Amaudruz weint nach Amstutz-Schelte
Eklat in der SVP wegen Sexismus-Debatte

Weil Nationalrätin Céline Amaudruz den Sexismus im Bundeshaus anprangerte, kam es in der Rechtspartei zum Streit. Jetzt verteidigt Jean-François Rime seine Kollegin – und rüffelt die Partei.
Publiziert: 09.12.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:14 Uhr
Simon Marti und Marcel Odermatt

Dienstagnachmittag im Fraktionszimmer der SVP: Auf der Tagesordnung steht eine Aussprache über den Fall Yannick Buttet (40). Der Berner Nationalrat Adrian Amstutz (64) attackiert seine Genfer Kollegin Céline Amaudruz (38) – sie hätte sich nicht öffentlich über Angelegenheiten des Walliser CVP-Nationalrats äussern dürfen, das schade der SVP, so der frühere Fraktionschef scharf.

Amaudruz reagiert entsetzt. Sie verlässt unter Tränen den Saal. Die Juristin hatte in Interviews erklärt, dass Frauen auch im Bundeshaus belästigt würden, ein Ratskollege habe ihr gegenüber «eine unangemessene Bewegung» gemacht. Weiter sagte die SVP-Vizepräsidentin, sie steige «mit gewissen Leuten nicht mehr in den Lift».


Der Freiburger Jean-François Rime (67), der neben der Westschweizerin im Nationalrat sitzt und sie seit Jahren gut kennt, will Amstutz nicht unkommentiert lassen. Rime zu SonntagsBlick: «Diese Aussagen waren inakzeptabel. Ich musste mich für Céline wehren!»

Céline Amaudruz fühlte sich im Bundeshaus belästigt.
Foto: KEYSTONE
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Fraktionschef Aeschi will sich nicht äussern

Céline Amaudruz sei eine hochanständige, geschätzte Kollegin und ein wichtiges Aushängeschild der SVP – gerade in der Romandie. «Wenn sie im Bundeshaus belästigt wird, ist das nicht ihr Fehler, sondern der von jener Person, die aufdringlich wird.» Es sei das Recht von Amaudruz, auf Missstände aufmerksam zu machen – auch gegenüber der Öffentlichkeit. «Das musste ich loswerden», sagt Rime. Er habe in der Fraktionssitzung Deutsch gesprochen, damit ihn auch sicher alle verstehen, so der Präsident des Gewerbeverbandes.

Sein Fall sorgt auch in anderen Parteien für Zoff: CVP-Nationalrat Yannick Buttet (l.)
Foto: Peter Mosimann

Auf Anfrage verteidigt sich Amstutz: «Ich habe erstens festgehalten, dass ein Verhalten à la Nationalrat Buttet nicht tolerierbar ist. Zweitens allgemein festgehalten, dass, wenn Frauen öffentlich Anschuldigungen erheben, sie auch die entsprechenden Namen dazu öffentlich nennen und drittens bei der Polizei Anzeige erstatten.» Alle drei Punkte gälten für die Mitglieder aller Parteien. «Es geht nicht, dass mit anonymisierten öffentlichen Beschuldigungen einfach alle, die sich im Bundeshaus bewegen, unter Generalverdacht gestellt werden», fährt Amstutz fort. «Dass Frau Amaudruz den Raum wegen dieser Diskussion verlassen haben soll, habe ich nicht bemerkt. Sie ging mehrmals telefonierend aus dem Sitzungszimmer», so der Berner Oberländer.

Der frisch gekürte Fraktionschef Thomas Aeschi (38) will sich zur Auseinandersetzung nicht äussern. Auf die Frage, ob er Verständnis für Rimes Ärger habe, sagt er bloss: «Die Beratungen in der Fraktion sind vertraulich. Ich kommentiere diese nicht.»

Sexismus ist an kein Parteibuch gebunden

Derweil beschäftigt die Affäre Buttet auch andere Parteien in Bern. Ebenfalls am Dienstag nahm SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (44, VD) seine Parteikollegen ins Gebet. Sexismus ist schliesslich an kein Parteibuch gebunden. Er habe die Fraktionsmitglieder ermahnt, dass er von National- und Ständeräten im Bundeshaus ein anständiges, korrektes Verhalten erwarte, so Nordmann. «Das heisst insbesondere: keine anzüglichen, sexistischen Sprüche oder gar Hände, die auf Wanderschaft gehen. Ich gehe davon aus, dass unsere Leute das verstanden haben!»

Morgen Montag treffen sich die Chefs aller Fraktionen mit den Ratspräsidenten Dominique de Buman (61, CVP) und Karin Keller-Sutter (53, FDP), um sich über den Fall Buttet und mögliche Konsequenzen für den Ratsbetrieb auszutauschen.

Es geht um Übergriffe, nicht um Alkohol

Ich gebe zu: Die SonntagsBlick-Redaktion wären der Versuchung fast erlegen. Beinahe hätten wir eine Umfrage bei den Bundesparlamentariern lanciert. Die Frage: Wie verbreitet ist Alkoholismus im Bundeshaus?

Den Anstoss gab eine Mitteilung von Yannick Buttet. Zu Wochen­beginn erklärte der Walliser CVP-Nationalrat: Er habe ein Alkoholproblem und begebe sich darum in Behandlung. Auch ist es kein Geheimnis, dass im Bundeshaus ausgeschenkt wird wie in einer Alki-Knelle. Und jetzt, da landauf, landab feuchtfröhliche Weihnachts­feiern anstehen, passte das Thema ohnehin gut in die Zeit.

Wir haben auf die Umfrage dennoch verzichtet. Beim Fall Buttet geht es um sexuelle Übergriffe – es geht nicht um Alkohol. Der Mann wird beschuldigt, eine Frau gestalkt und weitere Frauen belästigt zu haben. Der Alkohol kam erst auf die Agenda, nachdem Buttet einen mit allen Wassern gewaschenen Anwalt engagiert hatte.

Die Öffentlichkeit ist in der Regel gewillt, einem reumütigen Sünder zu verzeihen. Erst recht jemandem, der sich als (alkohol-)krankes Opfer outet. Was Yannick Buttet nun aber vorführt, ist das Gegenteil von Reue: Es ist ein zynisches Ablenkungsmanöver.

Gieri Cavelty, SonntagsBlick-Chefredaktor

Gieri Cavelty, SonntagsBlick-Chefredaktor
Gieri Cavelty, SonntagsBlick-Chefredaktor

Ich gebe zu: Die SonntagsBlick-Redaktion wären der Versuchung fast erlegen. Beinahe hätten wir eine Umfrage bei den Bundesparlamentariern lanciert. Die Frage: Wie verbreitet ist Alkoholismus im Bundeshaus?

Den Anstoss gab eine Mitteilung von Yannick Buttet. Zu Wochen­beginn erklärte der Walliser CVP-Nationalrat: Er habe ein Alkoholproblem und begebe sich darum in Behandlung. Auch ist es kein Geheimnis, dass im Bundeshaus ausgeschenkt wird wie in einer Alki-Knelle. Und jetzt, da landauf, landab feuchtfröhliche Weihnachts­feiern anstehen, passte das Thema ohnehin gut in die Zeit.

Wir haben auf die Umfrage dennoch verzichtet. Beim Fall Buttet geht es um sexuelle Übergriffe – es geht nicht um Alkohol. Der Mann wird beschuldigt, eine Frau gestalkt und weitere Frauen belästigt zu haben. Der Alkohol kam erst auf die Agenda, nachdem Buttet einen mit allen Wassern gewaschenen Anwalt engagiert hatte.

Die Öffentlichkeit ist in der Regel gewillt, einem reumütigen Sünder zu verzeihen. Erst recht jemandem, der sich als (alkohol-)krankes Opfer outet. Was Yannick Buttet nun aber vorführt, ist das Gegenteil von Reue: Es ist ein zynisches Ablenkungsmanöver.

Gieri Cavelty, SonntagsBlick-Chefredaktor

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