnvoll, die Kontakte oder gar eine ganze Klasse in Quarantäne zu schicken.» Dieses Szenario dürfte nach den Sommerferien einige Male eintreten. Denn eigentlich müssten die Schüler nach Ferien in einem Risikogebiet für zehn Tage in Quarantäne. Doch daran halten sich nicht alle.

Tanner widerspricht Steiner

Die oberste Erziehungsdirektorin Silvia Steiner (62, CVP) hatte im BLICK gesagt, dass die Lehrer nicht Quarantäne-Polizei spielen dürften. «Gemäss der kantonalen Datenschutzbeauftragten ist es unzulässig, dass Lehrpersonen aktiv erfragen, wo sich die Schülerinnen und Schüler während der Ferien aufgehalten haben», so Steiner.

Auch Epidemiologe Tanner sieht in den Lehrern keine Detektive. Für die Einschätzung der Datenschützer hat er dennoch wenig Verständnis. «Die Lehrer dürfen die Kinder fragen, wo sie in den Ferien waren, und die Eltern auf eine allfällige Quarantäne-Pflicht hinweisen.» Das Epidemiengesetz erlaube dies.

Maskenpflicht ab der Sek

Auch bei der Maskenpflicht will der Epidemiologe weiter gehen als manche Kantone. Während die einen nämlich auf eine Maskenpflicht für Lehrpersonen und Schüler setzen, vertrauen die anderen einzig auf Desinfektionsmittel und Händewaschen.

«Wir empfehlen eine Maskenpflicht ab der Sekundarstufe, wenn die Grundregeln von Distanz und Hygiene nicht eingehalten werden können», sagt Tanner. Eine Maskenpflicht für Primarschüler sei hingegen nicht angezeigt.

Die Einhaltung der Schutzkonzepte dürfte die Schüler auch ohne Masken vor Herausforderungen stellen. So müssen sich die Kinder im Kanton Bern etwa notieren, wann sie die Mensa betreten, und diese Notizen während zehn Tagen aufbewahren. Singen ist nur noch in «sehr gut gelüfteten Räumen» erlaubt – und mit drei Meter Abstand!


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