«Bis der Kanton anruft, ist es zu spät»
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Alfred Heer klagt:«Bis der Kanton anruft, ist es zu spät»

Alfred Heer kritisiert schwerfälliges Contact Tracing
«Bis der Kanton anruft, ist es zu spät»

Die Contact Tracer sind vielerorts am Anschlag. Das hat SVP-Nationalrat Alfred Heer am eigenen Leib erfahren.
Publiziert: 12.10.2020 um 22:09 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2020 um 12:25 Uhr
Lea Hartmann, Ladina Triaca und Nicolas Lurati

Seinen 59. Geburtstag wird Alfred Heer in schlechter Erinnerung bleiben. Der Zürcher SVP-Nationalrat hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Statt an der Zürcher Langstrasse zu feiern, musste Heer am Montag allein auf das neue Lebensjahr anstossen.

Heer ist nicht der einzige Zürcher, der in Isolation sitzt. Im Kanton sind derart viele Personen infiziert, dass die Contact Tracer kaum mehr allen Ansteckungsketten nachspüren können. Am Wochenende rief die Gesundheitsdirektion von SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli (43) die positiv getesteten Personen gar dazu auf, ihre Kontakte selbst zu warnen. Das hat auch Alfred Heer getan. «Denn bis der Kanton anruft, ist es zu spät», sagt er. Es dauert zu lange, bis die Tracer aktiv werden können.

BLICK weiss zudem von mehreren Personen, die mit Infizierten Kontakt hatten und bis heute auf einen Anruf der Tracer warten.

Die Contact Tracer kommen in vielen Kantonen an den Anschlag.
Foto: Keystone
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Blick hinter die Kulissen

Eingedeckt mit viel Kritik lud die Zürcher Gesundheitsdirek­tion die Medien gestern deshalb nach Pfäffikon ZH ein, zu einem «Blick hinter die Kulissen» der Corona-Nachverfolgung. Der opera­tive Leiter des Zürcher Contact Tracings, Andreas Juchli, war voll des Lobes für sein Personal: «Wir haben super Leute, die viele Überstunden leisten.» Überlastet sei sein Team aber nicht – «wir sind gefordert».

Weniger beschönigend tönt es aus dem Kanton Bern. Der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (57, SVP) wandte sich bereits am Wochenende mit einem Hilferuf an den Bund: «Vielleicht wäre es Zeit, dass der Bund uns unterstützt», sagte er in der «Tagesschau». Er würde sich beim Contact Tracing Hilfe der Armee oder des Zivilschutzes erhoffen.

Berset kritisiert Kantone

Gesundheitsminister Alain Berset (48, SP) zeigte sich am Montag bei einem Besuch in St. Gallen zwar grundsätzlich offen dafür: «Jedes Mal, wenn ein Kanton uns um Hilfe bittet, werden wir darauf eingehen und schauen, was machbar ist.» Der Gesundheitsminister bezweifelte jedoch, dass Armee und Zivilschutz geeignet seien, um die kantonalen Contact Tracer bei ihrer Detektivarbeit zu unterstützen.

Vor allem aber nahm er die Kantone mit deutlichen Worten in die Pflicht: «Es ist seit Monaten klar, dass es beim Contact Tracing viel Kraft braucht», sagte Berset. Seit Mai wüssten die Kantone, dass das Contact Tracing eine ihrer zentralen Aufgaben sei. «Sie hatten Zeit, sich vorzubereiten. Die stark angestiegenen Zahlen der letzten Woche seien «keine totale Überraschung».

Schneggs Retourkutsche

Das will Schnegg nicht auf sich sitzen lassen. Schliesslich hat er in Bern gehandelt und mit der generellen Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen weitgehende Massnahmen ergriffen – während es Bersets BAG dabei beliess, die Farbe der Corona-Kampagne von Blau auf Orange zu wechseln.

«Ich erwarte kein nationales Contact Tracing», sagt er. Aber die Armee habe die Kantone bereits im Frühling unterstützt, indem sie in Altersheimen und Spitälern Einsätze leistete. Warum also nicht auch diesmal?

Zudem will Schnegg vorausschauend handeln. «Jetzt können wir das Contact Tracing noch sicherstellen», sagt er. Doch es wäre verheerend, wenn die Kantone plötzlich damit aufhören müssten, weil sie keine Ressourcen mehr hätten. Und es sei nicht einfach, neues Personal anzustellen. «Irgendwann kommen wir mit der Rekrutierung nicht mehr nach.»

Schaffhausen stockt Contact Tracing auf

Ebenfalls unter Druck sind die Contact Tracer in St. Gallen. Regierungspräsident Bruno Damann (63, CVP) betonte am Montag neben Berset zwar, dass das Contact Tracing in seinem Kanton noch funktioniere. Sollten die Zahlen aber massiv steigen, würde es schwierig. «Dann sind wir froh um jede Hilfe und würden Unterstützung vom Bund nicht ablehnen.»

Bereits reagiert haben die Kantone Schaffhausen und Graubünden: Die Schaffhauser teilen mit, dass ab sofort zehn Zivilschutzdienstleistende das kantonale Contact-Tracing-Team unterstützen. Und bei den Bündnern stehen seit vergangenem Wochenende ebenfalls mehrere Zivilschutzdienstleistende im Einsatz.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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