Balzaretti, Gattiker oder ein Dritter?
Bundesrat sucht neuen Chefunterhändler für Brüssel

Wer steigt für die Schweiz in den Verhandlungsring ums Rahmenabkommen? Die Karten für den bisherigen EU-Unterhändler stehen schlecht.
Publiziert: 12.10.2020 um 14:51 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2021 um 19:11 Uhr
Wer soll für die Schweiz das heisse Eisen Rahmenabkommen aus dem Brüsseler Feuer holen?
Foto: imago
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Ladina Triaca

Trotz heftiger Kritik aus der Schweiz will der deutsche Botschafter Michael Flügger (60) das Rahmenabkommen nicht begraben. Und auch der EU-Botschafter in der Schweiz, Petros Mavromichalis, sagte gegenüber dem «Tages-Anzeiger», die EU sei bereit, einen Schritt auf unser Land zuzugehen, um die umstrittenen Punkte beim Rahmenabkommen zu klären.

Doch wer soll für die Schweiz das heisse Eisen aus dem Brüsseler Feuer holen? Laut «SonntagsZeitung» möchte Aussenminister Ignazio Cassis (59) seinen Tessiner Vertrauten und aktuellen EU-Unterhändler Roberto Balzaretti (55) nochmals in die EU-Schaltzentrale schicken. Er soll bei den umstrittenen Punkten wie Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie oder staatliche Beihilfen nachbessern.

Balzaretti mit schlechten Karten

Doch dass Cassis seinen Wunschkandidaten im Bundesrat durchboxt, ist unwahrscheinlich. Denn zum einen hat Balzaretti das bestehende Rahmenabkommen vor fast zwei Jahren ausgehandelt und öffentlich verteidigt. Auch wenn der Spitzendiplomat die Brüsseler Mechanismen bestens kennt, dürfte er kaum der glaubwürdigste Nachverhandler sein.

Hinzu kommt, dass Balzaretti im Bundesrat wenig Rückhalt geniesst. In den Augen der SVP-Magistraten ist der Tessiner ein «Euro-Turbo», mit Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) soll er das Heu nicht immer auf derselben Bühne haben und der Parteichef von Verteidigungsministerin Viola Amherd (58), CVP-Präsident Gerhard Pfister (58), forderte schon 2019 die Versetzung Balzarettis auf einen anderen Posten.

In Bundesbern wird derzeit darüber spekuliert, dass Balzaretti von Aussenminister Cassis zum neuen «Super-Staatssekretär» im Aussendepartement gekrönt werden könnte.

Will Gattiker antreten?

Doch wer kümmert sich dann um das Europa-Dossier? Als möglicher Nachfolger Balzarettis wird bereits Migrationschef Mario Gattiker (64) gehandelt. Der Jurist gilt als harter Verhandler und kennt das Dossier Personenfreizügigkeit, das bei allfälligen Nachverhandlungen im Fokus steht, wie kaum ein anderer.

Gattiker ist als Migrationschef allerdings der Justizministerin unterstellt. Und es scheint kaum wahrscheinlich, dass Cassis ausgerechnet Keller-Sutters Spitzenmann zu seinem Verbündeten machen will. Zudem steht Gattiker kurz vor der Pensionierung. Es ist fraglich, ob sich der 64-Jährige, der im vergangenen Jahr einen Herzinfarkt erlitt, das nervenaufreibende Europa-Dossier überhaupt antun möchte.

Die Suche nach der dritten Person

Also beginnt die Suche nach einer dritten Person. In den Ring geworfen werden etwa die Namen von Thomas Greminger (59), ehemaliger Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), oder Urs Bucher, derzeit Leiter der Schweizer Mission in Brüssel. Doch das Feld ist gross: Denkbar wären gemäss Berner Insidern grundsätzlich alle erfahrenen Botschafterinnen oder Botschafter.

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