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Trotz Tausender fehlerhafter Serafe-Rechnungen sagt der Bakom-Chef
«Es ist falsch, von Chaos zu sprechen»

Das Adressen-Puff bei der Billag-Nachfolgerin Serafe sorgt für Ärger. Jetzt nimmt Bakom-Chef Philipp Metzger die Serafe in Schutz. Nicht die falschen Adressen seien das Hauptproblem, sondern die Anrufflut bei den Gemeinden wegen anderer Serafe-Fragen.
Publiziert: 17.01.2019 um 18:04 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2019 um 19:51 Uhr
Der Systemwechsel sei gut gemeistert worden, findet Philipp Metzger, Direktor des Bundesamts für Kommunikation (Bakom).
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Seit Anfang Jahr erhebt nicht mehr die Billag, sondern die Schweizerische Erhebungsstelle für die Radio- und Fernsehabgabe (Serafe) die neue 365-Franken-Empfangsgebühr. Doch bei der Serafe herrscht derzeit ein Adressen-Puff.

Das Problem beschäftigt auch das Bundesamt für Kommunikation (Bakom). Schon am Mittwoch traf es sich mit dem Verband Schweizerischer Einwohnerdienste (VSED), sind doch die Gemeinden und Kantone für die Datenlieferung zuständig. 

Im BLICK-Interview erklärt Bakom-Chef Philipp Metzger (54), wie er der Lage Herr werden will.

BLICK: Herr Metzger, seit Anfang Jahr ist die Serafe für die Radio- und TV-Abgabe zuständig – und startet gleich mit einem imagemässigenSuper-GAU
Philipp Metzger: Das ist kein Super-GAU. Im Gegenteil: Die Serafe macht einen guten Job, und wir haben volles Vertrauen in sie. Die Aufbereitung und der Versand von 3,6 Millionen Rechnungen hat einwandfrei funktioniert, auch die Zahlungen fliessen wie geplant. Wir haben den Systemwechsel geschafft.

Das ist doch Schönfärberei, wenn anscheinend Tausende falsche Rechnungen verschickt wurden.
Es ist zwar bedauerlich, wenn falsche Adressdaten verschickt werden, aber bei einem solch grossen Systemwechsel eben auch unvermeidlich. Sie müssen die Relationen sehen: Bei 3,6 Millionen Rechnungen bewegt sich die Fehlerquote im Promillebereich. Wir haben zwar noch keine genauen Zahlen, aber es dürfte sich allenfalls nur um ein paar Hundert oder vielleicht ein paar Tausend Fälle handeln.

Offenbar werden die Gemeinden aber mit Anrufen wegen der Serafe-Rechnungen überflutet.
Hier liegt das Hauptproblem: Bei den meisten Anrufen geht es nicht um falsche Adressangaben. Vielmehr stellen die Anrufer Fragen zur Rechnung, welche sie der Serafe stellen müssten. 

Zum Beispiel?
Dabei geht es etwa darum, ob man die Rechnung auch in Raten bezahlen kann. Oder in welchen Fällen man von der Abgabe befreit ist. Bei solchen Fragen sind die Gemeinden die falschen Ansprechpartner und entsprechend überfordert. Die grösste Sorge der Gemeinden ist derzeit diese Anrufflut, das hat auch die Sitzung mit dem Einwohnerdienste-Verband gezeigt. Unser Hauptziel ist deshalb, die Anrufflut bei den Gemeinden zu stoppen – oder zumindest einzudämmen.

Wie wollen Sie das schaffen?
Wir müssen den Serafe-Kunden klarer kommunizieren, in welchen Fällen sie sich an wen wenden müssen – allenfalls müssen die Hinweise auf der Rechnung entsprechend angepasst werden. Zudem arbeiten wir mit den Kantonen und Gemeinden mit Hochdruck daran, die Datenqualität noch weiter zu verbessern. Wir werden nächste Woche das weitere Vorgehen kommunizieren.

Den Gemeinden wurde ja bereits der Schwarze Peter zugeschanzt mit dem Vorwurf, sie hätten fehlerhafte und unvollständige Daten geliefert.
Der Schwarze Peter gebührt niemandem! Die Gemeinden und Kantone haben riesengrosse Anstrengungen unternommen, damit der Systemwechsel fristgerecht klappt. Und in den allermeisten Fällen ist das ja auch gelungen – deshalb ist es falsch, von einem Chaos zu sprechen.

Trotzdem gibt es eine Fehlerquote. Können Sie schon sagen, wo das grösste Problem liegt?
Die meisten Fälle haben mit dem sogenannten Wohnungsidentifikator zu tun, der nicht gestimmt hat oder nicht vorhanden war. Von den falschen Adressangaben sind deshalb vor allem Mehrfamilienhäuser mit mehreren Wohnungen betroffen. Fehlt dieser Identifikator für die Unterscheidung der einzelnen Wohnungen, wird plötzlich der Nachbar dem gleichen Haushalt zugewiesen. 

Wie lange dauert das Durcheinander noch an?
Ich gehe davon aus, dass sich die Situation relativ rasch beruhigt. Wer fehlerhafte Adressen meldet, kann die falsche Rechnung, ohne zu zahlen, wegschmeissen und erhält eine korrigierte neue Rechnung. Zudem werden ab Februar gestaffelt jeden Monat jeweils rund 300'000 Rechnungen aufgrund der neusten Einwohnerregister-Daten verschickt. Das System sollte nach und nach fehlerfrei funktionieren.

Was droht jenen Kunden, die Fehler nicht melden?
Nichts. Das ist auch nicht strafbar. Wir wollen aber ein gerechtes System für alle, an welches alle ihren Beitrag bezahlen. Wir sind deshalb um jede Meldung froh, selbst wenn man die Rechnung schon bezahlt hat.

Und wenn nicht, dürfen sich ein paar Tausend Leute über Gratis-Fernsehen freuen!
Sie sollten sich nicht zu früh freuen. Die Abgabepflicht gilt für alle. Auch wenn der Fehler erst ein paar Monate oder Jahre später entdeckt wird, muss man für die ganze Periode im Nachhinein bezahlen. Höchstens bei einer Verjährung kommt man darum herum.

Gemeinden wehren sich

Das Serafe-Adress-Puff sorgt bei den Gemeinden für rote Köpfe. Aufgrund ihrer Einwohnerregister-Daten verschickt die Serafe nämlich ihre Abrechnungen. Klar also, dass schnell der Eindruck entstehen konnte, dass die Gemeinden für das Chaos verantwortlich sind.

Den Schwarzen Peter lassen sich die Gemeinden aber nicht zuschanzen, wie der Verband Schweizerischer Einwohnerdienste (VSED) in einer Medienmitteilung klar macht. Die Einwohnerregister würden «schweizweit eine hervorragend Datenqualität aufweisen», betont der Verband.

Gemeinden sind unzufrieden

In den Rechnungen werde aber darauf hingewiesen, dass sich die Serafe-Kunden bei Unstimmigkeiten direkt an ihre Einwohnerkontrolle zu wenden hätten. «Dies führt zu zahlreichen Rückfragen bei den Gemeinden», moniert der Verband.

Am Treffen vom Mittwoch mit dem Bakom und der Serafe habe der Verband deshalb «seine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht und bedauert, nicht in den Umsetzungsprozess eingebunden worden zu sein».

Der VSED verweist wie Bakom-Chef Philippp Metzger (siehe Interview oben) auf die Problematik mit dem sogenannten Eidgenössische Wohnungsidentifikator. Dieser sei von den Bundesbehörden ausschliesslich für statistische Zwecke eingeführt worden und «eignet sich grundsätzlich nicht für die Rechnungserhebung».

Der VSED habe bereits im November 2015 anlässlich der Anhörung zur Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung auf diese Problematik aufmerksam gemacht.

«Nicht die aktuellsten Daten»

Das Einwohnerregister werde täglich laufend aktualisiert, schreibt der Verband. Da Ab- und Anmeldungen aber nicht chronologisch verlaufen würden, würden zwar «Überschneidungen» zwischen alten und neuen Mietern häufig über einen kurzen Zeitraum auftreten.

Aber mit Blick auf die Serafe-Problematik schreibt der Verband: «Aufgrund einer ersten Auslegeordnung durch mehrere Gemeinden stellt der VSED fest, dass die Daten in den meisten Fällen korrekt und keine Änderungen im Einwohnerregister notwendig sind.» 

Dass es trotzdem zu Reklamationen komme, habe damit zu tun, dass die Serafe für den Rechnungsversand nicht die aktuellsten Daten der Einwohnerregister verwendet habe, sondern jene vom November 2018.

Serafe soll «erste Ansprechstelle» sein

Der Verband fordert nun, dass die Serafe für die Rechnungsempfänger «die erste Ansprechstelle ist» und als solche die Triage der verschiedenen Beschwerden vernehme.

Auf Mahnschreiben soll die Serafe vorerst verzichten. Und: «Die Vorgehensweise für die Datenaufbereitung ist eingehend zu analysieren und zu korrigieren. Dabei sind der VSED und andere involvierte Stellen einzubeziehen.» (rus)

Das Serafe-Adress-Puff sorgt bei den Gemeinden für rote Köpfe. Aufgrund ihrer Einwohnerregister-Daten verschickt die Serafe nämlich ihre Abrechnungen. Klar also, dass schnell der Eindruck entstehen konnte, dass die Gemeinden für das Chaos verantwortlich sind.

Den Schwarzen Peter lassen sich die Gemeinden aber nicht zuschanzen, wie der Verband Schweizerischer Einwohnerdienste (VSED) in einer Medienmitteilung klar macht. Die Einwohnerregister würden «schweizweit eine hervorragend Datenqualität aufweisen», betont der Verband.

Gemeinden sind unzufrieden

In den Rechnungen werde aber darauf hingewiesen, dass sich die Serafe-Kunden bei Unstimmigkeiten direkt an ihre Einwohnerkontrolle zu wenden hätten. «Dies führt zu zahlreichen Rückfragen bei den Gemeinden», moniert der Verband.

Am Treffen vom Mittwoch mit dem Bakom und der Serafe habe der Verband deshalb «seine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht und bedauert, nicht in den Umsetzungsprozess eingebunden worden zu sein».

Der VSED verweist wie Bakom-Chef Philippp Metzger (siehe Interview oben) auf die Problematik mit dem sogenannten Eidgenössische Wohnungsidentifikator. Dieser sei von den Bundesbehörden ausschliesslich für statistische Zwecke eingeführt worden und «eignet sich grundsätzlich nicht für die Rechnungserhebung».

Der VSED habe bereits im November 2015 anlässlich der Anhörung zur Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung auf diese Problematik aufmerksam gemacht.

«Nicht die aktuellsten Daten»

Das Einwohnerregister werde täglich laufend aktualisiert, schreibt der Verband. Da Ab- und Anmeldungen aber nicht chronologisch verlaufen würden, würden zwar «Überschneidungen» zwischen alten und neuen Mietern häufig über einen kurzen Zeitraum auftreten.

Aber mit Blick auf die Serafe-Problematik schreibt der Verband: «Aufgrund einer ersten Auslegeordnung durch mehrere Gemeinden stellt der VSED fest, dass die Daten in den meisten Fällen korrekt und keine Änderungen im Einwohnerregister notwendig sind.» 

Dass es trotzdem zu Reklamationen komme, habe damit zu tun, dass die Serafe für den Rechnungsversand nicht die aktuellsten Daten der Einwohnerregister verwendet habe, sondern jene vom November 2018.

Serafe soll «erste Ansprechstelle» sein

Der Verband fordert nun, dass die Serafe für die Rechnungsempfänger «die erste Ansprechstelle ist» und als solche die Triage der verschiedenen Beschwerden vernehme.

Auf Mahnschreiben soll die Serafe vorerst verzichten. Und: «Die Vorgehensweise für die Datenaufbereitung ist eingehend zu analysieren und zu korrigieren. Dabei sind der VSED und andere involvierte Stellen einzubeziehen.» (rus)

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