«SVP wählen ist das beste Rezept»
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Langlauf-Tag mit Albert Rösti:«SVP wählen ist das beste Rezept»

Auf der Loipe erklärt SVP-Chef Albert Rösti seine Pläne fürs Wahljahr
Volksinitiative soll die AHV retten

Als Wahlkampfleiter führt Albert Rösti die SVP 2015 zum Wahlsieg. Jetzt amtet er als Parteichef – und will den Wahlerfolg von damals wiederholen, wie er BLICK nach dem gemeinsamen Langlaufen erklärt.
Publiziert: 03.01.2019 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2019 um 09:07 Uhr
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

SVP-Präsident Albert Rösti (51) fährt mit seinem dunkelblauen Volvo vor. Er holt die BLICK-Journalisten am Bahnhof Thun BE ab. «Sehen Sie, hier unten in der Nebelsuppe, das wär doch nichts geworden. Es ist schon richtig, dass wir nach Kandersteg fahren», sagt er. Dann läutet sein Handy. Über die Freisprechanlage meldet sich Röstis Frau. Sie sei eben aufgestanden. Der Nationalrat lässt sie augenblicklich wissen, dass er Journalisten im Auto habe. Er rufe sie später zurück. «Sie ist gerade in Delhi, sie ist ja Flight-Attendant», erklärt er.

Es stehen nur wenige Autos auf dem Parkplatz an der Loipe. Schliesslich ist auch das Wetter nicht ganz so gut wie noch versprochen. Zudem hat der Schneemangel dazu geführt, dass man nur einen 3,5 Kilometer langen Rundkurs präparierte – mit Kunstschnee. «Dort, wo der Rauch aufsteigt, bin ich aufgewachsen.» Als Kind war Rösti hier oft langlaufen. «Jetzt komme ich eigentlich nur zwischen Weihnachten und Neujahr dazu», räumt der SVP-Chef ein. Er tut sich auf den schmalen Brettern natürlich weit weniger schwer als die Journalisten. Zum Glück sprechen ihn laufend Passanten an – Einheimische wie Touristen. So kommt man zwischendrin zu einer Pause.

Nach der Schlussrunde geht es in die «Ermitage» für «äs Glühewy». «Gut, dann machen wir jetzt das Interview», so Rösti. Eben noch im Plauderton des Berglers, könnte Rösti jetzt auch im Bundeshaus Auskunft erteilen.

SVP-Präsident Albert Rösti trifft auf der Loipe in Kandersteg BE  immer wieder Passanten, die er – wie die Frau rechts – kennt. Oder, die ihn erkennen und sich mit ihm ablichten lassen wollen.
Foto: JESSICA KELLER
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BLICK: Herr Rösti, das erklärte SVP-Ziel für die Wahlen 2019 ist «Wähleranteil halten». Nicht sehr ambitioniert, oder?
Albert Rösti:
Im Gegenteil: Wir wollen das herausragende Ergebnis von 2015 mit 29,4 Prozent egalisieren. Es gibt keine andere Partei, die auch nur annähernd so stark ist.

Die anderen Parteien wollen aber wachsen.
Natürlich wünscht sich jeder Parteipräsident Wachstum. Aber ich muss realistisch bleiben: 2015 hat der Wahlkampf bestens funktioniert, dabei half uns die damalige extreme Migrationssituation. Und es kam noch Proporzglück dazu. Wir erreichten fast ein Drittel aller Wähler, da hätten wir bald Anspruch auf drei Bundesräte.

Wenn man SP-Chef Christian Levrat glauben darf, hat die SVP bereits drei.
Wenn für Ignazio Cassis 80 Prozent des Rahmenvertrags gut sind, ist er weit weg von der SVP. Aber ja, er hat aufgezeigt, was der Rahmenvertrag für den Lohnschutz bedeutet. Dass das Abkommen derzeit nicht mehr mehrheitsfähig ist, verdanken wir auch ihm – aber vor allem der SVP, die schon vor Jahren davor gewarnt hat. Und wir begrüssen, dass Cassis beim Migrationspakt auf unsere Bedenken reagiert hat. Zudem muss man ihm zugutehalten, dass er nach jahrelanger linker Aussenpolitik den Karren kehren will. Er lässt die über 3 Milliarden teure Entwicklungshilfe überprüfen. Und wahrscheinlich auch dank Cassis gab es im Bundesrat einige bürgerliche Entscheide, die zuvor so nicht möglich waren. Beispielsweise lehnt die Regierung den Vaterschaftsurlaub ab. Und eins muss ich schon noch sagen ...

Was denn?
Wenn es nach Levrat gegangen wäre, hätten wir jetzt eine Staatskrise – denn wir hätten Pierre Maudet im Bundesrat. Nur dank der SVP, die klar für Cassis votierte, haben wir keine Krise. An Levrats Stelle würde ich mich nicht so laut beklagen, sondern klammheimlich der SVP danken, dass sie die Schweiz vor grossem Schaden bewahrt hat.

Zurück zu Ihrer Partei. Machen Sie schon Wahlkampf?
Wir machen eine Tour des Cantons. Wir sind in jedem Kanton auf einem viel belebten Platz präsent, um Menschen aus allen Schichten zu treffen. Das verbinden wir mit einem Treffen mit KMU-Vertretern. Hier fragen wir, wo der Schuh drückt, nach dem Motto «die SVP hört hin, packt an». So wollen wir verhindern, dass wir französische Verhältnisse bekommen, also dass die Bevölkerung, der Mittelstand, ausblutet und letztlich mit gelben Westen demonstrieren muss. Oder dass auch hier die extreme Rechte Aufwind erhält, wie dies europaweit geschieht.

Sie verkörpern die Rechte ja selbst.
Wir sind seit über 100 Jahren eine bürgerliche Kraft, die für Souveränität, Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit steht. Weil wir das Ohr an der Bevölkerung haben und frühzeitig Fehlentwicklungen thematisieren, existiert hier keine extreme Rechte.

Wenn Sie das Wahlziel verfehlen und die SVP nur noch auf 25 Prozent kommt, treten Sie dann zurück?
Ein Parteipräsident trägt die Verantwortung, ist aber nicht alleine entscheidend für ein gutes oder schlechtes Resultat. Jedes einzelne SVP-Mitglied ist gefordert, den Wahlerfolg zu sichern.

Wollen Sie wie CVP-Chef Gerhard Pfister noch bei den Wahlen 2023 Präsident sein?
(lacht) Ich könnte mir heute auch vorstellen, die SVP in die Wahlen 2027 zu führen. Ich muss einfach alle zwei Jahre wiedergewählt werden. Mir passt die Arbeit als Parteipräsident. Es ist der Kampf gegen den EU-Beitritt, das heisst für die Unabhängigkeit des Landes, der mich seit Jahren in welcher Funktion auch immer aus tiefster Überzeugung motiviert. Und ich sage Ihnen: Der Rahmenvertrag ist bloss ein Schritt zum EU-Beitritt.

Ihr Lieblingsthema, wir haben nur darauf gewartet.
Brüssel will uns den Rahmenvertrag aufzwingen, damit wir durch die Hintertür letztlich der EU beitreten. Dabei ist dieser Vertrag Gift für unser Land. Es geht dabei eben nicht nur um den Lohnschutz, sondern um die automatische Rechtsübernahme und um fremde Richter, die zu Souveränitätsverlust führen. Mit dem Abkommen würden wir unsere Freiheit aufgeben. Und wir müssten die Unionsbürgerrichtlinie übernehmen. Es käme zum vollständigen Zugang zur Sozialhilfe für Ausländer in der Schweiz. Darum lehnt die SVP den Rahmenvertrag ab. Man soll aber im Gespräch bleiben mit der EU.

Jetzt sprudelt es aus Rösti heraus. Auch noch das allerletzte Argument gegen den Rahmenvertrag muss vorgebracht werden. Und auf den Einwand, dass das irgendwann zu technisch werde und alles bekannt sei, ereifert sich Rösti: «Nein, das ist eben nicht bekannt, weil Sie nicht über alle Konsequenzen des Rahmenvertrags schreiben.» Darum mache er sich grosse Sorgen, wenn der Rahmenvertrag nach den Wahlen 2019 mit ein paar Zugeständnissen beim Lohnschutz vors Volk käme, holt sich Rösti die Aufmerksamkeit zurück.

Wie bitte, Sie befürchten, dass der Rahmenvertrag beim Volk durchkommt?
Wenn die automatische Rechtsübernahme nicht korrigiert wird und das Rahmenabkommen einzig mit Retuschen beim Lohnschutz an die Urne gelangt, haben wir eine ganz schwierige Abstimmung vor uns, ja. Von den Dimensionen her so was wie eine zweite EWR-Abstimmung, aber mit anderen Vorzeichen. Nicht nur, dass seither 26 Jahre vergangen sind, sondern auch, dass sich die Bevölkerungsstruktur verändert hat durch die Zuwanderung. Daher habe ich grossen Respekt vor dem, was kommt, und kann mich nicht einfach zurücklehnen. Schon jetzt hört man Alarmierendes!

Was denn?
Gemäss Medienberichten überlegt sich der Arbeitgeberverband einen Kündigungsschutz für über 50-Jährige. Das wäre das Ende des freien Arbeitsmarkts. Und mit solch einem Kündigungsschutz verlieren Frauen und Männer die Stelle halt schon mit 49 Jahren und werden erst recht nicht mehr eingestellt. Stattdessen sollte man die Sozialwerke verbessern, denn ältere Arbeitnehmer sind für die Unternehmen wegen der hohen Beiträge in der zweiten Säule teuer. Ausserdem muss die Personenfreizügigkeit beseitigt werden.

Jetzt haben Sie geschickt einen Werbespruch für Ihre Kündigungs-Initiative einfliessen lassen.
Sie heisst Begrenzungs-Initiative, weil wir damit die Zuwanderung begrenzen wollen. Ich bitte Sie, bei den Fakten zu bleiben.

Parteistrategen haben das Wort

Keine zehn Monate mehr, dann wird abgerechnet: Am 20. Oktober 2019 finden Wahlen statt, werden National- und Ständerat neu bestellt. Vor allem für die Parteispitzen sind Wahljahre intensiv. Kaum je sonst steht die Politik so sehr im Schaufenster, selten wird mit härteren Bandagen gekämpft.

Die Zeit «zwischen den Jahren» ist für die Parteichefs die letzte Atempause vor den harten Monaten. BLICK wollte wissen: Wie verbringen sie diese ruhige Zeit? Wo tanken sie auf? Sind sie fit für den Wahlkampf? Also haben wir sieben Parteipräsidenten begleitet – beim Jagen, beim Spazieren, mit dem Bike. Den Anfang machte SP-Chef Christian Levrat (48), gefolgt von CVP-Chef Gerhard Pfister (56), BDP-Präsident Martin Landolt (50) und FDP-Chefin Petra Gössi (42). Heute sind wir mit Albert Rösti (51) auf der Langlaufloipe.

Keine zehn Monate mehr, dann wird abgerechnet: Am 20. Oktober 2019 finden Wahlen statt, werden National- und Ständerat neu bestellt. Vor allem für die Parteispitzen sind Wahljahre intensiv. Kaum je sonst steht die Politik so sehr im Schaufenster, selten wird mit härteren Bandagen gekämpft.

Die Zeit «zwischen den Jahren» ist für die Parteichefs die letzte Atempause vor den harten Monaten. BLICK wollte wissen: Wie verbringen sie diese ruhige Zeit? Wo tanken sie auf? Sind sie fit für den Wahlkampf? Also haben wir sieben Parteipräsidenten begleitet – beim Jagen, beim Spazieren, mit dem Bike. Den Anfang machte SP-Chef Christian Levrat (48), gefolgt von CVP-Chef Gerhard Pfister (56), BDP-Präsident Martin Landolt (50) und FDP-Chefin Petra Gössi (42). Heute sind wir mit Albert Rösti (51) auf der Langlaufloipe.

Mehr

Die Initiative verlangt in letzter Konsequenz die Kündigung der Personenfreizügigkeit. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Beschönigend ist, dass die Medien nicht über die negativen Konsequenzen der Zuwanderung berichten. Legen Sie bitte zum Beispiel wahrheitsgemäss dar, dass die Zuwanderung Probleme bringt für über 50-jährige Arbeitnehmende. Sie erhalten doch aus dem riesigen Pool junger Europäer viel billigere Mitarbeitende. Italienische Juristinnen arbeiten im Tessin für einen Lohn, den sonst Assistentinnen erhalten. Das geht nicht!

Und was auch nicht gehe – unterbricht sich Rösti nun selbst – sei, dass ein reicher Staat wie die Schweiz sein Altersvorsorgesystem nicht sanieren könne.

Worauf wollen Sie genau hinaus?
Es geht nicht an, dass dieser Staat für alles Geld hat. Bald auch noch für den Vaterschaftsurlaub, aber für die AHV nicht. Bei 70 Milliarden Franken Bundesausgaben muss es möglich sein, mit einem höheren Staatsanteil die AHV zu sanieren, ohne die Steuern zu erhöhen. Wir geben – nur auf Bundesebene – über 5 Milliarden für die Entwicklungshilfe und das Asylwesen aus, aber wir haben nicht genügend Geld für die eigenen Rentner. Das versteht doch niemand.

Was wollen Sie tun?
Wir wollen die AHV retten. Wir haben im Parlament mehrere Vorstösse in diese Richtung eingereicht und werden bei der Rentenreform noch mit Anträgen kommen. Wenn die Reform im Parlament aber noch lange verzögert wird, braucht es vielleicht eine Volksinitiative zur Sicherung der AHV. Wir prüfen eine solche Initiative. Unser Ziel ist es, dass aus den bestehenden Bundesmitteln mehr Geld in die AHV fliesst. Wir schauen eben für den Mittelstand. Das war ja auch beim CO2-Gesetz so.

Das mit Hilfe von Mitteparteien und der Linken abgeschossen wurde.
Wir konnten verhindern, dass der Liter Benzin 20 Rappen teurer wird.

Das CO2-Gesetz kommt wieder aufs Tapet. Sie können sich nicht dagegen stemmen.
Doch, wir stemmen uns weiterhin dagegen. Ja, das CO2-Gesetz kommt wieder. Aber wenn wir nur schon zwei Jahre lang verhindern können, dass die Leute 20 Rappen mehr fürs Benzin zahlen, haben wir etwas erreicht, und wir kämpfen natürlich auch in den nächsten Runden, dass die Preise nicht steigen. Für einen Pistenfahrer in Kanderstag, der vielleicht 4000 Franken Lohn hat, für den ist das wichtig. Und seien wir ehrlich, die Benzinpreiserhöhung bringt dem Klima gar nichts. Das ist bloss eine Alibi-Übung. Das Einzige, was passiert: Die Produktion verlagert sich ins Ausland.

Zurück im Volvo plaudert Rösti wieder so gelöst wie zuvor. Als wir durch Frutigen BE fahren, sagt er: «Hier hat Grossen zwei Gemeinderäte. Und das mitten in der SVP-Hochburg.» Rösti sagt das in einer Mischung aus Bedauern und Anerkennung. Natürlich meint er Jürg Grossen (49), den Präsidenten der GLP. Glaubt man den Wahlumfragen, könnten die Grünliberalen im Herbst 2019 zulegen. Und die Grünen. «Grosse Verschiebungen erwarte ich für die Schweiz nicht», rückt sich Rösti die Welt dann zurecht. Aber auch er weiss, sie verändert sich. Mal zu seinen Gunsten, und wenn der Schnee in Kandersteg weiter ausbleibt, zum Vorteil anderer.

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