«Die Schrottmasken waren ein kalkuliertes Risiko»
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Politik-Reporter analysiert:«Die Schrottmasken waren ein kalkuliertes Risiko»

Armee wollte minderwertige Ware loswerden
Schrottmasken für Afrika!

Rund 300 Millionen Masken hat die Armee beschafft. Darunter auch mangelhafte Ware, wie nun verschiedene Fälle zeigen. Die Armee prüfte gar einen Verkauf von Masken, die dem Schweizer Standard nicht entsprechen – nach Afrika.
Publiziert: 30.01.2021 um 01:19 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2021 um 13:03 Uhr
FFP2-Masken, die den Schweizer Standards nicht genügen, sollten nach Afrika verscherbelt werden (Symbolbild).
Foto: DUKAS
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Ruedi Studer

Rund 300 Millionen Schutzmasken hat die Armeeapotheke seit Beginn der Corona-Pandemie beschafft. Dabei hatte sie nicht immer ein glückliches Händchen. So berichtete der «Tages-Anzeiger», dass die Armee in grossem Stil mutmasslich gefälschte FFP2-Atemschutzmasken eingekauft hatte und wegen der schlechten Qualität teils zerstören musste.

Doch es ist nicht der einzige Fall, in welchem die Armee mit ungenügenden Masken zu kämpfen hatte. Das zeigen zwölf «Statusberichte» von April bis Juni 2020 von Beschaffungskoordinator Markus Näf (53), der vom Bundesrat letztes Jahr temporär als Krisenmanager eingesetzt wurde. BLICK hat die Berichte gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten.

Qualitätskontrolle schwierig

Schon in seinem ersten Bericht von Anfang April legt Näf den Grundsatz fest, dass «nur zertifizierte/zugelassene Produkte» beschafft werden, bei denen eine Qualitätssicherung möglich ist. Ein Grundsatz, der nicht immer eingehalten werden kann. Denn die Maskenbeschaffung aus dem Ausland «ist äusserst schwierig», stellt Näf später fest. Die Zertifizierungsvorschriften würden im internationalen Handel «nicht überprüfbar eingehalten» – so werde die Ware als zertifiziert taxiert, angeschrieben und verkauft. «Sie ist es aber oft nicht.»

Andernorts spricht er davon, dass die «Qualitätskontrolle entlang der Lieferkette» – die meisten Masken stammen aus China – eine Herausforderung sei. Und er macht klar, dass man gewisse finanzielle Risiken, etwa bezüglich Vorauszahlungen, eingehen müsse: «Die Verkäufer sind zurzeit in der Lage, die Marktbedingungen zu diktieren.»

Dies hat Näf zu einem Zeitpunkt geschrieben, als die Armeeapotheke beinahe selbst auf einen Schrottmasken-Anbieter hereinfiel: Im April bewahrte das Aussendepartement von Ignazio Cassis (59) die Armee vor einem 120 Millionen Franken teuren Masken-Flop.

Ungenügende Masken für Afrika?

Der Krisenmanager verweist in seinen Berichten gleich mehrfach auf problematische Lieferungen. Eine Passage im 10. Statusbericht von Mitte Juni lässt besonders aufhorchen, denn darin geht es darum, ungenügende Masken wieder loszuwerden: «Wir prüfen derzeit ein Angebot, alle unsere FFP2-Masken, die nicht dem Schweizer Standard entsprechen, über einen Händler in den afrikanischen Markt zu verkaufen.» Man sei bereit, diese Masken unter dem Einstandspreis abzugeben, da sie nach dem Auslaufen der entsprechenden Covid-Verordnung «nicht mehr in der Schweiz in Verkehr gebracht werden können». Der Vorrat könne «problemlos mit qualitativ einwandfreien und in der Schweiz zugelassenen Masken wieder aufgestockt werden».

Ob der Deal zustande kam, lässt die Armee auf Anfrage von BLICK offen. Stattdessen verweist sie auf eine von Verteidigungsministerin Viola Amherd (58) in Auftrag gegebene Aufarbeitung durch die interne Revision des VBS, welche im Frühjahr abgeschlossen werden soll. Daher könne man «leider nicht vertieft antworten», so Armeesprecher Stefan Hofer.

Risikohafte Vorauszahlungen in Millionenhöhe

Näf schildert in seinen Berichten aber verschiedene heikle Fälle. In seinem letzten Bericht von Ende Juni beispielsweise schreibt er von «nicht brauchbarer» sowie «qualitativ ungenügender» Ware, für welche aber bereits elf Millionen Franken im Voraus bezahlt wurden – um welche Produkte es sich handelt, ist unklar. Die Stellen sind geschwärzt.

In einem früheren Bericht schreibt der Krisenmanager zudem: «Die angelieferten OP-Kittel weisen Qualitätsmängel auf.» Was der Lieferant allerdings bestreite. Da auch hier eine Anzahlung von 4,7 Millionen Franken geleistet wurde, «sind wir bei unbrauchbaren Waren im Risiko».

Im Mai wiederum wird eine Anlieferung von 100 Millionen Hygienemasken erwähnt, bei welchen «Qualitätsmängel festgestellt» und welche daher zurückgewiesen wurden. Immerhin klappte hier die Kontrolle. «Da wir aktuell eine sehr gute Versorgungssituation haben, gehen wir bei den Qualitätsstandards keine Kompromisse ein und verfolgen Anbietern gegenüber eine harte Linie», so Näf.

In einem anderen Fall berichtet Näf von einem Deal, bei welchem man «nach mehreren Fehllieferungen» aus einem Vertrag aussteigen wollte. Schliesslich einigte man sich auf einen Vergleich: Statt 40 Millionen Hygienemasken des Typs II sollte die Firma 60 Millionen Hygienemasken des Typs II liefern, zu 42 Rappen pro Stück. Der Name der Firma ist geschwärzt – im öffentlichen Beschaffungsbericht vom Dezember treffen die Angaben auf die Firma MJ Steps in Volketswil ZH zu.

Armee schweigt zu finanziellen Verlusten

Wie die Problemfälle ausgegangen sind und welche finanziellen Verluste dem Bund durch ungenügende oder mangelhafte Schutzmaterialien entstanden sind, bleibt vorerst offen. «Die Beschaffungen mussten unter hohem Zeitdruck und einem von der Krise geprägten, volatilen Markt mit stark schwankenden Preisen sowie zahlreichen unseriösen Angeboten erfolgen», antwortet Armeesprecher Hofer nur allgemein. Die Armeeapotheke habe auf den Weltmärkten auftragsgetreu innert kurzer Zeit enorme Mengen an Schutzmaterial beschafft, um eine Unterversorgung in der Schweiz zu verhindern.

Ob angemessene interne Kontrollen im Prozess der Maskenbeschaffung eingebaut waren, werde nun durch die interne Revision aufgearbeitet, so Hofer. «Zudem wird beurteilt, ob der Preis der erworbenen Schutzmasken marktgerecht war, die Qualität der erworbenen Schutzmasken den gängigen Standards entsprach und die mit den Lieferanten vertraglich vereinbarten Konditionen eingehalten wurden.»

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