Bauland-Affäre
Parmelin vermasselt 400-Mio.-Geschenk für die Bauern

Es sah gut aus für die Bauern – die Steuererleichterungen rückten in greifbare Nähe. Doch seit ausgekommen ist, wie intensiv Guy Parmelin (SVP) im Bundesrat dafür weibelt, wackelt das Privileg.
Publiziert: 08.05.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 17:56 Uhr
Marcel Odermatt, Simon Marti, Sermîn Faki, Peter Hossli, Andrea Hohendahl

Vorletzte Woche triumphierte die Bauernlobby im Nationalrat noch. Landwirte sollen beim Verkauf von Bauland dem Staat künftig deutlich weniger Abgaben abliefern müssen. Kostenpunkt des Steuergeschenks: 400 Millionen Franken, die pro Jahr we­niger in die Staatskasse und die Sozialversicherung fliessen.

Doch der Jubel währte nur kurz. Die Bauland-Affäre um SVP-Bundesrat Guy Parmelin (56) hat die Stimmung kippen lassen.

Zu Erinnerung: Im Bundesrat kämpfte der ehemalige Weinbauer und heutige Verteidigungs­minister heftig für die Steuererleichterungen. Das machte BLICK am Freitag publik. Dabei war der Neo-Magistrat bis vorgestern selber potenzieller Nutzniesser des Privilegs. Am meisten aber würde sein Bruder profitieren.

Unter Druck: Guy Parmelin muss den Duro-Deal verteidigen.
Foto: Keystone
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Parmelin war Miteigentümer einer 1366 Quadratmeter grossen Bauparzelle in Bursins VD. Darauf wachsen jetzt noch Reben. Würde die Parzelle verkauft, flösse viel Geld: Das Grundstück ist rund eine Million wert.

Kommen die Steuer­erleichterungen durch, für die Parmelin weibelt, wären bei einem Verkauf massiv weniger Abgaben fällig. Es geht um einen sechsstelligen Betrag.

Zwar hat Parmelin das Land seinem Bruder überschrieben. Wenn der es aber verkauft, muss er gemäss geltendem Recht den SVP-Magistraten am Gewinn beteiligen – und zwar während der nächsten 25 Jahre.

«Polemik»

An einer Pressekonferenz am Freitag um 15.30 Uhr zeigte er sich uneinsichtig und sprach von einer «Polemik». Am späten Freitagabend musste der SVP-Mann dann aber eine Erklärung abgeben: Er verzichte in jedem Fall auf eine Gewinnbeteiligung, falls sein Bruder das Land verkaufe.

Das öffentlich gewordene, aggressive Lobbying des frisch gekürten Mitglieds der Landes­regierung wird nun zum Bumerang für die Bauern. Ausgerechnet Parmelin, der schon als Nationalrat kompromisslos für seine Klientel weibelte, versetzt dem 400-Millionen-Anliegen jetzt möglicherweise den Todesstoss. Die Lust selbst bürgerlicher Politiker, die Bauern steuerlich zu entlasten, ist seit der Affäre gegen null gesunken. «Das Geschäft wird es im Ständerat schwierig haben», sagt der einflussreiche Finanzpolitiker Konrad Graber (57, CVP). Der Wirbel um das Bauland der Parmelins werde «die Vorlage bestimmt zusätzlich belasten», sagt der Luzerner Ständerat. Das Geschäft kommt voraussichtlich im September ins Stöckli.

Auch für seinen Kollegen Joachim Eder (64, FDP/ZG) hat der SVP-Bundesrat den Bauern einen Bärendienst erwiesen: «Sein Vorgehen ist sehr ungeschickt. Es ist quasi das Tüpfelchen auf dem i.» Sein Rat werde dem Gesetz kaum zustimmen. Und: «Die Causa Parmelin wird jene, die noch unschlüssig sind, ins Nein-Lager treiben.»

Bauland-Affäre

Die Bauland-Affäre wirft auch die Frage auf, warum Parmelin bei der Diskussion im Bundesrat überhaupt mitdiskutierte und nicht in den Ausstand trat. Einer, der die Gepflogenheiten in der Landesregierung kennt, ist alt SP-Bundesrat Moritz Leuenberger (69). Konkret äussern zum Fall Parmelin will er sich nicht, stellt aber klar: Ein Bundesrat muss alle Karten auf den Tisch legen – und bei Interessenkonflikten in den Ausstand treten. «Ausstandserklärungen erfolgen, wenn der Anschein der Befangenheit entstehen könnte», sagt Leuenberger. «Selbst wenn objektiv keine solche vorhanden ist.» Nötig sei Transparenz im Bundesratszimmer. «Im Zweifelsfall wird darüber im Kollegium diskutiert.»

Eine Diskussion, die Parmelin offenbar nicht führen wollte. In Leuenbergers Zeit als Bundesrat sei es selbst dann zu Ausstandserklärungen gekommen, wenn es keine Abstimmungen zu einem Geschäft gab. Denn ob eine Befangenheit vorliege, «weiss man ja zu Beginn der Diskussion noch nicht». Laut Leuenberger wird ein Ausstand im Bundesrat «jeweils mit dem Beschluss protokolliert». Doch hat sich Bundespräsident Johann Schneider-Ammann (64) an diese Gepflogenheiten gehalten, als er am 11. März die Bundesratssitzung leitete?

Dieser Frage gehen auch die Geschäfts­prüfungskommissionen (GPK) von National- und Ständerat morgen Montag nach. Hans Stöckli (64, SP/BE), Präsident der ständerätlichen GPK, zu SonntagsBlick: «Von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann wollen wir genau wissen, wie der Bundesrat über persönliche Interessenbindungen diskutiert und Beschlüsse fasst.» Die GPK werde abklären, was genau in der fraglichen Bundesratssitzung passiert sei und ob überhaupt über mögliche Interessenbindungen von Bundesrat Parmelin gesprochen worden sei. «Und wenn nicht, weshalb», so Stöckli.

Alfred Heer (54, SVP/ZH) präsidiert die GPK des Nationalrats. Die könne etwa empfehlen, dass der Bundesrat künftig seine Interessenbindungen genauer deklarieren müsse – ganz ähnlich also, wie dies für Parlamentarier bereits der Fall ist. Denn die heutige Ausstandsregelung, so Heer, gelte nur, wenn jemand als Einzelperson betroffen sei. «Wenn aber ein Gesetz für Tausende von Personen gilt, greift die Ausstandsregel nicht. Sonst müsste ja etwa Wirtschaftsminister Johann-Schneider-Ammann bei der Beratung der Unternehmenssteuerreform in den Ausstand treten, weil seine Angehörigen Unternehmer sind oder Aktien besitzen.»

Parmelins «übermässiger Einsatz» für die Vorlage sei politisch wohl nicht klug gewesen, sagt auch Heer. «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Das trifft hier wohl ins Schwarze.»

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