Armee oder Entwicklungshilfe?
Neue Allianz warnt vor Kahlschlag

Der Ständerat will das Budget der Entwicklungszusammenarbeit kürzen und der Armee mehr Geld zuschanzen. Sicherheitspolitiker und Diplomaten reagieren alarmiert.
Publiziert: 16.06.2024 um 10:23 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2024 um 10:25 Uhr
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Heute endet die Bürgenstock-Konferenz. Danach geht die Arbeit weiter: Die Schweiz, im internationalen Vergleich bei der Ukraine-Hilfe knausrig, möchte Milliarden in den Wiederaufbau investieren.

Schon jetzt gibt es Befürchtungen, dass die Gelder für die Ukraine und für die Armee zulasten der Entwicklungszusammenarbeit gehen. In einem Brief, der Blick vorliegt, wenden sich sechs Experten an die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats. Das Anliegen: «Die Armee darf nicht auf Kosten der ganzheitlichen Sicherheit gestärkt werden!»

Den Brief der «Allianz für eine ganzheitliche Sicherheitspolitik» haben sechs Menschen unterschrieben: die ehemalige Mitte-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz (72), der ehemalige Leiter der Humanitären Hilfe der Deza, Toni Frisch (78), der ehemalige VBS-Kadermann für Internationale Beziehungen, Urs Gerber (72), der ehemalige OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger (63) sowie die ehemaligen Botschafter Philippe Welti (75) und Daniel Woker (76).

Foto: KEYSTONE
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«Ganzheitliche Sicherheitspolitik unter Druck»

«Die Entwicklungszusammenarbeit, die humanitäre Hilfe und die Friedensförderung stellen zentrale Elemente der Schweizer Sicherheitspolitik dar. Staatliche Sicherheitspolitik braucht neben Investitionen in Militär und Bevölkerungsschutz zwingend auch Massnahmen im Bereich der Aussen- und Entwicklungspolitik», schreiben die Experten. «Diese ganzheitliche Sicherheitspolitik ist jedoch stark unter Druck.»

Konkret kritisieren die Unterzeichnenden FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann (45). Er hat im Ständerat durchgeboxt, dass 2 Milliarden Franken bei der internationalen Zusammenarbeit gespart werden sollen.

«Das Armeebudget und die internationale Zusammenarbeit in der Budget-Diskussion gegeneinander auszuspielen, ist kurzsichtig und kontraproduktiv», kritisiert das Schreiben. «Neben der Aufrüstung infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine darf die langfristige Konfliktprävention nicht zur Nebensache verkommen.»

Arme Länder brauchen die Hilfe am dringendsten

Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit würden dazu führen, dass erfolgreiche Projekte gestoppt und jahrzehntelang aufgebaute Strukturen zerstört würden. Die Unterzeichnenden sind überzeugt: «Es müssen andere Kompensations- oder Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden.»

In den nächsten Monaten dürfte es zum Verteilkampf zwischen Deza-Direktorin Patricia Danzi (55) und der Staatssekretärin für Wirtschaft, Helene Budliger Artieda (59), kommen. Wie viel Geld fliesst in die Entwicklungszusammenarbeit? Wie viel in die Wirtschaft? Ein eigens vom Bundesrat ernannter Delegierter soll die Wiederaufbauhilfe koordinieren. «Bei der Besetzung des oder der Delegierten sind EDA und das WBF im Co-Lead», teilt der Bundesrat mit.

Zu den aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Ukraine-Delegierten zählt Gabriel Lüchinger (47), der die Bürgenstock-Konferenz massgeblich vorbereitete – dann würde ausgerechnet ein SVP-Mann die Schlüsselrolle spielen. Er war unter dem damaligen SVP-Chef Albert Rösti (56) Generalsekretär und später der persönliche Mitarbeiter von Bundesrat Guy Parmelin (64). 

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