Ueli Maurer führt den Widerstand an
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1000er-Grenze soll fallen:«Widerstand hat stark zugenommen»

Alain Bersets Poker um das Verbot von Grossveranstaltungen
1000er-Grenze vor dem Ende

Am Mittwoch entscheidet der Bundesrat, ob das Verbot für Grossveranstaltungen verlängert wird oder fällt. Gesundheitsminister Alain Berset möchte weiterhin eine restriktive Linie fahren, doch seine bürgerlichen Kollegen nehmen ihn wohl an die kurze Leine.
Publiziert: 10.08.2020 um 23:16 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2020 um 19:28 Uhr
Ruedi Studer und Sermîn Faki

Die Zeichen im Bundesrat stehen auf Grün: Ende August dürfte die 1000er-Regel für Grossveranstaltungen fallen. Der Vorschlag von Gesundheitsminister Alain Berset (48), das Verbot allenfalls bis Ende März 2021 zu verlängern, hat in der Sport- und Eventbranche für einen Aufschrei gesorgt.

Trotzdem liebäugelt der SP-Magistrat weiterhin mit einer Verlängerung um «zwei bis drei Monate bis in den Herbst hinein», wie mehrere bundesratsnahe Quellen dem BLICK sagen. Auch eine Verlängerung vorerst bloss bis Ende September sei ein Thema gewesen – wie von Berset ursprünglich schon im Frühling geplant. In dieser Verlängerungsphase sollten Verbände und Veranstalter ihre Schutzkonzepte konkretisieren. Zudem würde bis dahin das Bewilligungsverfahren für die Events konkretisiert und das Vorgehen mit den Kantonen koordiniert, damit alle nach den gleichen Regeln spielen.

Bürgerliche Bundesräte wollen Lockerung

Ob Berset am Mittwoch tatsächlich mit einem Verlängerungsantrag in den Bundesrat geht, ist trotzdem offen – vielleicht krebst er angesichts des Widerstands zurück: Dem SP-Mann steht eine bürgerliche Phalanx gegenüber, die das Verbot kippen will.

Bis Ende August gilt das Verbot für Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen.
Foto: keystone
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Damit scheint klar: Die 1000er-Regel wird Ende August fallen. Anstelle der absoluten Obergrenze soll es eine differenzierte Öffnung geben, mit auf die Branchen abgestimmten Schutzkonzepten und Bewilligungspflicht. Der Bund soll dafür rasch die Rahmenbedingungen definieren.

Der Bundesrat steht unter dem Druck aus den betroffenen Branchen, die teils ums nackte Überleben kämpfen. So wandte sich über ein Dutzend Eventveranstalter – darunter das Swiss Economic Forum oder die Bernexpo – in einem Brief an Berset. Sie sehen den Eventbereich «in seinen Grundfesten erschüttert und in seiner Existenz bedroht». Entscheidend seien die Schutzkonzepte, heisst es in dem Schreiben, das BLICK vorliegt: «Es spielt dabei keine Rolle, ob 800 oder 1500 Personen teilnehmen. Für Organisatoren kann dieser Unterschied jedoch überlebenswichtig sein.»

Auch in der Sportbranche ist Feuer im Dach. Eine Gruppe von Sportfans lancierte eine Petition gegen die Tausender-Regel und brachte innert Kürze über 13'000 Unterschriften zusammen. Die Fussball- und Eishockeyklubs pochen ebenso auf eine rasche Aufhebung der Obergrenze. Sie haben bereits viel Vorarbeit geleistet und ihre Schutzkonzepte weitgehend skizziert.

«Gibt der Bundesrat grünes Licht, können wir im September wie geplant mit der neuen Saison starten», sagt Claudius Schäfer (48), CEO der Swiss Football League. «Wird das Verbot verlängert, sehe ich für viele Klubs schwarz.» Der Bundesratssitzung sieht er optimistisch entgegen. «Wir haben dem Bund aufgezeigt, dass wir mit detaillierten Schutzkonzepten unsere Verantwortung wahrnehmen», so Schäfer. Er appelliert bereits an die Zuschauer, mitzuhelfen. «Es braucht sicher mehr Geduld, bis man im und wieder aus dem Stadion ist.»

Knatsch unter den Kantonen

Eine Verlängerung des Grossveranstaltungsverbots bis Ende Jahr verlangt die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK). «Das wäre die zweckmässigste Lösung», sagt GDK-Generalsekretär Michael Jordi (60).

Besonders um die Situation ausserhalb der Stadien sorgen sich die Gesundheitsdirektoren. Dort sind die Kantone für die öffentliche Ordnung zuständig. «Es stellen sich einige kritische Fragen – zum Beispiel schon, was die Anreise betrifft. Und die Corona-Situation ist immer noch sehr labil», so Jordi. «Verzichtet der Bundesrat auf eine Obergrenze, muss er schweizweit gültige Rahmenbedingungen definieren. Der gesundheitspolitische Aspekt darf nicht auf der Strecke bleiben.»

Kein Problem für Contact Tracing

Allerdings gibt es bereits Risse in der gesundheitspolitischen Front. Mehrere Regierungsräte beurteilen die 1000er-Regel kritisch. So ist auch der Bündner Gesundheitsdirektor Peter Peyer (55) für eine Lockerung zu haben: «Eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum könnte ein kleiner Preis sein, wenn dafür beispielsweise Grossveranstaltungen wieder möglich wären.»

Auch die Zuger Regierung stellt sich gegen das Verbot, wie sie in einer Medienmitteilung schreibt: «Die Durchführung von Grossveranstaltungen unter Einhaltung griffiger Schutzkonzepte ist epidemiologisch möglich, gesellschaftlich richtig und wirtschaftlich – insbesondere im Sport- und Kulturbereich – wichtig.»

Für den obersten Kantonsarzt Ruedi Hauri ist die 1000er-Regel ebenfalls nicht mehr tabu: «Bei guten und durchdachten Schutzkonzepten, die auch eingehalten werden, kann der zusätzliche Aufwand für das Contact Tracing wahrscheinlich machbar sein.» Ruedi Studer und Sermîn Faki

Eine Verlängerung des Grossveranstaltungsverbots bis Ende Jahr verlangt die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK). «Das wäre die zweckmässigste Lösung», sagt GDK-Generalsekretär Michael Jordi (60).

Besonders um die Situation ausserhalb der Stadien sorgen sich die Gesundheitsdirektoren. Dort sind die Kantone für die öffentliche Ordnung zuständig. «Es stellen sich einige kritische Fragen – zum Beispiel schon, was die Anreise betrifft. Und die Corona-Situation ist immer noch sehr labil», so Jordi. «Verzichtet der Bundesrat auf eine Obergrenze, muss er schweizweit gültige Rahmenbedingungen definieren. Der gesundheitspolitische Aspekt darf nicht auf der Strecke bleiben.»

Kein Problem für Contact Tracing

Allerdings gibt es bereits Risse in der gesundheitspolitischen Front. Mehrere Regierungsräte beurteilen die 1000er-Regel kritisch. So ist auch der Bündner Gesundheitsdirektor Peter Peyer (55) für eine Lockerung zu haben: «Eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum könnte ein kleiner Preis sein, wenn dafür beispielsweise Grossveranstaltungen wieder möglich wären.»

Auch die Zuger Regierung stellt sich gegen das Verbot, wie sie in einer Medienmitteilung schreibt: «Die Durchführung von Grossveranstaltungen unter Einhaltung griffiger Schutzkonzepte ist epidemiologisch möglich, gesellschaftlich richtig und wirtschaftlich – insbesondere im Sport- und Kulturbereich – wichtig.»

Für den obersten Kantonsarzt Ruedi Hauri ist die 1000er-Regel ebenfalls nicht mehr tabu: «Bei guten und durchdachten Schutzkonzepten, die auch eingehalten werden, kann der zusätzliche Aufwand für das Contact Tracing wahrscheinlich machbar sein.» Ruedi Studer und Sermîn Faki

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Schliesslich steigt auch in der Politik der Unmut. So plädiert auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) für eine Lockerung: «Aufgrund der Corona-Krise wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen, da darf SP-Bundesrat Berset nicht zusätzlich noch Hunderte Menschen aus der Sport- und Kulturbranche in die Arbeitslosigkeit abdrängen», sagt er.

Statt eines starren Verbots brauche es «flexible, risikobasierte Schutzmassnahmen», so Aeschi. In Kantonen mit hohen Corona-Fallzahlen könnten weniger Zuschauer zugelassen werden als andernorts. Er fordert dafür einen vorgängig definierten und einfach nachvollziehbaren Mechanismus. «Wir dürfen nicht die ganze Schweiz über den gleichen Kamm scheren und alle Klubs mit Geisterspielen bestrafen.»

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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