Allianz mit European Green Deal
Cassis will EU mit Klima-Geld besänftigen

Nach dem Rahmenabkommen-Aus erwägt die Schweiz eine Klima-Allianz mit der EU. Bundesrat Ignazio Cassis kann sich vorstellen, dass sich die Schweiz am Green Deal der EU beteiligt. Er «glaube, dass es sich lohnen könnte».
Publiziert: 20.06.2021 um 10:49 Uhr
  • Cassis will EU mit Klima-Milliarden besänftigen

Aussenminister Ignazio Cassis (60) hetzt von Termin zu Termin. Gipfel mit US-Präsident Joe Biden (78) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (68) in Genf, EU-Debatte im Bundeshaus, Bundesratssitzung und Treffen mit seinen Amtskollegen in Wien und Paris.

Dabei gibt sich Cassis aufgeräumt. Genf habe die Schweiz weltweit in den Fokus gerückt. Mit 1200 angereisten Journalisten aus 44 Nationen: «Es war der grösste mediale Event in unserem Land seit dem Gipfel von 1985 zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow», sagt der Bundesrat im Gespräch mit der «Sonntagszeitung». Biden und Putin hätten bei den Gesprächen mit der Schweiz «sehr konzentriert» gewirkt. Das zeige, so Cassis, dass «sie selbst die kleine Schweiz ernst nehmen».

Nach den Worten des Aussenministers nehme auch die EU die Schweiz weiter ernst. Cassis reist derzeit durch Europa, um die Gemüter nach dem Scheitern des Rahmenvertrags zu besänftigen. «Unsere Nachbarländer hätten nicht die Absicht, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU infrage zu stellen», ist er überzeugt.

Bundesrat Ignazio Cassis (r.) ist ein vielbeschäftigter Mann. Beim Gipfel in Genf begrüsste er an der Seite von Bundespräsident Guy (2. v. r.) Parmelin den russischen Präsidenten Wladimir Putin (2. v. l.) und dessen Aussenminister Sergei Lawrow.
Foto: Keystone
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Green-Deal-Beteiligung «könnte sich lohnen»

«Ich war kürzlich in Frankreich und Österreich», sagt Cassis. «Alle bedauern zwar den Entscheid der Schweiz, betonen aber, dass die gegenseitigen Beziehungen enorm wichtig seien. Das höre ich auch aus Deutschland.» Er stelle fest, dass «man zumindest in unseren Nachbarländern sieht, dass gute Beziehungen zur Schweiz auch im Interesse der EU sind».

Der eingeschlagene Verhandlungsweg habe nicht zum Ziel geführt. Jetzt wolle die Schweiz die «bewährte bilaterale Zusammenarbeit mit der EU weiterführen». Cassis ist zuversichtlich. Es bestehe eine «gewisse Chance», dass bestehende Verträge aktualisiert und die Forschungszusammenarbeit weitergeführt werden können: «Wir wollen mit einem regelmässigen politischen Dialog einen Weg der Entspannung finden, bis sich der Rauch verzogen hat und wir die Kraft haben, einen neuen Ansatz für eine Weiterentwicklung der Beziehungen zu finden.»

So hatte Bundesrätin Simonetta Sommaruga (61) erstmals am WEF 2020 eine Zusammenarbeit beim Green Deal vorgeschlagen. «Es könnte sich lohnen», so Cassis, dass sich die Schweiz am Green Deal der EU beteiligt. Die Schweiz und die EU hätten beim Klimaschutz ähnliche Ziele. «Es macht Sinn, wenn wir hier eine Allianz prüfen würden.»

Neuauflage des Rahmenabkommens nicht ausgeschlossen

Der Bundesrat hat bereits angekündigt, die blockierte Kohäsionsmilliarde bezahlen zu wollen, um bei der EU für Goodwill zu sorgen. Trotz Volksnein am vergangenen Sonntag zum CO₂-Gesetz: Demnach wäre auch eine Beteiligung am Billionen-schweren Klimaprogramm ein Mittel, um das angespannte Verhältnis zu normalisieren.

Die Schweiz habe «Kraft» für «einen neuen Ansatz für eine Weiterentwicklung der Beziehungen zu finden». Es gehöre ein «Weg der Entspannung» eingeschlagen. Cassis ist überzeugt, dass auch die EU «Interesse an Kooperationen mit der Schweiz hat». Er will auch nicht ausschliessen, dass die Schweiz nach dem Rahmenabkommen-Aus dereinst wieder mit der EU über institutionelle Fragen spricht.

Cassis erachtet es aber als «falsch», nach dem Scheitern des Rahmenabkommens «jetzt schon von grossen Visionen wie dem EU- oder EWR-Beitritt zu sprechen». Gerade für einen EU-Beitritt «müsste sich die Welt dramatisch ändern», so Cassis. «Wenn wir ein Wohlstandsproblem bekommen sollten und sich die Welt dahin bewegt, dass wir in Europa als kleines ungebundenes Land ein Sicherheitsproblem erhalten, ist ein EU-Beitritt vielleicht möglich. Eine solche Entwicklung sehe ich aber für längere Zeit nicht.» (kes)


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